Folge 5: Scientific Impact

The Future is Open Science – Folge 5: Scientific Impact

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Dr. Doreen Siegfried
Leitung Marketing und Public Relations, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Prof. Dr. Jörg Peters
Leitung Forschungsgruppe Klimawandel in Entwicklungsländern, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

[00:00:03-0] Doreen Siegfried: Willkommen bei „The Future is Open Science“, dem Podcast der ZBW. Hier verraten Ihnen interessante Menschen aus dem Wissenschaftsbetrieb, wie sie in ihrer täglichen Arbeit Open Science voranbringen. Wir tauchen ein in die Tiefen der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter und verraten Ihnen handfeste Tipps und Tricks zu Open Science in der Praxis. Ich bin Doreen Siegfried und freue mich sehr, Host dieses Podcast zu sein.

[00:00:33-0] Doreen Siegfried: Hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von „The Future is Open Science“, dem Podcast der ZBW. Ich freue mich, dass Sie wieder eingeschaltet haben. Wir reden heute hier über Forschungstransparenz, über den Societal Impact und nichts Kleineres, als die gesellschaftliche Verantwortung von Ökonominnen und Ökonomen. Dazu habe ich mir heute Professor Doktor Jörg Peters eingeladen. Jörg Peters ist Volkswirt am RWI, am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Kurz zu seiner Person: er leitet die Forschungsgruppe Klimawandel in Entwicklungsländern. Er ist Professor an der Universität Passau und seine Forschungsschwerpunkte sind Umwelt, Energie und Entwicklungsökonomik. Und neben seiner Forschung berät er auch internationale Organisationen, wie beispielsweise die Weltbank, die Millennium Challenge Corporation oder die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Ich freue mich, dass wir heute hier digital uns gegenübersitzen. Herzlich willkommen.

[00:01:47-6] Jörg Peters: Guten Morgen. Ich freue mich auch, hallo.

[00:01:51-3] Doreen Siegfried: Wir wollen heute ganz große Fragen besprechen und deshalb wollen wir auch nicht klein einsteigen. Meine erste Frage wäre, warum sind Sie Ökonom geworden? Was ist ihre Passion?

[00:02:05-6] Jörg Peters: [lacht] Ja, das ist in der Tat eine große, große Einstiegsfrage. Aber auch eine berechtigte. Also, ich glaube, weil ich auch in früheren und jüngeren Jahren, genau wie heute, ein politischer Mensch war, der ich eben immer noch bin. Und in diesem Sinne war ich immer daran interessiert, die Zusammenhänge der Gesellschaft besser zu verstehen.

[00:02:30-0] Doreen Siegfried: Ja, okay. Und spielen für Ihre Arbeit auch oder für Ihre Themenfindung… Also, wenn Sie sagen, Sie sind in der Forschungsgruppe Klimawandel in Entwicklungsländern unterwegs, spielen da auch die Ziele für nachhaltige Entwicklung eine Rolle? Orientieren Sie sich daran so ein bisschen oder ist das weniger der Fall?

[00:02:52-4] Jörg Peters: Die Sustainable Development Goals?

[00:02:54-9] Doreen Siegfried: Ja, genau.

[00:02:58-3] Jörg Peters: Ja, natürlich. Also ich, ich denke da jetzt nicht Tag und Nacht darüber nach. Aber natürlich tauchen die sehr häufig in unserer Arbeit auf. Das Ziel ist ja, mehr oder weniger, die Politik sehr, sehr generell zu orientieren und das im Prinzip normativ zu verankern. Das ist auch eine Idee, die ich, die ich gut finde. Also wenn man beispielsweise einen Hauptteil meiner Arbeit nimmt, nämlich unsere Forschung zum Zugang zu moderner Energie im globalen Süden und vor allem in Afrika. Das ist ja eines der SDGs. Nummer sieben, wenn ich mich nicht irre. Und das können Sie mal als Beispiel nehmen. Da kann man jetzt lange diskutieren, ob es betriebswirtschaftlich oder ökonomisch sinnvoll ist, ein entfernt liegendes Dorf im ländlichen Afrika ans Stromnetz anzuschließen oder mit einer solaren Dorfstromanlage zu versorgen. Man kann aber auch einfach sagen, dass das so sein soll, normativ. Das tun die SDGs oder das tut in dem Fall das SDG Nummer sieben. Und das, das denke ich, ist eine gute Idee, ja.

[00:04:08-9] Doreen Siegfried: Okay. Und wenn Sie jetzt forschend unterwegs sind als Ökonom, sehen Sie sich so ein bisschen auch als Diener der Gesellschaft?

[00:04:22-7] Doreen Siegfried: [lacht] Oder wo sehen Sie Ihre Rolle?

[00:04:23-7] Jörg Peters: Also ich, alleine schon durch meine und unsere Finanzierung, nämlich durch die Steuerzahler:innen, bin ich sicherlich im Dienst der Gesellschaft. Aber ich würde wahrscheinlich nicht die Formulierung „Diener der Gesellschaft“ nehmen, so von meinem Charakter her. Aber nichtsdestotrotz, die Idee der Aussage würde ich wahrscheinlich unterschreiben. Ja. Natürlich, wir sind dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin verantwortlich. Wir müssen mit dem, mit der luxuriösen Situation, in der wir sind, nämlich, unseren Alltag damit verbringen zu dürfen, Dinge zu erforschen, müssen wir natürlich sehr verantwortungsbewusst umgehen. In diesem Sinne, ja.

[00:04:56-7] Doreen Siegfried: Und was heißt dann für Sie verantwortungsbewusst?

[00:05:00-7] Jörg Peters: Hm. Naja, ganz pathetisch gesagt, der Erkenntnisgewinn sollte über dem persönlichen Interesse stehen. Und konkreter würde ich das jetzt so interpretieren, dass ich es für meinen oder unseren Auftrag halte, zu gesellschaftlich relevanten Fragen zu forschen und dann möglichst eben, möglichst objektiv oder integer, ganz allgemein gesagt. Und dann eben auch die Ergebnisse wiederum möglichst objektiv zu interpretieren und an die Gesellschaft zu kommunizieren.

[00:05:41-4] Doreen Siegfried: Und welche Rolle spielt jetzt neben dem gesellschaftlich, ah ne, neben dem akademischen Impact, welche Bedeutung spielt für Sie der gesellschaftliche Impact?

