Folge 50: Open Networked Learning

The Future is Open Science – Folge 50: Open Networked Learning

Audio

Dr. Doreen Siegfried
Leitung Marketing und Public Relations, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Dr. Jörg Pareigis
Direktor Universitätsbibliothek Karlstad, Leitung Zentrum für Lehren und Lernen, Universität Karlstad

[00:00:00] Intro

[00:00:02] Jörg Pareigis:
Die Gruppe, das ist ganz fantastisch jedes Mal wieder zu erleben, wie Kollegen aus der ganzen Welt, die sich absolut nicht kannten, die aus ganz verschiedenen Disziplinen kommen, sich in der Gruppe finden, alle nervös sind, alle ungewohnt, wie sowas stattfinden soll. Auch vielleicht ein bisschen frustriert, weil es dann doch ja nicht so strukturiert ist, wie man sich das wünschen wollte, von einer voll durchstrukturierten Lernplattform. Und nach zwölf Wochen, wie man die sieht, fast Tränen in den Augen, in den Abschlussmeetings.

[00:00:43] Jörg Pareigis:
Wie verändern wir die Rolle des Lehrenden? Des Allwissenden, der auf der Bühne steht und brilliert, mit seiner Kompetenz und seines Wissens, dahin zu kommen, die Rolle anzunehmen. Des Learning Designers, der Lehre designt, wie Studenten tatsächlich am meisten, mit Spaß oder ohne Spaß, aber lernen, dabeibleiben, engagiert werden. Wie wir das hinbekommen, dass sich Studenten wiederfinden in Kursbeschreibungen. Und ja, das das ist meine Hoffnung, dass Open Network Learning dazu beiträgt.

[00:01:30] Doreen Siegfried:
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „The Future is Open Science“, dem Podcast der ZBW. Mein Name ist Doreen Siegfried und ich treffe mich hier mit ganz unterschiedlichen Leuten aus dem Wissenschaftsbetrieb, die Ihnen verraten, wie sie in ihrer täglichen Arbeit Open Science voranbringen. Heute wollen wir darüber sprechen, wie Lehre im digitalen, offenen und international vernetzten Raum gestaltet werden kann. Wir reden über das gemeinsame Erstellen und vor allem auch Reflektieren von digitalen Lernformaten, und zwar international. Über kollegiale und interdisziplinäre Weiterbildung und natürlich über Openness im Kontext digitaler Lehre. Und da wir heute unsere 50. Folge aufnehmen, habe ich mir einen ganz besonderen Gast eingeladen. Unser Gast weilt in Schweden. Er ist Wirtschaftswissenschaftler, Direktor der Universitätsbibliothek Karlstad, Leiter des Zentrums für Lehren und Lernen an der Universität und Hochschullehrer mit Schwerpunkt auf digitalem Lernen, strategischem Management und Innovationsprozessen. Und wem das noch nicht genug ist, er ist an verschiedenen internationalen Initiativen beteiligt, die offene und kollaborative Lernformate fördern, darunter das Projekt „Open Networked Learning“. Herzlich willkommen, Dr. Jörg Pareigis.

[00:03:00] Jörg Pareigis:
Wow! Vielen Dank.

[00:03:02] Doreen Siegfried:
[lacht]

[00:03:03] Doreen Siegfried:
Schön, dass Du da bist. Bevor wir gleich einsteigen und über Open Networked Learning im Detail sprechen. Also, was reizt Dich persönlich an offenen und vernetzten Lernformaten?

[00:03:14] Jörg Pareigis:
Ja, superspannend. Vor allen Dingen würde ich sagen, die Möglichkeiten des Internets voll zu nutzen. Es ist so eine tolle Sache, die Tim Berners-Lee erfunden hat und die wir noch nicht voll in der Lehre ausnutzen. Von und miteinander zu lernen. Das fasziniert mich enorm.

[00:03:41] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Ja, ich glaube über dieses miteinander und voneinander lernen, darüber will ich Dich gleich noch mehr ausfragen. Ich hatte Dich ja anmoderiert als einen der Mitinitiatoren von Open Networked Learning. Wie ist das denn überhaupt entstanden? Und welche Herausforderungen standen da am Anfang?

[00:04:01] Jörg Pareigis:
Ja, da. Also Mitintiiatoren, das ist vielleicht nicht…, kann ich nicht die Ehre zu übernehmen. Das waren tatsächlich meine Kollegen Lars Uhlin aus Schweden vom Karolinska Institutet und Chrissi Nerantzi. Die haben sich 2011 auf einer PBL- problembasiertes Lernen ─ Konferenz in Großbritannien zufällig getroffen und beide dort entdeckt. Eigentlich ja PBL, super für die Hochschullehre, gerade im medizinischen Bereich. Wir in den Wirtschaftswissenschaften kennen wir vielleicht mehr projektbasiertes Lernen. Aber gerade das problembasierte Lernen, wissen wir aus der Forschung, ist fantastisch fürs Lernen. Aber wie macht man das jetzt, gestaltet das im Internet, online? Und da haben die beiden sich zusammengetan und gedacht, „Das kriegen wir hin“. Und da haben die den Vorgänger von Open Networked Learning erfunden und sich ausgedacht. Das hieß denn FDOL ─ Flexible, Distance and Online Learning. Da war ich tatsächlich Teilnehmer, 2012…

[00:05:13] Doreen Siegfried:
Ah, okay.

[00:05:15] Jörg Pareigis:
…2013 und 14. Und dann hat Lars Uhlin mit schwedischen und internationalen Kollegen das weitergeführt und seitdem ununterbrochen seit 2014 unter dem Namen Open Networked Learning, als eine ja Wiederverwendung des Konzeptes von FDOL.

[00:05:38] Doreen Siegfried:
Ja, okay, klasse. Dieses Open Networked Learning versteht sich, so hatte ich es Eurer Webseite entnommen, auch als eine Art von Antwort auf neue Anforderungen in der Lehre. Welche Entwicklung haben denn Deine Kolleg:innen so beobachtet?

