Folge 24: Relevanz der Wissenschaft für die Gesellschaft

The Future is Open Science – Folge 24: Relevanz der Wissenschaft für die Gesellschaft

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Dr. Doreen Siegfried
Leitung Marketing und Public Relations, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Dr. Benedikt Fecher
Leitung Forschungsprogramm Wissen & Gesellschaft, Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin

[00:00:03] Doreen Siegfried:
Willkommen bei “The Future is Open Science”, dem Podcast der ZBW. Hier verraten Ihnen interessante Menschen aus dem Wissenschaftsbetrieb, wie sie in ihrer täglichen Arbeit Open Science voranbringen. Wir tauchen ein, in die Tiefen der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter und verraten Ihnen handfeste Tipps und Tricks zu Open Science in der Praxis. Ich bin Doreen Siegfried und freue mich sehr, Host dieses Podcast zu sein.

[00:00:33] Doreen Siegfried:
Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „The Future is Open Science“, dem Podcast der ZBW. Wir wollen heute über Wissenschaftskommunikation reden und darüber, wer genau eigentlich wem, wie oft und warum die Relevanz von Wissenschaft für die Gesellschaft vermitteln sollte. Wir wollen reflektieren, was genau eigentlich die Relevanz der Wissenschaft für die Gesellschaft ist und woran man dann am Ende erkennen kann, dass man fertig ist, also, dass man aufhören kann, weil man das Ziel erreicht hat. Ich habe mir heute einen Gast eingeladen, der sich in seiner Forschung genau mit diesen Wechselbeziehungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext der Digitalisierung beschäftigt und sich in seiner Arbeit insbesondere auch mit Wissenschaftskommunikation befasst. Herzlich willkommen, Dr. Benedikt Fecher.

[00:01:23] Benedikt Fecher:
Ja, vielen Dank! Vielen Dank auch für die Einladung. Ich freue mich sehr.

[00:01:27] Doreen Siegfried:
Ich stell dich kurz vor, du bist ein interdisziplinär arbeitender Wissenschaftsforscher am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin. Du forschst zu Wissenschaftskommunikation, das habe ich schon gesagt. Und du hast ein Thesenpapier verfasst mit dem Titel „Welche Denkfehler die gesellschaftliche Relevanz von Forschung in Deutschland hemmen“. Und darüber wollen wir sprechen.

Also erste Frage: also Forschungseinrichtungen, Hochschulen, egal von welcher Einrichtung man im Wissenschaftssystem spricht, alle wollen mit ihrer Forschung relevant sein, sie wollen der Gesellschaft nutzen. Und Wissenschaft will sozusagen eine dienende Instanz der Gesellschaft sein und als solche auch gesehen werden. Warum siehst du dieses Streben nach Relevanz kritisch?

[00:02:16] Benedikt Fecher:
Zunächst mal, also ich sehe das Streben nach gesellschaftlicher Relevanz nicht kritisch. Das finde ich gut und richtig. Wissenschaft ist Teil der Gesellschaft, die sie trägt und muss sich ihr gegenüber auch legitimieren. Aber in der Art, wie gesellschaftliche Relevanz von Forschung gefördert und organisiert wird, in Deutschland, also in der Wissenschaftsgovernance, da sehe ich Denkfehler, die meiner Meinung nach die gesellschaftliche Relevanz von Forschung letztendlich hemmen können. Und darüber geht auch das Thesenpapier, das aber erst Ende November erscheint.

[00:02:47] Doreen Siegfried:
Okay, alles klar. Also sobald es erschienen ist, werden wir das natürlich verlinken. Du sagst in deinem Thesenpapier, dass Forschung mehr gesellschaftliche Relevanz haben könnte, würde sie nicht durch die Wissenschaftsgovernance in Deutschland gehemmt werden. Also was läuft deiner Meinung nach noch nicht ganz rund?