[00:05:53-6] Doreen Siegfried: Also, wie groß ist da Ihre Antriebsfeder? Mal so gefragt.

[00:06:01-5] Jörg Peters: Ja, ich denke, darum geht es. Darum geht es mir, darum geht es den allermeisten Wissenschaftler:innen, denke ich, und speziell Ökonom:innen.

Im Alltag ist es natürlich jetzt nicht so, dass ich jeden Morgen aufstehe und mir sage, beim Zähneputzen, heute verändere ich die Gesellschaft. Aber natürlich ist das, ist, das, was uns sicherlich antreibt, ja. Und wenn wir Forschungsprojekte planen und durchführen. Ja, und das sind eben im Alltag dann natürlich ganz andere Aufgaben, Schritte und oft mühsame Arbeit, sagen wir. Und natürlich, das tun wir mit dem Ziel, mit dem Ziel auf eben beschriebene Art der Gesellschaft hoffentlich etwas zurückzugeben von dem, was sie uns gibt.

[00:06:44-2] Doreen Siegfried: Und würden Sie sagen, diesen societal Impact oder gesellschaftlichen Impact kann man messen? Und wenn ja, wie?

[00:06:55-9] Jörg Peters: Ja, es ist eine sehr gute Frage. Die stellen wir uns auch immer wieder mal. Jetzt beispielsweise am RWI in Strategieprozessen. Und natürlich wollen wir, wollen wir Einfluss auf die, im positiven Sinne, Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Durch unsere Forschung.

Und das versucht man natürlich irgendwie auch zu erfassen. Aber das ist natürlich nicht objektiv oder endgültig möglich. Was man tun kann, ist oder wahrscheinlich der der einfachste und auch am häufigsten genutzte Indikator in unserer in unserem Berufsfeld, sind wahrscheinlich Publikationen zunächst mal. Und dann deren Zitationen, also ob die gelesen werden und schließlich auch dann wiederum von anderen Wissenschaftler:innen oder auch anderen Institutionen der Gesellschaft rezipiert werden. Also zitiert werden, rezipiert werden. Das ist wahrscheinlich noch das, ja, wenn man so will, die beste Indikation, ob das, was man tut, irgendwie wahrgenommen wird. Ob es dann Veränderungen nach sich zieht, das, das würde ich jetzt sagen, ist nicht möglich zu messen. Muss aber auch nicht unbedingt sein. Also ich denke, wenn wir gehört werden als Wissenschaftler:innen, dann ist bereits viel erreicht. Und natürlich dann kommen ja auch Prozesse, politische Prozesse, die die von vielmehr geleitet sind und auch sein sollen, als vom Input der Wirtschaftswissenschaftler oder auch wirklich generell der Wissenschaftler:innen.

[00:08:26-2] Doreen Siegfried: Das heißt, wenn Sie so auf Zitationen gucken, jetzt seitens der Gesellschaft, sind das dann Erwähnungen in Tagesmedien, Tagespresse, Blogs, Social Media so was in der Art?

[00:08:41-2] Jörg Peters: Genau das, das wäre eine Art, darüber nachzudenken. Eine andere, etwas akademischere ist, eben auf die Zitationen zu schauen. Welche anderen wissenschaftlichen Arbeiten zitieren einen. Oder eben auch, welche Veröffentlichungen von politischen Organisationen zitieren unsere Arbeit. So kann man auf unterschiedliche Art draufschauen. Aber sicherlich, wenn man jetzt im engeren Sinne an die Gesellschaft denkt, dann ist wahrscheinlich sogar das, was Sie gerade sagten, das Naheliegendste. Nämlich, wie, ob und wie wird unsere Arbeit medial rezipiert?

[00:09:16-9] Doreen Siegfried: Also außerhalb des Wissenschaftsbetriebes sozusagen.

[00:09:19-9] Jörg Peters: Genau. Wobei das eben auch kein Selbstzweck sein darf. Also, es wird bisweilen kritisiert, wie wir, und nicht ganz zu unrecht denke ich, wie wir Wissenschaftler unsere Arbeit kommunizieren. Und das wir dabei eben zu sehr darauf, sagen wir, aus sind, dass uns die Medien dann auch zitieren. Was zum Beispiel dazu führt, dass, sagen wir, Probleme von Studien oder Einschränkungen bei Studienergebnissen womöglich nicht transparent genug kommuniziert werden. Insofern muss man das auch ein bisschen kritisch wieder hinterfragen. Aber erstmal als Indikator ist das sicherlich legitim, wenn man es dann nicht übertreibt.

[00:10:05-0] Doreen Siegfried: Ja, okay. Ja, das ist klar. Und nochmal zu der Ausgangsfrage. Also mich interessiert ja vor allem, was Sie jetzt in Ihrer Rolle als Volkswirt, als Ökonom, der sich mit den großen Themen Umwelt, Energie, Entwicklungsökonomie beschäftigt, was Sie antreibt und wo Sie eventuell vielleicht auch noch Möglichkeiten sehen oder Verbesserungsideen. Also wenn Sie jetzt gucken, das, was Sie, wenn Sie sagen, Sie stehen zwar nicht jeden Tag auf, wenn beim Zähneputzen und denken, heute will ich die Welt verbessern. Aber vielleicht doch ab und zu mal. Funktioniert das Wissenschaftssystem schon in Ihren Augen perfekt, um genau diesen Auftrag zu erfüllen?

[00:10:55-7] Jörg Peters: Nein.

[00:10:55-9] Doreen Siegfried: [lacht]

[00:10:59-1] Jörg Peters: Die Formulierung kann ich…Also perfekt funktioniert es mit Sicherheit nicht. Und jetzt Ihre nächste Frage ist dann wahrscheinlich: „Wie gut funktioniert‘s denn?“. Und das ist dann letztlich ja eine empirische Frage. Also darüber muss man sich dann Gedanken machen hinsichtlich wie, im Prinzip, wie gut, wie robust, wie belastbar sind die Ergebnisse, die wir produzieren. Ja. Also, oder anders formuliert, liegt, läge die Politik, würde sie sich nach unseren Ergebnissen richten, richtig? Ja und da hab‘ ich jetzt habe ich doch erhebliche Zweifel, wenn ich an die Wirtschaftswissenschaften denken. Die Debatte gibt es auch in anderen Disziplinen. Aber wir bleiben jetzt wahrscheinlich hier bei unseren Leisten oder bei meinen Leisten, nämlich den Wirtschaftswissenschaften. Und ja und da gibt es erhebliche Zweifel daran, inwiefern das System insgesamt wirklich, ja belastbare Ergebnisse produziert, die wirklich auch quasi in der Realität halten. Sagen wir mal.