[00:05:56] Jörg Pareigis:
Ja, erstmal, dass es leider in der Lehre, Hochschuldidaktik immer noch ganz ganz viel Frontalunterricht gibt. [lacht] Dass Internet und digitale Medien immer noch, naja, mit ein bisschen Skepsis betrachtet werden. Und wie gesagt, die Möglichkeiten gerade des Webs 2.0., um einen uralten Begriff mal rauszuhauen…

[00:06:20] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:06:21] Jörg Pareigis:
…überhaupt nicht eigentlich benutzt werden in vollem Umfang. Und das ist eigentlich die Idee: Wie können wir wieder von Lehrplattformen wegkommen? Und das Open…, die Lehre so gestalten, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, die uns zur Verfügung stehen und auch international unsere Communities zusammenbringen.

[00:06:47] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Und Du hast ja gesagt, die beiden haben sich kennengelernt auf einer Tagung in Großbritannien. Vom Namen her würde ich jetzt mal schlussfolgern, sie sind jetzt auch nicht beides zwei Schweden, die sich zufällig in UK getroffen haben. Also, welchen Beitrag leistet denn Open Networked Learning auch zur Internationalisierung in der Hochschullehre?

[00:07:10] Jörg Pareigis:
Ja, einen ganz großen würde ich sagen. Nämlich, dass wir mit einem Beispiel hier Leute, die sich für das Gleiche interessieren, zusammenbringen können. Genau wie Hashtags das machen im Sozialen Medien Bereich. Leute, die sich für ein bestimmtes Thema interessieren, finden sich, auch wenn sie gar nicht wissen, dass es einander gibt. Und diejenigen, die sich auf unserer Homepage dann wiederfinden, zum Beispiel, und sich für sowas interessieren und das mal erleben wollen auch, die sind bei uns mit offenen Armen willkommen geheißen und können dann daran teilnehmen. Und ja, deswegen… Wir haben Teilnehmer aus ganz, ganz vielen Ländern in den zehn Jahren oder elf Jahren…

[00:08:02] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:08:03] Jörg Pareigis:
…jetzt im Kurs gehabt und freuen uns auch über immer neue Teilnehmer aus neuen Ländern, die wir noch nie dabeihatten. Jetzt gerade im ONL 251-Durchgang aus Kirgistan zum Beispiel.

[00:08:17] Doreen Siegfried:
Ah, okay.

[00:08:18] Jörg Pareigis:
Ja.

[00:08:19] Doreen Siegfried:
Das ist ja krass. [lacht] Wie läuft denn… Also, vielleicht nimm mich mal mit auf die Reise. Wie läuft denn so ein Open Networked Learning Kurs so typischerweise ab?

[00:08:27] Jörg Pareigis:
Ja. Je nachdem, ob Du jetzt ein Teilnehmer von unseren Partner-Unis bist oder ein, was wir sagen, ein offener Teilnehmer, ein Open Learner, meldest Du dich entweder an Deiner Uni oder direkt bei uns auf der Homepage an, dass Du bei dem nächsten Durchgang gern dabei sein möchtest. Und…

[00:08:47] Doreen Siegfried:
Und dann? Was erwartet mich dann?

[00:08:49] Jörg Pareigis:
Und dann geht es dann irgendwann los. Das nächste Mal jetzt im September. Und dann gucken wir, wie viele wir sind. Und dann teilen wir Dich und die anderen in kleine Gruppen ein. In Gruppen von acht. Und dann versuchen wir…, wir fragen Euch erst, wann Ihr an den synchronen Teilmeetings teilnehmen könnt, zweimal die Woche, und teilen Euch dann so ein, dass das praktisch klappt. Morgens, mittags, abends. Und dann fangt Ihr erst mal dran an, Euch mit dem technischen Umfeld, dem digitalen Lernmilieu Euch auseinanderzusetzen und bekannt zu machen in einer Woche. In der zweiten Woche trefft Ihr dann tatsächlich die Gruppe und macht…, bekommt als erste Aufgabe, eine Gruppenpräsentation zu machen, um Euch gegenseitig kennenzulernen. Und dann geht es richtig los über fünf Themen, zweiwöchige Themen über verschiedene Bereiche des offenen genetzwerkten Lernens, Open Networked Learning. Ja. Das ist der grobe Ablauf. Das Ganze geht über zwölf Wochen. Als Teilnehmer ist das gut, wenn man 80 Stunden dafür dann so veranschlagt, sechs, rund sechs Stunden die Woche und dann, ja, geht die Reise los.

[00:10:09] Doreen Siegfried:
Und muss ich irgendwelche Erfahrungen mitbringen? Also mal angenommen, ich mache jetzt Lehre und sage, „Okay, also, dieser ganze Frontalunterricht, also das hat mir schon lange nicht mehr gefallen. Ich will jetzt mal so richtig einsteigen in dieses ganze Thema digital vernetztes Lernen.“ Also muss ich, sozusagen, wie bei so einer Englischprüfung, erstmal so einen Einstiegstest machen, damit Ihr wisst, „Okay, also Frau Siegfried, die ist bitte hier Level A.“ [lacht]. Die kommt in den Grundkurs.

[00:10:37] Jörg Pareigis:
Das ist das Spannende. Und das ist ja genau darum, was das Offene ist in dem Kurs oder ein Teil des Offenen. Wir machen keine Prüfung, welche Voraussetzung oder ob Du die richtige Voraussetzung hast. Für uns ist natürlich die Motivation wichtig. Aber die gehen wir von aus, wenn man zu uns findet und sich anmeldet, dann ist man dabei.

[00:11:03] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Wie gelingt es denn, Ihr habt da jetzt schon, Du hast gesagt, schon über zehn Jahre Erfahrung. Wie gelingt es denn gerade über diese Länder- und Institutionengrenzen hinweg eine gute lernförderliche Dynamik zu entwickeln?