[00:12:12-0] Doreen Siegfried: Und können Sie das noch ein bisschen ausführen? Also jetzt nicht alle, die das jetzt vielleicht hören, sind jetzt so in den Wissenschaftsbetrieb eingetaucht, dass sie genau wissen, was Sie jetzt andeuten. Eventuell.

[00:12:24-7] Jörg Peters: Ja. Absolut, ja. Ich sollte das sogar ausführen. Also, es geht da letztlich um die Frage, wie der Wissenschaftsbetrieb funktioniert und was er dann publiziert, also hervorbringt. Und dabei können eben verschiedene Dinge falsch laufen, um es mal jetzt ganz vereinfacht zu sagen. Womöglich geraten nicht die richtigen Ergebnisse an die Öffentlichkeit in Publikationsprozessen und wahrscheinlich müssen wir da jetzt ein bisschen ausholen. Also der Publikationsprozess ist ja zunächst mal extrem wichtig für uns. Daran werden Karrieren entschieden, insbesondere auch in den Wirtschaftswissenschaften. Also wie viel ich publiziere und wie hoch, also in, je reputierter die Zeitschrift ist, in der ich veröffentliche, desto besser, et cetera. So und über die Entscheidung, ob etwas publiziert wird oder nicht, trifft letztlich ein:e Herausgeber:in bei einer Fachzeitschrift, unterstützt von den sogenannten Peer Reviewern, also Gutachter:innen. Die dann anonymerweise meine Arbeit, aber eben auch die von anderen Leuten natürlich, bewerten. Ja. So, und in diesem Prozess, dafür gibt es inzwischen starke Anzeichen, sagen wir, in diesem Prozess setzen sich nicht unbedingt die richtigen Ergebnisse durch.

[00:14:01-3] Doreen Siegfried: Hm.

[00:14:02-3] Jörg Peters: So, das kann unterschiedliche Ursachen haben. Beispielsweise weil die Herausgeber:in oder weil die Peer Reviewer spektakuläre Ergebnisse interessanter finden, als weniger spektakuläre für ihre Fachzeitschrift. Aber auch, weil ich als Forschender womöglich weiß, was die Gutachter:innen interessant finden. Und entsprechend ja, ich habe auf unterschiedliche Art Einfluss auf die Ergebnisse, sagen wir mal. Und die kann ich so ausüben, dass es spektakulärer wird oder aussieht, spektakulärer aussieht, das ist der Punkt. Es ist nicht spektakulärer, sondern es sieht so aus. Und nun diese Prozesse nennt man Publication Bias oder P-Hacking, das sind so die Stichwörter. Und es mehren sich die Anzeichen dafür in unserer Profession, dass das doch sehr systematisch passiert. Ja.

[00:15:05-9] Doreen Siegfried: Ja. Okay.

[00:15:10-4] Doreen Siegfried: Und was wäre Ihr Vorschlag? Wie könnte, was könnte man machen? Ich meine, wenn Sie sagen, dass Politik gegebenenfalls auf nicht ganz so korrekten Ergebnissen basiert, ist es ja ein ziemlicher, wie soll ich sagen, ein ziemlicher Schaden, der da entstehen kann.

[00:15:32-1] Jörg Peters: Absolut. Der Schaden dessen… Also, die Frage ist zunächst mal, wie groß ist das Problem, dass ich vorhin beschrieben habe. Da herrscht jetzt keine komplette Einigkeit. Das werden andere Leute anders einschätzen als ich. Und die Empirie dazu wiederum ist auch nicht sonnenklar, dass das klar ist. Aber sofern das in beträchtlichem Ausmaß stattfindet, ist der Schaden enorm, natürlich. Ja, absolut. So, jetzt muss man vielleicht kurz eine weitere Unterscheidung machen. Das eine, das was ich vorhin beschrieben habe, ist so der Publikationsprozess innerhalb der Wissenschaft.

Wenn nun, beispielsweise in Deutschland, Ökonomen und Ökonominnen ein Gutachten erstellen für ein Ministerium, für die Regierung oder wen auch immer, dann ist das natürlich nicht unbedingt von den gleichen Problemen beeinflusst wie das, was wir gerade eben besprochen haben. Die direkte, sagen wir mal, Arbeit der Politikberatung unterliegt dem jetzt nicht so sehr.

[00:16:35-2] Doreen Siegfried: Okay.

[00:16:35-3] Jörg Peters: Da kommen womöglich andere Probleme ins Spiel, über die wir auch gern sprechen können, aber erst einmal diese klassischen Probleme innerhalb der Wissenschaft haben nicht direkt Auswirkungen auf die Politikberatung. Aber es ist trotzdem so, dass sich innerhalb, also auch innerhalb der Wirtschaftswissenschaften, sozusagen, die Qualität von Forschung und die Qualität von Forschenden wird sortiert, sagen wir, anhand dieses Publikationsprozesses, das definitiv. Also insofern hat es mindestens indirekten Einfluss darauf. Aber auch für sich genommen. Also, es ist ja auch das Ziel des Publikationsprozesses, dass es irgendwie solide Ergebnisse produziert, auch für die Politik. Es ist ja jetzt auch im Zusammenhang mit der Corona-Krise ist, das Stichwort Peer Review und Qualitätssicherung der Wissenschaft immer wieder diskutiert und erwähnt worden. Und in diesem Sinne haben Sie völlig Recht. Wenn dieses Problem so massiv ist, wie ich selbst denke, und einige andere eben auch, dann ist das definitiv sehr problematisch.

[00:17:49-9] Doreen Siegfried: Und mit diesem Selektionsprozess meinten Sie, dass die Leute, die erfolgreich P-Hacking betreiben und so weiter, dass die eher eine wissenschaftliche Karriere machen als andere?