[00:11:17] Jörg Pareigis:
Ja, da ist der Kern, sind die Facilitatoren, die die Gruppen um sich herumhaben oder zur Verfügung haben. Pro Gruppe haben wir einen Facilitator, Hauptverantwortlicher, und einen Co-Facilitator,…

[00:11:32] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:11:32] Jörg Pareigis:
…der sich um den Gruppenprozess tatsächlich kümmert. Im problembasierten Learning, PBL-Bereich, ist das relativ Standard, dass man einen Mentor hat oder einen Facilitator. Und den haben wir dann auch. Und gerade wir in unserem Kurs sehr luxuriös zwei. Und die helfen der Gruppe weiterzukommen, sich zu finden im Anfang. Und nach und nach immer mehr und mehr loszulassen und ja vom Fahrersitz auf die Rückbank zu kommen, in der Auto-Metapher. Und vielleicht nachher sogar fast ganz auszusteigen und die Gruppe selber fahren zu lassen. Da hat man also guten Support und der Kern des Kurses ist eben die PBL-Gruppe.

[00:12:24] Doreen Siegfried:
Ja, ja. Okay. Welche Rolle spielt dann in diesem Kontext so, Du hast ja gesagt, okay, am Anfang ist vielleicht noch zwei, drei Mal dieser Facilitator dabei und steigt dann irgendwann durch den Kofferraum aus und lässt die Gruppe alleine. Also die sind ja dann sozusagen unter sich. Welche Rolle spielt denn so Social Learning, also auch das Lernen vielleicht in  kleinen Tandems oder sowas?

[00:12:53] Jörg Pareigis:
Ja, also der Kern und das Zentrale ist die Interaktion in der PBL-Gruppe. Aber in der Gruppe würde ich sagen, nicht so unbedingt in Tandems, sondern in der Gruppe. Und das ist, die Gruppe, das ist ganz fantastisch jedes Mal wieder zu erleben, wie Kollegen aus der ganzen Welt, die sich absolut nicht kannten, die aus ganz verschiedenen Disziplinen kommen, sich in der Gruppe finden, alle nervös sind, alle ungewohnt, wie sowas stattfinden soll. Auch vielleicht ein bisschen frustriert, weil es dann doch nicht so strukturiert ist, wie man sich das wünschen wollte von einer voll durchstrukturierten Lernplattform. Und nach zwölf Wochen, wie man die sieht, fast Tränen in den Augen, in den Abschlussmeetings…

[00:13:45] Doreen Siegfried:
[lacht] Ja, Wahnsinn.

[0:13:46] Jörg Pareigis:
Und ganz viele sagen jetzt: „Wir halten auf jeden Fall Kontakt“. Es kommen sich also…, das vernetzte Lernen erlebt man, was möglich ist, eben halt in der Online-Lehre, wie nah man sich kommen kann. Viel näher als im Frontalunterricht in einigen Hörsälen in internationalen Unis.

[00:14:04] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Und würdest Du sagen, das hat tatsächlich mit diesem Fokus auf problembasiertem Arbeiten zu tun?

[00:14:10] Jörg Pareigis:
Ja, damit auf jeden Fall, weil dadurch eben halt wir nicht vorgeben… Wir geben das Thema vor und wir geben ein Szenario vor, in dem sich die Teilnehmer wiederfinden. Und dann bestimmt die Gruppe aber selber, worauf man jetzt Interesse hat, was Interesse weckt und worauf man sich fokussieren will in dem Thema, in dem Bereich. Und das ist also sehr viel, im Englischen sagt man „self directed learning“. Da fällt mir jetzt der deutsche Fachbegriff nicht zu ein. Aber das selbstbestimmte Lernen und die Einflussnahme und die Möglichkeit, das zu beeinflussen, was ich denn lehre, lernen möchte. Das motiviert und das hilft dazu und trägt dazu bei, dass man sich sehr nahekommt und dass man sich den Kursinhalt zu seinem eigenen macht und eben ja selbstbestimmt und dadurch ganz viel motiviert ist und vielleicht auch sogar die eine oder andere Stunde mehr darauf veranschlagt, als wir das eigentlich vorgeschlagen haben. Ja, und dadurch eben halt die Nähe entsteht.

[00:15:19] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Vielleicht wenn…, Du hast gesagt, Ihr werft ein Thema rein oder gebt ein Thema vor oder ein Szenario. Hast Du vielleicht mal so ein Beispiel für so ein typisches Thema?

[00:15:27] Jörg Pareigis:
Ja. Wir fangen also jetzt am Anfang an mit digitalen Kompetenzen und Online-Teilnahme. Also, was brauche ich eigentlich und wie sehe ich mich als Lehrender oder Forschender im Verhältnis zu meinen Studenten? Und das Szenario ist dann ungefähr so: „Oh, alle meine Studenten sind auf ganz vielen verschiedenen Plattformen und ich bin ganz unsicher. Ich habe noch nie einen Online-Kurs designt. Ich weiß jetzt gar nicht wie, wo fange ich denn jetzt an?“

[00:15:58] Doreen Siegfried:
Ja, ja.

[00:15:59] Jörg Pareigis:
Und also das wirklich zu entdramatisieren das Thema. Das ist zum Beispiel das erste Thema. Das zweite Thema, in dem sind wir jetzt gerade, das geht halt darum, um Offenheit und sharing, also Teilen…

[00:16:15] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:16:16] Jörg Pareigis:
… im Internet. Und was ist Open Education? Was sind Open Educational Resources, also offene Lehrressourcen? Was ist das überhaupt? Was sind Creative Commons Lizenzen, zum Beispiel. Was ja auch im Open Science Bereich ja die Bausteine sind für Open-Access-Publikationen. Und dann geht es dann weiter über Vernetztes Lernen, Kursdesign, Blended Learning, Online Learning und dann das Abschlussthema: Was nehmen wir mit?

[00:16:53] Doreen Siegfried:
Ja. Ja, ich verstehe. Und wie groß sind die Gruppen so? Wenn Du sagst, man kommt sich wirklich nahe, können das ja keine Riesentruppen sein.

[00:17:02] Jörg Pareigis:
Nee, wir fangen eigentlich immer mit acht an.

[00:17:05] Doreen Siegfried:
Ah, ja.

[00:17:05] Jörg Pareigis:
Manchmal verschwindet ein Teilnehmer, aber acht Teilnehmer landen wir eigentlich immer pro PBL-Gruppe mit den zwei Teil-Facilitatoren. Und dann ist, macht das nichts, wenn man mal bei einem Meeting nicht dabei sein kann. Wir haben auch eine digitale Lehrplattform für den Kurs und dann kann man ja im Kontakt bleiben, was die Gruppe dann für sich entscheidet, wie man zusammenarbeiten möchte.

[00:17:33] Doreen Siegfried:
Ja, ja, super. Welche genauen digitalen Tools unterstützen denn jetzt diesen Prozess ganz konkret?

[00:17:43] Jörg Pareigis:
Ja. Also wir versuchen natürlich auch auf offene Technologien zu nutzen und zurückzugreifen und zentral für unseren Kurs, also www.opennetworkedlearning.se, das ist eine WordPress Multi Site. Also gehostet hier an der Uni in Karlstad, wo auch denn alle Daten liegen. Und ja, WordPress ist ja… 30% aller Homepages im Internet werden mit WordPress gehostet, ist also eher ein super Tool. Und das ist ganz zentral denn auch für den eigenen…, für die Blogs oder wir nennen das individuelle Reflexionsplätze von den Teilnehmern, die auch individuell reflektieren. Das ist zusammen mit dem RSS-Feed. Jetzt wird es ein bisschen…Mehr technisch wird es dann auch nicht. Wo wir dann einzelne Reflexionen der Teilnehmer zusammenführen an einer Stelle. Das ist, würde ich sagen, zentral. Dann Videomeeting-Tools. Wir benutzen auch Zoom in Schweden, ganz viele Unis. Und das stellen wir unseren Teilnehmern zur Verfügung bzw. den Facilitatoren, die dann die Gruppen betreuen. Und ja, dann Social Media. Am Anfang 2014 war die Stimmung und auf Twitter zum Beispiel noch viel angenehmer. Da haben wir ganz viel mit Twitter gearbeitet. Mittlerweile verlagern wir uns eher auf BlueSky und Mastodon. Auf andere, ja…

[00:19:26] Doreen Siegfried:
Kanäle.

[00:19:26] Jörg Pareigis:
…Open Source-Standards und Protokolle und genau. Und der Fokus ist aber vielleicht gar nicht mehr so groß. Viele von uns sind auch auf LinkedIn natürlich und vernetzen sich da. Und es ist aber auch nur ein Beispiel, eben wie die Kraft des Hashtags zu benutzen, um andere Individuen auf dem Planet kennenzulernen, die sich über das gleiche Thema interessieren. Und zur Zusammenarbeit das kollaborative Arbeiten in Texten, leider immer noch sehr viel Google Drive und das versuchen wir seit langem auszutunen sozusagen. Aber es ist immer noch leider sehr schwer und aber da sind wir am Ball. Und das ist ja gerade in politischen Stimmungen derzeit ein großes Thema von Digital Sovereignty, versuchen wir halt auch zu implementieren.

[00:20:19] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Ja, kann ich mir vorstellen, dass es schwierig ist, auch alle unter einen Hut zu kriegen, gerade wenn das eine internationale Veranstaltung ist. Okay. Welche Rolle spielt denn KI in diesem ganzen Kontext?

[00:20:31] Jörg Pareigis:
Ja, interessant. Spielt sie. Zum Beispiel, dass wir das benutzen. Das letzte Szenario gerade zum Topic Openness  habe ich mithilfe von ChatGPT geschrieben. Und aber mehr konkret noch und mehr systematisch ist es, dass es die Lehrenden, die Teilnehmer selbst aufgreifen. Dass die Szenarios in den verschiedenen Themen, in dem problembasierten Lern-Szenario, das so viel Offenheit lässt, dass auch aktuelle Themen wie KI ganz automatisch aufgegriffen werden, wenn die Gruppe das als spannend empfindet. Und das ist in fast allen Gruppen, in den letzten Iterationen ist es so gewesen, dass wir immer in den Gruppenpräsentationen am Ende des Topics ganz viel über KI lesen und ja diskutiert wurde.

[00:21:33] Doreen Siegfried:
Ja, kann ich mir supergut vorstellen, dass es für Leute in der Lehre, die mit Studierenden zu tun haben…

[00:21:40]
[beide lachen]

[00:21:40] Doreen Siegfried:
…ein sehr wichtiges Thema ist.

[00:21:42] Jörg Pareigis:
Wichtiges Thema. Ja.

[00:21:45] Doreen Siegfried:
Wenn Du jetzt sagst, jeder kann jetzt sozusagen auch als offener Gast oder wie Du es vorhin formuliert hast, kann eigentlich jeder mit dabei sein. Für wen ist dann Open Networked Learning besonders geeignet?

[00:21:56] Jörg Pareigis:
Ja, für alle in der Hochschullehre, würde ich sagen, mit Lehrauftrag. Einfach mal… Selbst wenn man schon mal… Einige von uns haben vielleicht einen Massive Open Online Course mal designed oder sind in der Online-Lehre tätig. Ich aus meiner Erfahrung in Karlstad an der Uni, zum Beispiel die Hälfte aller, die Hälfte aller unserer Studenten regulär sind Onlinelehrstudenten. 11.000. Selbst für erfahrene Onlinelehrende ist das die Erfahrung in internationalen PBL-Teams. Das ist noch was ganz anderes, wie nah man sich kommt, weil das auch immer leider noch nicht ein selbstverständliches Thema ist, das kollaborative Lehren in der Hochschullehre. Es ist nicht Standard, würde ich sagen. Und auf keinen Fall im Onlinebereich. Und jeder, der es mal erleben möchte, wie das gestaltet werden kann. Ja, ich bin totaler Fan. [lacht]

[00:23:05] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:23:05] Jörg Pareigis:
Natürlich. Und vielleicht ein bisschen biased. Aber ja, für alle in der Hochschullehre würde ich sagen.

[00:23:13] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Und alle, die Hochschullehre machen, wissen spätestens seit Corona, dass es nicht ganz verkehrt ist, da zu wissen, wie es eigentlich funktioniert.