[00:18:05-5] Jörg Peters: Genau, vereinfacht gesagt wäre es das. Jetzt muss man natürlich sagen, dass ich niemandem unterstellen werde, dass er oder sie jetzt ganz böswillig und gezielt P-Hacking betreibt. Denn das sind implizite Prozesse häufig auch, derer wir uns gar nicht unbedingt bewusst sind. Wenn man nicht extrem sensibilisiert dafür ist. Und jetzt fragten Sie vorhin nach möglichen, ja wie man das verbessern kann…

[00:18:33-9] Doreen Siegfried: Ja.

[00:18:34-3] Jörg Peters: was es für Lösungsvorschläge oder Möglichkeiten gibt. Und tatsächlich wäre das zunächst mal der einfachste Verbesserungsvorschlag ist, sich also, dass dieses Problem extrem präsent gemacht wird, salient. Wir müssen darüber diskutieren. Es muss, es muss Teil des Bewusstseins, es muss Teil der Ausbildung sein. Und dann würde ich auch annehmen, die meisten Leute wollen das ja nicht, also wie ich gerade sagte, P-Hacking ist jetzt nicht in den meisten Fällen nicht kein böswilliger Prozess. Die meisten Leute wollen das natürlich nicht tun und …

[00:19:09-7] Doreen Siegfried: Sind sich aber nicht darüber bewusst, dass sie es irgendwie tun. Ja.

[00:19:13-1] Jörg Peters: Genau, also das gibt es auch. Sicherlich. Davon hört jeder immer wieder. Aber ich würde eben sagen, dass das nicht den Großteil ausmacht tatsächlich. Insofern wäre eine Art Bewusstmachung und ja und dann eine Art kultureller Wandel, um so ein großes Wort mal zu benutzen, sicherlich der nachhaltigste Verbesserungsvorschlag. Die nächste spannende Frage ist dann, wie man das erreicht.

[00:19:40-9] Doreen Siegfried: Ja, ja. [lacht] Genau das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen. Also woran ich gerade dachte, weil Sie sagten, es machen sich viele vielleicht während der Arbeit gar keine Gedanken darüber. Mich erinnert das so ein bisschen an Studierende, die gerade so anfangen und gar nicht darüber nachdenken, dass beispielsweise Wikipedia jetzt nicht so unbedingt eine total toll zitable Quelle ist. Oder breite Passagen irgendwo abschreiben und nicht darüber nachdenken, dass es gegebenenfalls unlauter ist, die Quelle nicht korrekt anzuzeigen. Das muss ja gelernt werden, dass bestimmte Sachen nicht wissenschaftlich sauber sind.

Und würden Sie sagen, dass dieses saubere Arbeiten, oder vielleicht ist es ja auch gar kein sauberes Arbeiten, also, dass dieses Thema Sensibilisierung stattfinden sollte in der Doktorandenausbildung? Oder wann oder wie kann diese Aufklärungsarbeit am besten passieren?

[00:20:46-9] Jörg Peters: Ja, ich würde sogar sagen noch früher. Also es sollte tatsächlich Teil der wissenschaftlichen Grundausbildung sein, dass Wissenschaft kritisch diskutiert wird.

[00:20:56-9] Doreen Siegfried: Ja.

[00:20:57-9] Jörg Peters: Und das wird natürlich auch gemacht, aber wieder die Frage: Genug oder nicht genug? Und das Beispiel Wikipedia ist vielleicht ein schönes. Das können Sie ein Stück weit übertragen, nicht eins zu eins natürlich, auf wissenschaftliche Fachzeitschriften. Ja. Natürlich unterliegen die einem ganz anderen Prozess als Wikipedia, offensichtlich. Dennoch ist die Idee oder was bisweilen gesagt wird, dass, ja, oder dass Publikationen in sehr guten Fachzeitschriften fast schon als die Wahrheit behandelt werden oder mindestens als paradigmatisch. Das halte ich für nicht richtig. Und da sollte man meines Erachtens bereits sehr früh, also Studierenden beibringen oder die da heranführen, dass sie auch sehr einschlägige, hoch publizierte Arbeiten, kritisch diskutieren. Und alle, also meine Erfahrung, haben alle auch die sehr hoch veröffentlichten Arbeiten, haben Probleme. Das heißt nicht, dass die, welches Wort haben Sie eben benutzt, dass die unsauber gemacht sind unbedingt. Auch das gibt es. Aber es ist eben sehr multidimensional, also eine Studie kann … Also, um eine Studie für die Politik oder für die Gesellschaft wirklich korrekt zu interpretieren, muss man ganz, ganz, ganz viele Dimensionen einbeziehen und eine Studie mag in vier Dimensionen sehr sauber gemacht sein, aber in der fünften hat sie Probleme. Und diese Sensibilität zu schärfen bei Studierenden, dass man über alle fünf Dimensionen nachdenkt, sagen wir mal, das halte ich für extrem wichtig. Damit eben auch ja die Menschen mit universitären Abschlüssen in der Lage sind, beispielsweise in der gegenwärtigen Corona-Diskussion, Forschung kritisch zu hinterfragen.

[00:22:53-3] Doreen Siegfried: Ja.

[00:22:53-8] Jörg Peters: Und aber auch die tägliche Radiomeldung, dass mehr Treppensteigen glücklicher macht. Das verwirrt ja Menschen, denke ich bisweilen.

[23:04-1 [beide lachen]

[23:05-9] Jörg Peters: Genau. Und, und ich denke, das sollte tatsächlich Teil der frühen akademischen Ausbildung sein.

[00:23:15-8] Doreen Siegfried: Ja. Was mich noch interessiert, wenn wir noch mal auf diesen Wissenschaftsbetrieb gucken. Welche Rolle hat dann in Ihren Augen dieser hohe Wettbewerbsdruck auf den Wissenschaftsbetrieb und auch vor allem auf die Rolle von Wissenschaft in der Gesellschaft?

[23:37-2] Jörg Peters: Ja.

[00:23:38-0] Doreen Siegfried: Also, wir erleben ja, wir erleben ja gerade eine ganz große Wissenschaftsskepsis. Und da stellt sich mir die Frage: Gibt’s da Verbindungen, die man mal bedenken sollte?

[00:23:50-4] Jörg Peters: Hm. Ja, das sind vielleicht zwei, zwei große, größere, jeweils wichtige Fragen. Das eine ist sozusagen die Karriererelevanz des Publikationsprozesses und entsprechend die Anreize, wie Sie eben sagten, sauber zu arbeiten. Ohne jetzt den Begriff so binär zu interpretieren. Und das andere ist, welche Rolle spielen wir in der Gesellschaft und wie nimmt die Gesellschaft uns wahr?