[00:23:22] Jörg Pareigis:
Man kann deutlich mehr machen, als in Zoom eine Vorlesung zu halten im Frontalmodus.

Aber das bedeutet eben halt, dass man viele Sachen eben doch ein bisschen anders machen muss, wenn man es online macht. Und das zu erleben, wie man das machen kann und dass es geht und was dabei rauskommen kann, ist eben halt eine tolle Erfahrung, die man so im Open Networked Learning Kurs machen kann.

[00:23:43] Doreen Siegfried:
Ja, ja. Also ich meine, nun ist ja Corona, Gott sei Dank, jetzt schon ein paar Jahre her, aber wir haben es alle noch in den Knochen. Und ich erinnere tatsächlich viele Leute, die angefangen haben und das auch schon gut gemacht haben für das Jahr 2020 oder auch 21. Dass die immer noch das Problem hatten und sagten, „Okay, ich habe ein Zoom-Seminar. Irgendwie 90% haben schwarze Kacheln, die kommen auch nicht mit Klarnamen. Ich weiß auch gar nicht, ob die da überhaupt sitzen oder ob die mittlerweile mal kurz einen Spaziergang gemacht haben oder ihre Wäsche sortieren oder was.“ Also es gibt ja gar keine Verbindung zwischen der Person, die jetzt gerne was teilen möchte und den Leuten, für die es gemacht ist. Also…

[00:24:28] Jörg Pareigis:
Ja.

[00:24:28] Doreen Siegfried:
… würdest Du sagen, durch vernetzte Lehre haben nicht nur die Leute ihren Spaß, die die Seminare machen, mit Tränen in den Augen, sondern ja vielleicht hinterher auch die Gruppe, die am Ende des Tages ja zusammenkommt, also sprich die Studierenden und die Person, die zu dem Zeitpunkt noch ein bisschen mehr Wissen hat und das irgendwie teilen möchte.

[00:24:49] Jörg Pareigis:
Ja, auf jeden Fall. Und ich möchte noch mal sagen, wir haben jetzt so Luxusvoraussetzungen in dem Kurs, weil eben ganz viele aus der Community weiter daran teilnehmen. Aber darum geht es genau im Kurs. Wie kann ich die Black Wall of Zoom vermeiden? Und darum geht es eben auch im Kurs. Ohne das Offene, ohne das Vernetzte zu erleben… dass man eben in der Onlinelehre die Prozesse aktiv als Lehrender gestalten muss in der Onlinelehre. Und nicht einfach, wie im Campus, das geschenkt bekommt, dass Studenten sich vor dem Vorlesungssaal treffen, Fragen stellen, sich näherkommen und dann wissen, wer im Kurs ist. Und nachher noch mal kurz zum Lehrenden gehen und eine Frage stellen, weil man sich im großen Plenum nicht getraut hat. Das alles fällt in der Onlinelehre weg und das muss man aktiv designen und gestalten. Und da und wenn man das eben nicht macht, sondern einfach los, dann „Ja, wir sind ja alle hier. Alle habt Ihr Euch eingetragen in der Vorlesung. Dann lege ich mal los.“ Ja, dann gibt es eben halt nicht die Psychological Safety in der Gruppe von den Lehrenden, die denken, „Ist das überhaupt… Machen wir das hier zusammen? Oder soll ich jetzt eigentlich… Was ist denn eigentlich meine Rolle als Studierende?“ Vielen Studierenden kommt das wahrscheinlich doch eher vor, immer noch, dass sie nur Zuhörer sind. Ja, in der Vorlesung zuhören. Und wenn man einer Vorlesung zuhört, warum soll ich dann meine Kamera anmachen?

[00:26:27] Doreen Siegfried:
Ja, ja, ja, okay. Vielleicht noch mal zu den Lehrenden. Was würdest Du sagen, nehmen die denn typischerweise aus dem Kurs mit, aus diesen zwölf Wochen? Also sowohl inhaltlich als auch methodisch. Also vielleicht so die drei wichtigsten Skills.

[00:26:42] Jörg Pareigis:
Ja, erstmal die Erfahrung, dass es möglich ist.

[00:26:46] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:26:47] Jörg Pareigis:
Das, würde ich sagen, ist ganz zentral. Dann eben halt was wir gerade gesagt haben, die Bedeutung, Gruppenprozesse zu steuern und zu designen und sich darum aktiv zu kümmern, dass das nicht von alleine geht im Onlinebereich. Ja und ein Drittes ist vielleicht, dass es Spaß machen kann.

[00:27:08] Doreen Siegfried:
Ja, das ist doch… Das ist doch total wichtig, dass es Spaß macht.

[00:27:13] Jörg Pareigis:
Ja, finde ich schon.

[00:27:15] Doreen Siegfried:
Gibt es denn… Hast Du vielleicht ein Beispiel so aus Eurer Praxis oder auch aus Deiner Praxis, das verdeutlicht, wie das dann vielleicht auch wirkt. Also, kriegst Du Rückmeldungen von den Leuten, die mal teilgenommen haben, dass sie sagen „Also jetzt, ich habe keine Abbrecher mehr“ oder was auch immer. Also was, wie wirkt das am Ende?

[00:27:35] Jörg Pareigis:
Ja. Ist natürlich auch keine Wundermedizin. Man kommt dann zwar auch zu seinem Alltag, in seine eigene Hochschule, zurück und da hat man nicht immer zwei Lehrer oder Assistenten für eine Gruppe von acht Studenten. Was wir sehen ist, dass ganz viele Teilnehmer, wenn wir die am Ende einladen, im ONL-Team dabei zu sein, also weiterzumachen als Co-Facilitator und dann später als Facilitator, dass das ganz viele eben machen und dass wir dadurch mittlerweile einen ganz großen Pool haben von einer wirklich Community von Facilitatoren, auf die wir dann immer wieder zurückgreifen und einladen. Und wenn Leute weitermachen können und das gerade passt in dem Semester, dass die dann dabei sind. Und deswegen und auch nur deswegen können wir eben halt das Verhältnis von acht Teilnehmern zu mit zwei Faciliatoren lösen. Das ist das eine. Also die Teilnehmer kommen wieder und wollen daran weiter teilhaben und wechseln dann  sozusagen ins Lehrerteam. Und das andere ist es, dass es mittlerweile schon ein, zwei, drei vielleicht Adaptionen auch vom ONL gibt. Im Bibliothekswesen in Schweden relearn.se, ein Kurs für Bibliothekare und hochschulakademische Schreibsupporter. Da fällt mir jetzt gerade… Jetzt wird es sehr Denglisch.

[00:29:12] Doreen Siegfried:
Ja. Wie heißt es denn auf Schwedisch? [lacht]

[00:29:14] Jörg Pareigis:
Ja. Akademisk skrivanledning. Und Bibliothekare treffen sich da, machen das gleiche pädagogische Format, ein bisschen kürzer. Und dann gibt es einen anderen Tochterkurs sozusagen, der heißt auf Englisch „Higher Education Didactics for Sustainability Heads“. Der ist also für die Nachhaltigkeit in der Hochschullehre. Das gleiche pädagogische Konzept, hier geht es aber darum, wie können wir in der Betriebswirtschaft, in der Volkswirtschaft, in anderen Disziplinen Nachhaltigkeit mit ins Curriculum bekommen.

[00:29:51] Doreen Siegfried:
Okay, okay, alles klar. Ja, okay. Und das andere ist …

[00:28:45] Jörg Pareigis:
Und das so würde ich sagen, ist die Wirkung. Es wird… Mehr und mehr erkennen das. Wir können komplexe Probleme nur zusammen lösen. Dann, ja, können wir natürlich auch über Videos und Multiple Choice Quizzes Lernen gestalten. Viel mehr Spaß und interessanter, impactfuller wird es dadurch, wenn wir Leute zusammenbringen.

[00:30:18] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Vielleicht noch mal zur Organisation. Also, ONL ist das eine Plattform? Also was ist sozusagen… Wie nennt man das? Oder ist es eine Organisation oder wie würdest Du das bezeichnen?

[00:30:36] Jörg Pareigis:
Wir sagen, unsere Byline ist: Ein Kurs, eine Community und ein Approach, also ein Ansatz. Und es ist eben alles gleichzeitig, derzeit. Es verändert sich, hat sich verändert über die elf Jahre. Derzeit sind wir zwei Hauptunis, die hauptverantwortlich sind. Das ist Arcada in Finnland und Karlstad Universität in Schweden. Und wir zusammen mit einer Kollegin von der Careum Foundation in der Schweiz bilden das Organisationskomitee. Wir planen den nächsten Durchgang des Kurses, halten das Team zusammen und stellen die Infrastruktur zur Verfügung. Und dann ist es eben halt die Community von den ehemaligen Teilnehmern und Lehrern, den Facilitatoren. Wir treffen uns wöchentlich während des Kurses, um abzustimmen, wie der Kurs läuft, was wir in der Zukunft besser machen wollen. Und ja, und dann ist eben die Einladung an alle, daran teilzunehmen. Als Partneruni in der Zukunft dabei zu sein.

[00:31:49] Doreen Siegfried:
Und wie finanziert sich das Ganze?

[00:31:52] Jörg Pareigis:
Ja, zum Beispiel in Finnland und in Schweden zum Beispiel ist es so, dass unsere Lehrenden in Schweden 400 Stunden Hochschulpädagogik oder -didaktik an formellen Kursen belegen müssen.

[00:32:00] Doreen Siegfried:
Okay.

[00:32:10] Jörg Pareigis:
Um, ja, um Dozent zu werden.

[00:32:14] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:32:15] Jörg Pareigis:
Und da ist es also institutionalisiert, dass wir hochschuldidaktische Kurse im Programm haben. Und einer davon ist eben, einer von vielen an der Uni Karlstad hier, Open Networked Learning. Und deswegen finanziere ich als Chef der Bibliothek und des Hochschuldidaktischen Zentrums den Kurs. Und deswegen können meine Kollegen damit arbeiten. Und es ist aber natürlich fast jede Uni, und Karlstad Uni hat das auch, die Internationalisierung als strategisches Ziel und Fokusbereich. Und dann ist das natürlich eine super Aktivität und ja, Event, dabei auch nachhaltig und verantwortungsvoll die Internationalisierung vom Schreibtisch aus zu betreiben, sozusagen.

[00:33:09] Doreen Siegfried:
Ja, ja, okay. Und also das heißt, Ihr seid jetzt sozusagen in dieser Steuerungsgruppe, nenne ich das jetzt mal, zu dritt. Also Finnland, Schweden und die Schweiz und könnten da jetzt auch noch andere sagen, also jetzt aus Deutschland beispielsweise, „Ich will da auch dabei sein.“?

[00:33:28] Jörg Pareigis:
Liebend gerne, liebend gerne. Wir haben zum Beispiel die Uni Oldenburg schon dabei auch. Wir haben ja auch eine Publikation mit Forschern von einem Center für Open Educational Resources. Grüße gehen raus nach Oldenburg. Ja, natürlich. Der Onboarding Prozess sozusagen läuft am besten so ab aus unserer Erfahrung, dass man erstmal als Teilnehmer vom vielleicht vom Hochschulpädagogischen Zentrum dabei ist. Wir haben gerade eine Fachhochschule aus Österreich dabei, die im Prozess ist. Man fängt als Teilnehmer an, ist dann im nächsten Termin als Co-Facilitator dabei und bringt dann im Jahr darauf seine ersten Lernenden mit. Wenn man nicht schon jemanden als Open Lerner schon mal mit gleich am Anfang auch mit anfängt. Das ist so der Onboarding-Prozess und ja und dann stellt man nachher einen Facilitator und nimmt seine Lernenden mit von seiner Uni. Je nachdem, wie viel man hat. Und wie gesagt, wir machen den Kurs zweimal pro Jahr. Und leider, leider sehen wir immer noch die Notwendigkeit, das wahrscheinlich auch noch mal zehn Jahre weiterzumachen, weil die Hochschullehre flächendeckend leider noch nicht dabei ist.