[00:24:22-5] Jörg Peters: Ja, was Letzteres betrifft, ich denke schon, dass es da eine Veränderung braucht. Also man sollte Wissenschaft auf keinen Fall gleichsetzen oder synonym benutzen mit Wahrheit. Also es wird ja in manchen Diskussionen in der Öffentlichkeit wird das Wort „wissenschaftlich“ benutzt, wie die Peitsche der Wahrheit, um eine Debatte zu beenden. Und das, es gibt natürlich Diskussionen, die wissenschaftlich konsolidiert und klar sind, also beispielsweise den anthropogenen Klimawandel. Und natürlich auch grundsätzliche Dinge, die die Corona-Pandemie betreffen. Das ist jetzt ist jetzt überhaupt nicht mein Fachgebiet, natürlich. Nur um eben die Abgrenzung klarzukriegen zu den also, wie soll man sagen, fundamental Skeptiker:innen, die Sie gerade angesprochen haben. Also da gibt es natürlich eine ganz klare Abgrenzung. Und aber eben jenseits dessen muss man differenzieren können. Und wissenschaftlich bedeutet nicht gleich Wahrheit. Und man muss, man muss verstehen, und auch die Gesellschaft muss, sollte meines Erachtens verstehen, dass woher die wissenschaftlichen Ergebnisse kommen, nämlich aus dem geschilderten wissenschaftlichen Prozess und genau. Und der ist von Menschen gemacht, von Menschen mit menschlichen Eigenschaften. Und entsprechend ist er natürlich auch fehleranfällig. Und nichtsdestotrotz brauchen wir natürlich die Wissenschaft, um einen um eine vernünftige Debatte zu führen. Und das ist sicherlich, wie soll man sagen, kein schmaler Grat, aber eben es erfordert Differenzierung. Aber dazu sind wir auch in der Lage, denke ich, als aufgeklärte Gesellschaft. Also wir brauchen keine binären Kategorien, meines Erachtens.

[00:26:19-4] Doreen Siegfried: Ja die Frage, die sich mir tatsächlich stellt, also in diesen Zeiten, wo es tatsächlich, Sie hatten jetzt gesagt Wissenschaftsfundamentalskepsis oder Wissenschaftsskepsis, wird ja jetzt nicht nur im Kontext von Corona laut, auch in anderen Kontexten wird ja gerne auch mal angezweifelt, was da so in den wissenschaftlichen Institutionen fabriziert wird. Also was mich, was ich mich frage, muss Wissenschaft vielleicht noch viel selbstreflektierter sein? Und wirklich gucken, okay wir müssen mal uns, unsere eigene Arbeit, unseren eigenen Forschungsoutput, unsere eigenen Routinen tatsächlich nochmal ganz kritisch auf den Prüfstand stellen, um am Ende des Tages wirklich das, was Sie jetzt gesagt haben, konsolidierte Ergebnisse auch anbieten zu können? Und selbst wenn es nicht die Wahrheit ist, dass man sagen kann, okay, es ist aber wirklich nach bestem Wissen und Gewissen ein aktueller Stand der hohen Wahrscheinlichkeit, dass es so sein könnte.

[00:27:38-5] Jörg Peters: Ja, richtig. Also, ich denke, die Wissenschaft, ich muss ein bisschen aufpassen jetzt. Je allgemeiner wir den Begriff benutzen, desto ja, desto weniger ist es natürlich immer eine spezielle Expertise, das muss ich klar dazu sagen. Aber ich denke, man kann dennoch allgemein sagen, dass die Wissenschaft sich dieser Dinge schon bewusst ist und dass sie im Inneren auch so funktioniert. Ja, es gibt diese Debatten und man ist sich dessen bewusst, dass beispielsweise eine Studie, die man erstellt, eben auch nur ein Puzzleteil auf dem Puzzle ist und für sich genommen noch nicht die ganze Welt beantwortet.

Aber. Genau, es wird halt medial oft nicht so dargestellt. Und tatsächlich stellen auch wir Wissenschaftler das medial vielleicht nicht klar genug. Ja, das, worauf wir uns da beziehen und welche Inferenzschritte wir noch, wir machen zwischen Studienergebnis und der politischen Empfehlung. Ja die, das denke ich machen wir, und da würde ich mich auch komplett selbst einbeziehen, vielleicht nicht immer klar genug. Und andererseits, wie gesagt, sollte die Gesellschaft, sollten die Medien und speziell auch Journalist:innen, da eine kritischere Rolle spielen und Wissenschaft eben auch mehr als das repräsentieren, das, was Sie gerade beschrieben haben, hier als ein mindestens komplexer, wenn nicht diffuser, Erkenntnisgewinnungsprozess.

[00:29:13-2] Doreen Siegfried: Ja, ja. Welche Rolle sehen Sie denn in diesem ganzen Kosmos in dem Bereich Forschungstransparenz?

[00:29:20-5] Jörg Peters: Ja, das ja, das hat natürlich eine enorme Bedeutung. Also ist letztlich, wir haben ja eben vorhin schon ganz, würde sagen, ganz allgemein über Lösungsmöglichkeiten gesprochen. Also, kultureller Wandel – Stichwort. Das Vehikel, das diesen kulturellen Wandel auslösen könnte, ist eben genau die Forschungstransparenz. Also mehr Bewusstsein dafür, wie wichtig Transparenz ist. Und dann tatsächlich auch strengere Regeln für das, was in Sachen Forschungstransparenz gemacht werden muss.

#00:29:55-5# SF Okay, dann frage ich noch mal konkret nach: was muss denn in den Wirtschaftswissenschaften Ihrer Meinung nach gemacht werden? Und wer kann das machen, mit wem und wie? Also wie kann das konkret auf die Straße kommen?

[00:30:11-3] Jörg Peters: Ja, vielleicht zuerst einmal die etwas einfachere Frage, die ist schon schwierig genug. Aber die etwas einfachere Frage ist, was gemacht werden muss.

Es gibt da jetzt sicherlich nicht sofort die eine Lösung. Aber eine wichtige Rolle spielt in der empirischen Forschung, und in spezieller Runde in der empirischen Wirtschaftsforschung, das Instrument der sogenannten Prespezifizierung. Die Probleme, die wir vor einigen Minuten diskutiert haben, also der Publication Bias, dieses P-Hacking, also dass man so ein bisschen bewusst oder unbewusst an den Daten herum massiert, sagen wir mal, das kann man eben in den Griff bekommen. Ein Stück weit, in dem man sich selbst sozusagen die Hände bindet, in dem, was man tun darf. Also man entscheidet nicht, während man in einem Datensatz arbeitet, welche Frage man stellt letztlich. Sondern man entscheidet das vorher. Und man entscheidet nicht im Datensatz, wie ich diese Frage konkret statistisch beantworte, sondern man entscheidet das vorher. Und schreibt das auf, dokumentiert das und stellt es quasi öffentlich zur Verfügung, sodass es eben auch von Dritten nachverfolgt werden kann.

Also diesem Instrument oder dieses Instrument… Die Hoffnung ist groß, sagen wir, in der Forschungstransparenzszene, dass dieses Instrument tatsächlich zu einer Verbesserung und dann auch einem kulturellen Wandel führen kann. Aber es wird halt kaum gemacht. Ja, es wird in bestimmten Bereichen gemacht, also beispielsweise der experimentellen Forschung. Da wo Primärdaten erhoben werden, also wo Leute, also das ist auch ein Großteil meiner eigenen Arbeit, wir erheben die Daten selbst, im globalen Süden in Afrika, um unsere Fragen zu beantworten. Und da ist es inzwischen Standard geworden, das zu machen. Also sich vorab zu dokumentieren, was man eigentlich und auf welche Art untersucht. Ein Großteil der empirischen Wirtschaftsforschung findet in Sekundärdaten statt, also Datensätze, die jemand anders erhoben hat und die man dann nutzt, nutzt als Dritter oder Dritte. Und da wird das kaum gemacht. Also da gibt es diesen Standard, diese Norm überhaupt nicht, eben vorab zu dokumentieren, was man was man wie erforscht.

[32:49-2] Doreen Siegfried: Ja, okay.

[32:50-3] Jörg Peters: Und natürlich ist es auch nicht ganz einfach. Ich habe darüber schon häufiger mit Kolleg:innen diskutiert und wir haben gute Argumente natürlich,  weswegen es dort schwieriger ist als in den Primärdaten. Aber um‘s jetzt mal kurz und pointiert zu sagen, das denke ich, würde viel bringen.

[00:33:11-3] Doreen Siegfried: Okay. Und welche Rolle…also, wenn Sie sagen, Transparenz und Konsolidierung. Welche Rolle spielen denn Ihrer Meinung nach Replikationsstudien?

[00:33:25-0] Jörg Peters: Genau, das ist sicherlich das zweite ganz wichtige Standbein. Nämlich erstens mehr – also Replikationen kann zwei Arten, zwei Dinge bedeuten: Das eine ist, man führt eine Studie in einem neuen Kontext, so in einem neuen Land beispielsweise, einer neuen Region durch, um zu schauen, ob die Ergebnisse robust bleiben zwischen den beiden Regionen. Und das andere, der andere Typ von Replikation ist, ist der, dass man sich publizierte, einflussreiche oder generell publizierte Studien nimmt und mit deren Daten, deren Ergebnisse noch einmal versucht, wiederherzustellen. Um dann unter Umständen zusätzliche Tests oder Robustheitsprüfungen zu machen, um zu schauen, ob das Ergebnis hält. Beides ist enorm wichtig. Das erstere ist enorm wichtig, weil ja ein Ergebnis kann eben auch immer einfach speziell für eine Region sein, speziell für einen Typ Mensch, den man in der Studie untersucht hat, sein. Und die Politik sollte sich erst dann daran orientieren, um es mal ganz einfach zu sagen, wenn dieses Ergebnis eben auch in unterschiedlichen Regionen durchgeführt wurde und eben zum gleichen Ergebnis wiederkommt. Und der andere Typ Replikation ist, also dieses Reanalysieren von Studien mit denselben Daten. Es ist deshalb wichtig, weil das eben auch Teile des kulturellen Wandels wäre. Es würde Anreize setzen und erhöhen, überhaupt sich viel mehr Gedanken darüber zu machen, was man tut in einem empirischen Forschungsprojekt. Also wenn ich wüsste, dass die Wahrscheinlichkeit, dass mein Papier später repliziert wird, bei, was weiß ich, 30 Prozent liegt oder 70 Prozent. Dann würde ich natürlich den Teufel tun und hier und da mal fünfe gerade sein zu lassen, sondern ich würde mir noch mehr Mühe geben, dass das, was ich hier gerade tue eben auch dann dieser Replikation standhält.

[00:35:39-4] Doreen Siegfried: Wie machen das denn eigentlich jetzt, wie machen das denn Peer Reviewer? Die müssten doch theoretisch alles auch noch einmal nachrechnen.

[00:35:46-8] Jörg Peters: Ja, nein. Ja, ja also nee. Auf gar keinen Fall. Das, das passiert …Ich will nicht sagen nie. Aber es ist, es wäre die absolute Ausnahme. Also selbst bei den Top-Zeitschriften wird das nicht gemacht. Man muss zwar inzwischen bei guten Zeitschriften, die Daten mitschicken. Wenn ich ein Papier einreiche, schicke ich immer auch die Daten mit, sodass das die Peer Reviewer theoretisch können. Womöglich machen es inzwischen auch manche. Aber es ist definitiv nicht nicht der Standard und auch nicht erwartet. Ja, die Peer Reviewer stellen kritische Fragen, spielen das dann zurück an die Autor:innen und sagen hier, wir hätten gern diese und jene Analyse noch einmal gemacht, um zu schauen, ob das Ergebnis dann hält, zum Beispiel oder…

[36:32-2] Doreen Siegfried: Ja. Okay.

[36:33-4] Jörg Peters: Ja, aber die machen die aber nicht selbst.

[00:36:36-7] Jörg Peters: Und das ist auch genau, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt. Peer Review ist natürlich ein zentrales Element des wissenschaftlichen Qualitätssicherungsprozesses. Aber gegeben, dass wir so viel empirische Forschung heute verglichen mit vor, sagen wir, 30 Jahren haben, ist es unmöglich, dass Peer Review also der Peer Review-Prozess wirklich die Qualität 100-prozentig sichert. Das ist sicherlich eine Hürde, die man überspringen muss und die einen dazu anhält, gute Arbeit zu machen. Aber sie ist nicht in der Lage, zum Beispiel, sagen wir das diffusere P-Hacking zu verhindern.