[00:34:49] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Ja, und ich kann mir auch vorstellen, selbst, mal angenommen, ganz Europa ist geschult…

[00:34:56] Doreen Siegfried:
[lacht]

[00:34:56] Doreen Siegfried:
Mal angenommen.

[00:34:57] Jörg Pareigis:
[lacht] Ja.

[00:34:58] Doreen Siegfried:
Und über die Jahre entwickelt sich ja auch ganz viel. Vielleicht müsste man das dann irgendwann nach einer gewissen Zeit X ja dann auch noch ein zweites Mal wiederholen.

[00:35:08] Jörg Pareigis:
Ja, auf jeden Fall. Und wie gesagt…

[00:35:09] Doreen Siegfried:
Also. Ich glaube nicht, dass Ihr jemals fertig seid.

[00:35:12] Jörg Pareigis:
Wir werden nie ganz fertig sein und das ist das Schöne, weil es macht viel zu viel Spaß, immer neue Teilnehmer kennenzulernen. Aus, aus allen Winkeln, auch unserer schönen Welt. Natürlich am einfachsten aus einer Zeitzone, die nicht ganz so weit von entfernt ist von der Central European Time. Machts deutlich einfacher. Aber in Südamerika, äh Südafrika, haben wir viele Unis und Teilnehmer dabei, andere afrikanische Länder. Und ja, meine Hoffnung ist auch, dass noch mehr europäische Universitätsallianzen, also die European University Alliance, das mit aufnehmen. Wir sind in einer, Lund Universität, die auch sehr treibend in dem Kurs war, ist in einer anderen. Und da hoffen wir, dass jetzt wir auch mehr und mehr europäische Unis anboarden können. Und ja, natürlich, ich als alter Norddeutscher würde mich natürlich freuen, wenn noch mehr deutsche Unis am Start wären.

[00:36:12] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Also liebe Zuhörer:innen aus Norddeutschland, Ihr wisst, was jetzt Eure Pflicht ist.

[00:36:19] Jörg Pareigis:
Auch aus anderen Teilen von Deutschland.

[00:36:19]
[beide lachen]

[00:36:20] Doreen Siegfried:
Ja, ja. Natürlich.

[00:36:21] Jörg Pareigis:
Alle sind willkommen.

[00:36:23] Doreen Siegfried:
Vielleicht noch… So neigen wir uns mal langsam dem Ende. Aber ich habe noch ein paar Fragen. Also, Du hast ja gesagt, okay, bis ich tatsächlich alle durchgeschult hab und da habt Ihr noch eine Weile zu tun. Aber siehst Du auch noch so andere Entwicklungen für Open Networked Learning, so in den nächsten Jahren? Was ist da geplant vielleicht, was über die reine Fortsetzung hinausgeht? Könntest Du Dir auch vorstellen, da irgendwie KI-Support irgendwie noch einzubinden, damit man das skalieren kann? Also, was ist da so Deine Vision?

[00:37:02] Jörg Pareigis:
Ja, meine Vision ist, dass wir natürlichund das haben wir auch schon lange diskutiert, ja ─   ein Open ONL 2.0, um noch weiterzugehen in Themen, die jetzt hochaktuell sind, wie GDPR. Wie gestalte ich und wo muss ich darauf aufpassen, wenn ich offene Tools benutze? Dass es vielleicht nicht so gut ist, jetzt nordamerikanische Plattformen zu benutzen. Und wie, was… einfach zurück bis hin zu den zur Ausgangslage des Internets zu kommen. Kann nicht meine Uni was hosten, damit ich auch dran teilnehmen kann? Was jetzt in Europa zum Glück ein ganz großes Thema ist. KI ist natürlich ein anderes Thema. Und wer weiß, was in der Zukunft noch andere aktuelle Themen auftauchen. Aber jetzt gerade so Kurse wie, ich nannte das vorhin Heads-Kurs über die Nachhaltigkeit in der Hochschullehre, ist ja schon ein Ausbauthema und Folgethema. Das wird ja, wird sicherlich noch hoffentlich andere Nachahmer finden, die das dann darauf weiter aufbauen und das weiter vorantreiben.

[00:38:20] Doreen Siegfried:
Ja, okay, super. Wenn Du jetzt sozusagen dieses Format von diesem vernetzten Lernen, offenes Lernen, digitales Lernen, wenn man sich das mal anguckt usw. Wir hatten ja auch von Social Learning gesprochen. Also, wo siehst Du dann im Hochschulkontext langfristig die Entwicklung von dieser Art von Dozent-Studierenden-Interaktion, auch Lehre genannt?

[00:38:47] Jörg Pareigis:
Ja, dass wir endlich da dort ankommen, wo wir in der gefühlten Realität der Studenten wahrscheinlich schon sind. Dass ganz, ganz, ganz, ganz viele Informationen frei zugänglich sind. Natürlich nicht alle leider freie Informationen, wissenschaftlich hochwertige Informationen noch nicht frei zugänglich sind. Aber wie verändern wir die Rolle des Lehrenden, des Allwissenden, der auf der Bühne steht und brilliert, mit seiner Kompetenz und seines Wissens, dahin zu kommen, die Rolle anzunehmen? Des Learning Designers, der Lehre designt, wie Studenten tatsächlich am meisten mit Spaß oder ohne Spaß aber lernen, dabeibleiben, engagiert werden? Wie wir das hinbekommen, dass sich Studenten wiederfinden in Kursbeschreibungen. Und ja, das ist meine Hoffnung, dass Open Networked Learning dazu beiträgt.