[00:37:17-9] Doreen Siegfried: Was wären denn für Sie gute Anreize, für ihre Fachkollegen und -kolleginnen mehr Replikationsstudien zu machen?

[00:37:28-8] Jörg Peters: Hm, ja, wenn es nicht intrinsisch ist, dann… Also intrinsische Motivation, denke ich, ist ein gutes Argument, einfach um der Wissenschaft willen, wenn man so will. Aber es reicht vielleicht nicht. Ja mehr Anerkennung wahrscheinlich. Also Replikationen sind schwierig zu veröffentlichen, oft. Und auch wenn sie veröffentlicht werden, werden sie weniger zitiert, weniger wahrgenommen als die erste Studie, die etwas als allererstes gezeigt hat. Es gibt diese Unart gerade in den Wirtschaftswissenschaften, dass man im ersten Absatz des Papiers oder im zweiten sagt, dass man der Erste oder die Erste ist, die diese Frage hier beantwortet. Das gilt dann eben als Qualitätsaussage. Und auch hier, wahrscheinlich habe ich das selbst mal geschrieben, in früheren Papieren. Genau das ist eigentlich die falsche Einstellung. Also man müsste eigentlich viel mehr belohnen, wenn Dinge wieder gemacht werden. Wenn einflussreiche, erfolgreiche oder auch unerfolgreiche Studien wiederholt werden, um zu prüfen, ob es denn wirklich hält. Also generell gesagt, Anerkennung, mehr Anerkennung für Replikationen. Dass wäre sicherlich die entscheidende Motivation für die meisten.

[00:38:49-6] Doreen Siegfried: Ja, okay. Und Anerkennung wäre dann irgendwie, dass es im Lebenslauf drei Sternchen bekommt oder in der Publikationsliste dann eine eigene Überschrift bekommt, die dann gefüllt werden muss.

[00:39:01-3] Jörg Peters: Ja, das genau. Das sind im Prinzip dann schon Implementierungsideen. Aber die sind weit entfernt von der Realität. Der nächstgelegene Schritt – Sie müssen wissen, wir denken halt, wenn wir in Karriereaussichten denken, denken wir in Publikationen. Und zwar der Qualität von Publikationen. Wie hoch können wir veröffentlichen? Und wenn ich sage hoch, dann ist das eben die Orientierung an bestimmten Journal Rankings. Und je höher man veröffentlicht, desto besser die Karriereaussicht. So und mit Replikationen können Sie, um es mal einfach zu sagen, nicht hoch veröffentlichen. Das ist zumindest die Sichtweise, ob das so ist oder nicht, ist dann wieder eine empirische Frage. Aber erst einmal, denke ich, haben die meisten Kolleg:innen, vermutlich nicht zu Unrecht, eben die Annahme, dass man es nicht hoch veröffentlicht bekommt. Also ist es für die Karriere unnütz.

[39:58-2] Doreen Siegfried: Okay.

[39:59-7] Jörg Peters: Und es ist natürlich auch nachvollziehbar. Also es geht ja hier um etwas. Also natürlich geht’s um die Gesellschaft, wie wir schon besprochen haben, aber natürlich möchte man als junge:r Wissenschaftler:in eben auch einen Fuß in die Tür bekommen und womöglich dafür nicht, was weiß ich, 500 Kilometer oder 5000 Kilometer weit wegziehen müssen. Es ist natürlich auch Standard, dass das passiert. Aber ich meine nur, ist ein Parameter, die man eben dann bei Lebensentscheidungen einbezieht. Und entsprechend akzeptiert man die Regeln, die es zu spielen gilt, um Karriereschritte zu machen. Und das ist eben erfolgreich publizieren. Und da sind Replikationen vielleicht nicht die beste Idee, leider.

[00:40:42-0] Doreen Siegfried: Ja, okay. Vielleicht noch eine Frage zu diesem ganzen großen Thema Kulturwandel. Also, wenn Sie sagen, man müsste mal über einen Kulturwandel reden, das hört sich erst mal noch sehr vage an. Mir ist noch nicht ganz einleuchtend, wie kann das genau funktionieren? Also wer sind da die Treiber? Wer müsste das in die Hand nehmen? Wer müsste mit gutem Beispiel vorangehen? Wer müsste Promotionsordnungen ändern oder Drittmittelverfahren oder wie auch immer? Also was konkret würden Sie empfehlen aus ihrer Sicht?

[00:41:24-8] Jörg Peters: Ja, das ist eine sehr schwierige Frage. Also der Wandel kommt wahrscheinlich nicht aus dem engeren System heraus, also von uns selbst. Vielleicht schon. Es gibt gerade ein paar Anzeichen, aber ich, also trotzdem bleibe ich da pessimistisch, das kommt nicht von uns Wissenschaftler:innen selbst. Initiativen wie Ihre beispielsweise spielen da vielleicht eine wichtige Katalysatorfunktion. Also in dem Sie eben die, ja die Sichtbarkeit des Themas erhöhen. Aber dann muss es wahrscheinlich konkreter werden. Also ja, Sie haben ja Beispiele genannt. Also Universitäten können das in ihren Promotionsordnungen aufnehmen oder auch bei ja, bei wichtigen Karriereentscheidungen, also Berufungen oder eben Entfristungsverfahren könnte man ja Replikationen eben mehr wertschätzen, selbst wenn sie nicht gut veröffentlicht sind, denn das bekommt man so schnell nicht geändert.

[42:21-3] Doreen Siegfried: Ja.

[42:23-5] Jörg Peters: Ich weiß nicht, die DFG könnte, tut auch soviel ich weiß, bereits einiges in diese Richtung, aber könnte natürlich sagen … – oder sagen wir allgemein, nicht nur die DFG als einzige Organisation, sondern generell derartige Organisationen, die Wissenschaft finanzieren, könnten darauf noch stärkeren Wert legen.

Es gibt wie gesagt, einige Initiativen auch von dort. Aber ja, das könnte man natürlich noch viel mehr machen.

[00:42:53-5] Doreen Siegfried: Okay. Was machen Sie denn konkret, Sie als RWI-Ökonom, Sie als Jörg Peters ganz normal im Alltag, um den ersten oder den zweiten kleinen Schritt in Richtung Kulturwandel, Research Transparency / Open Science zu machen?

[00:43:15-4] Jörg Peters: Ja, Replikationen. Wir machen einige Replikationen, seit einigen Jahren schon. Oder auch generell, versuchen wir uns auch öffentlich in die kritische Rezeption von Forschung in unseren Bereichen einzubringen. Begrüßen selbstverständlich auch kritische Diskussionen unserer eigenen Forschung. Wir haben ja Studien dazu durchgeführt, wo wir ja im Prinzip systematisch schauen, ob publizierte Arbeiten, bekannte Probleme diskutieren, anerkennen oder nicht. Dazu machen wir viel, also neben unserer Primärforschung, sagen wir. Und ja, in der Primärforschung versuchen wir natürlich auch dann unseren eigenen Standard, den wir dann auf andere anwenden, auch auf uns selbst anzuwenden. Das ist schon schwierig genug, weil man sich da vielleicht sogar hier und da mit Schwierigkeiten macht. Also seine Publikationsaussichten verschlechtert, sagen zumindest manche, ich teile das nicht unbedingt. Ja. Es ist aber auch schwierig genug, weil man natürlich auch immer dazu lernt und wie ich vorhin schon mal angedeutet habe, natürlich habe ich in alten, älteren Papieren wahrscheinlich Dinge gemacht, die, die ich heute kritisieren würde bei anderen oder auch bei mir selbst. Also nicht mehr machen würde heute. Aber, das, denke ich, ist auch total in Ordnung. Also man ist ja im Prozess auch als Wissenschaftler in einem ständigen Lernprozess. Genau, diesen Lernprozess, würde ich sagen, machen wir in unserer Gruppe transparent und tauschen uns darüber auch sehr viel aus. Das denke, und ich hoffe, dass das denke, dass das auch in unserem Mikrokosmos schon mal einen Beitrag leistet. Ansonsten versuche ich drüber zu sprechen, mit Ihnen und anderen. [lacht]

[45:17-2] Doreen Siegfried: [lacht] Das ist sehr gut.

[45:18-7] Jörg Peters: Nerve hier und da andere Kolleg:innen mit dem Thema. Ja, das denke ich, kann ein kleiner Schritt zum kulturellen Wandel sein, aber natürlich auch nur ein sehr kleiner.

[00:45:31-7] Doreen Siegfried: Ja. Und Sie sind ja an der Universität Passau auch Professor. Wird das, thematisieren Sie das auch für ihre Studierenden oder für ihre Doktorandinnen und Doktoranden? Dieses skeptische Denken, kritische Denken, dieses transparent sein und so weiter?

[00:45:52-1] Jörg Peters: Ja, ich versuche das schon. Ja, ich, ich bin jetzt nicht massiv in der Lehre vertreten. Ich bin ja hauptberuflich sozusagen am RWI in Essen, mache im Semester ein Seminar Master oder Bachelor. Das heißt, es ist schon mal per se diskussionsorientierter, wahrscheinlich als Vorlesungen. Ja, und da definitiv. Da versuche ich das gemeinsam mit den Studierenden eben auch dann die, ja, die wissenschaftlichen Arbeiten, die wir da besprechen, sehr kritisch zu reflektieren. Und manchmal sind da auch dann Sachen von mir selbst in der Liste und auch das dürfen und sollen die dann kritisch diskutieren. Genau. Und was Doktorand:innen betrifft ja, die sind dann eben Teil, und die sind, also meine Doktorand:innen sind nicht in Passau sondern am RWI in Essen und genau, die sind dann Teil unserer Forschungsgruppe. Und da versuchen wir eben auf die eben beschriebene Art das gemeinsam weiterzuentwickeln. Und insofern denke ich, die sind Teil dessen. Ja, die arbeiten ja daran mit zum Teil. Insofern denke ich, denke und hoffe ich, dass die das nicht nur mitbekommen, sondern auch mitgestalten.

[00:47:08-8] Doreen Siegfried: Ja, super. Okay. Letzte Frage: was möchten Sie, also, wenn jetzt andere Ökonominnen, Ökonomen das, was wir jetzt hier gerade die letzten Minuten besprochen haben, jetzt bis zum Schluss tatsächlich sich angehört haben und sagen, okay, ich sehe es ein, ich möchte jetzt mehr machen in diesem Ganzen, ich möchte mehr Transparenz haben in meiner Forschung. Was wären so konkrete Tipps von ihrer Seite? Oder was würden Sie gerne anderen Wirtschaftsforschenden mit auf den Weg geben?

[00:47:47-5] Jörg Peters: Ja, also zunächst mal denke ich, dass wahrscheinlich schon viele darüber nachdenken. Deswegen möchte ich mir das jetzt nicht so anmaßen. Aber ich, wenn Sie mich dazu auffordern, dass ich es mir anmaße…

[47:58-0] Doreen Siegfried: Ja, bitte [lacht]

[48:00-2] Jörg Peters: [lacht] Dann würde ich wahrscheinlich die vorhin angesprochenen zwei Dinge nennen. Nämlich zum einen, lasst uns mehr darüber nachdenken, auch wenn es kompliziert ist, wie wir unsere empirischen Forschungsprojekte prespezifizieren. Zum einen. Und zum anderen lasst uns mehr Replikationen machen, lasst uns Replikationen zum Standard machen, sodass es nicht mehr die Ausnahme darstellt. Und ja und je einflussreicher die Zuhörer:in ist, auf der Karriereleiter, höher angesiedelte Menschen haben ja auch Einfluss darauf, wie Berufungsverfahren stattfinden, wie Promotionsordnungen womöglich ausgestaltet sind. Also lasst uns doch versuchen, Replikationen mehr zu würdigen, sodass es auch eine Karriereinvestition werden kann.

[00:48:52-2] Doreen Siegfried: Das ist doch ein super Schlusswort.

[48:54-9] [beide lachen]

[48:55-6] Doreen Siegfried: Vielen herzlichen Dank und vielen Dank auch da draußen, allen Ökonomen, allen Wissenschaftsinteressierten. Ich hoffe, es hat ihm gefallen. Lassen Sie uns gerne Feedback da. Abonnieren Sie uns fleißig auf iTunes oder Spotify und ich freue mich aufs nächste Mal!