[00:39:51] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Eine Frage, die mir noch durch den Kopf geht. Ich hoffe, ich mache jetzt kein zu großes Fass auf. Aber wenn Du sagst, okay, es ist die Entwicklung in Richtung mehr Partizipation usw. in ein Miteinander, problembasiert oder wie auch immer, sich Sachen aneignen. Was würdest Du denn sagen, es gibt ja… Also, in Deutschland zumindest gibt es eine Studienordnung, wo ganz genau drinsteht, das und das muss gelehrt werden, das sind die Inhalte, dann gibt es Klausuren. Und in Deutschland zumindest ist es so, dass viele Studierende sehr klausurorientiert lernen und auch immer fragen „Muss ich das jetzt wissen? Kommt das in der Klausur vor?“ Wenn nicht, schalte ich mal ganz kurz auf Durchzug oder entspanne mich oder wie auch immer. Also worauf ich hinaus will, die Studierenden, wenn die, sozusagen… Wenn man diese Partizipation und dieses Miteinander auf Augenhöhe ernst nimmt, hätten die auch die Chance zu sagen, „Also Rechnungswesen, das interessiert mich nicht. Ich will jetzt nur Thema XYZ haben. Also, ich will jetzt nur Finanzen lernen oder nur Marketing und alles andere lassen wir mal weg.“ Also, gibt es so diese Möglichkeit, selbst Themen auszuwählen?

[00:41:10] Jörg Pareigis:
Ja, also. Also natürlich ist mir das bewusst. Und dass sich das jetzt alles ganz fantastisch anhört und partizipativ und… Und wie gesagt, die Realität der Lehrer, Lehrenden, ist oft auch eine andere und die Voraussetzungen sind leider andere. Wie viele Stunden wir haben für Unterrichtsdurchführung. Was wir aus der Medizin vielleicht lernen können, ist eben, dass problembasiertes Lernen funktionieren kann.

[00:41:43] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:41:43] Jörg Pareigis:
Da dort werden auch Klausuren geschrieben.

[00:41:45] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:41:45] Jörg Pareigis:
Und da ist es sehr, sehr wichtig. Und Professoren der Medizin nehmen das sehr, sehr ernst, dass die Studenten das tatsächlich können, wenn sie entlassen werden. Aus der lehrmedizinischen Lehre kommt die PBL oder ist ein starker Förderer, weil es eben halt nicht nur darum geht, Wissen zu reproduzieren, in Klausurzusammenhängen, sondern dass das Anwenden des Gelernten viel, viel wichtiger vielleicht ist. Gerade in einer Zeit, wo sich der Wissensstand der Wissenschaft so schnell erneuert, dass es nicht darum geht, irgendwas rezitieren zu können, sondern vielmehr zu sehen, wie kann ich lernen und Studien, Selbststudium beibringen.

[00:42:36] Doreen Siegfried:
Ja. Ja.

[00:42:36] Jörg Pareigis:
Und wie kann ich meine Studenten dazu bekommen, selbst Verantwortung zu übernehmen und auch die Skills dazu? Schrittweise hinzubekommen, dass wir eben selbstständige Lerner sind. Und da denke ich, ist die Zukunft. Und da bedarf es eben ein bisschen Feintuning im didaktischen Bereich. Und das ist sehr herausfordernd. Das ist nicht so einfach, aber es ist voll möglich.

[00:43:06] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Also ich fasse mal, sozusagen für mich, ich paraphrasiere das mal, damit ich weiß, ob ich es alles verstanden habe. Also, das heißt, es geht jetzt gar nicht darum, dass man jetzt sagt, „So, also das lassen wir jetzt mal alles weg.“ Das geht nicht. Aber ich habe sozusagen als Lehrender die Verantwortung, dass die Leute wissen, wie man sich Wissen aneignet, dass ich ihnen das Wichtigste beibringe, auch im Sinne von „Ich merke es mir nicht drei Tage und dann lösche ich das wieder.“ Sondern „Ich weiß, warum es wichtig ist. Und ich kann es jetzt auch.“ Und wenn ich jetzt wirklich sage, also Marketing will ich jetzt wirklich bis ins Letzte, ich will jeden Forschungsartikel dazu gelesen haben der letzten zehn Jahre, dass man dann den Leuten das Werkzeug an die Hand gibt und sagt: „Hier, da findest du die Infos. Go, hab‘ Spaß.“ Ja.

[00:43:58] Jörg Pareigis:
Ganz genau, ganz genau. Das ist die Vision.

[00:44:01] Doreen Siegfried:
Das ist die Vision. Ja, sehr schön. Ach, das hätte ich auch gerne. Gibt es denn… Also nochmal zu Open Networked Learning. Gibt es jetzt etwas, vielleicht, was Du Leuten mitgeben möchtest? Oder Institutionen oder Communities, die jetzt sagen, „Also das finde ich jetzt richtig toll, das möchte ich auch. Aber ich weiß noch nicht, ist das tatsächlich was für mich?“ Also, was wären so Deine super Verkaufsargumente für Leute, die vielleicht noch so, so ein bisschen zögern?

[00:44:28] Jörg Pareigis:
Ja, denen würde ich sagen: „Ganz viel Mut. Einfach mal einschreiben, mitmachen. Offen sein, sich darauf einlassen und das einfach mal zwölf Wochen mitmachen.“

[00:44:42] Doreen Siegfried:
Ja, okay, sehr schön. Und vielleicht allerletzte Frage und auch ganz pragmatisch mal gefragt: Wie kann man sich, wo kann man sich einschreiben? Also hast du einen Link, dann können wir den in die Shownotes packen.

[00:44:57] Jörg Pareigis:
Ja, www.opennetworkedlearning.se ist die Anmeldung für den nächsten Durchgang und ja, wir freuen uns.

[00:45:13] Doreen Siegfried:
Ja, das ist doch super. Okay. Also, wer jetzt noch keine Lust hat auf solche internationalen Kurse, da weiß ich auch nicht, was man da noch machen kann. Also ich finde es auf jeden Fall superspannend. Vielen Dank, Jörg. Vielen Dank auch an Sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Wir hoffen, die Episode hat Ihnen gefallen., Sie sind jetzt neugierig auf Open Networked Learning. Teilen Sie uns auch gerne Ihre Meinung mit. Gerne Lob, aber auch gerne konstruktive Kritik. Wir sind erreichbar per E-Mail, auf Mastodon, YouTube, Bluesky oder LinkedIn. Und wenn Ihnen unser Podcast gefällt, dann freuen wir uns natürlich, wenn Sie uns abonnieren. Ansonsten, das war Folge 50. Vielen Dank und ich sage auf Wiedersehen.

[00:46:01] Outro