[00:03:07] Benedikt Fecher:
Ja, diese Denkfehler betreffen meines Erachtens die Vorstellung dessen, was gesellschaftliche Relevanz ist, wie sie organisiert werden sollte und zuletzt auch, wie sie gemessen und bewertet werden kann. Und deswegen auch der Begriff Governance, weil diese Denkfehler eben nicht eine Akteursgruppe alleine betreffen, sondern die Wissenschaft, ihre Institutionen, die Politik und das Management. Ganz konkret, also wenn ich darüber spreche, also über die Vorstellung von Relevanz, dann beziehe ich mich in dem Papier auf die Verwechslung von Aufmerksamkeit mit Relevanz. Meines Erachtens ist Aufmerksamkeit ein kleiner und auch nicht unwichtiger Teil von Relevanz oder eine Möglichkeit, Relevanz zu erreichen. Aber sollte nicht das Ziel sein. Also Breitenwirkung und die breite Öffentlichkeit sind vielleicht selten so die Primärziele von gesellschaftlicher Relevanz. Das zweite, also, wenn wir mal so die Organisation anschauen, dann sage ich, dass Wissenschaftskommunikation keine Chefsache ist. Ich glaube, oft ist die Annahme, dass Wissenschaftskommunikation Chefsache ist. Dazu gab es ja auch so ein geflügeltes Wort, gerade in der Szene, du kennst das sicherlich ja auch. Und ich glaube, Wissenschaftskommunikation ist in allererster Linie Sache der Wissenschaftler:innen. Es braucht Chefs, die dafür Verständnis haben, die das verstehen, die gute Rahmenbedingungen schaffen können. Aber es ist eben keine Chefsache. Und allzu oft ist dann Wissenschaftskommunikation eben entkoppelt von der eigenen Forschung. Und das ist problematisch. Und es wird umso problematischer, je größer die Organisation ist. Der dritte Punkt, also die Messung und Bewertung. Da findet man häufig die Annahme, dass gesellschaftliche Relevanz eben planbar ist und dass sie quantitativ messbar ist. Aber gesellschaftliche Relevanz entsteht ganz oft ungeplant und ist ganz selten eben messbar. Also sie ist viel komplexer, eben auch als beispielsweise die wissenschaftliche Relevanz bzw. heterogener eben auch. In der wissenschaftlichen Relevanz haben wir ja einigermaßen standardisierte Indikatoren, die sich beziehen auf meistens Zitate, wenn wir mit der Gesellschaft kommunizieren, wenn es überhaupt die Gesellschaft gibt, ist das weitaus diffuser.

[00:05:13] Doreen Siegfried:
Ja, okay.

[00:05:14] Benedikt Fecher:
Ja, genau.

[00:05:15] Doreen Siegfried:
Also, vielleicht können wir da gleich noch mal ein bisschen tiefer drin einsteigen, auf die ganzen unterschiedlichen Punkte, die du erwähnt hast. Das BMBF schreibt ja 2019 in seinem Grundsatzpapier, dass sie Wissenschaftler:innen fördern will, ihre Forschung sozusagen der interessierten Öffentlichkeit zu vermitteln. Und sie schreiben auch weiter, ich zitiere mal kurz, „Dies gilt insbesondere für Forschungsbereiche mit hoher gesellschaftlicher Relevanz.“ Also da ist sie wieder, die gesellschaftliche Relevanz. Und sie plädieren auch für einen Kulturwandel hin zu einer kommunizierenden Wissenschaft. Und du schreibst auch, dass dieser Ansatz, einen Kulturwandel doch zu fördern ist schon ein Denkfehler. Warum ist das ein Denkfehler?

[00:05:55] Benedikt Fecher:
Na ja, ich schreibe nicht, dass der Ansatz eines Kulturwandels notwendigerweise ein Denkfehler ist. Ich glaube auch nicht, der Denkfehler ist, dass das BMBF fordert, dass Wissenschaftler:innen kommunizieren sollen, ich glaube, damit rennt das Ministerium offene Türen ein. Ich glaube auch, das kannst du besser beurteilen als ich, aber wir können das auch bestätigen und es zeigen auch andere Surveys, dass Wissenschaftler:innen kommunizieren wollen und das auch schon längst tun.

[00:06:19] Doreen Siegfried:
Also sie schreiben, wenn ich kurz unterbrechen darf, sie schreiben, dass sie Ihre Forschung der interessierten Öffentlichkeit vermitteln wollen. Da können wir dann nachher noch mal vielleicht drauf einsteigen, wer das eigentlich sein soll.

[00:06:30] Benedikt Fecher:
Ja, können wir, können wir. Da gibt es natürlich sehr viele Öffentlichkeiten und die Gesellschaft ist natürlich sehr differenziert. Das weiß man sicherlich auch im BMBF. Aber ich glaube, der Denkfehler, auf den ich mich beziehe, auch in dem Thesenpapier, bezieht sich eher auf die Annahme, dass Wissenschaft Wissenschaftskommunikation in einfacher Sprache stattfinden sollte und andere Formate stattfinden sollte. Und ich glaube, da finden wir sozusagen gleich so ein Beispiel für den ersten Denkfehler, auf den ich mich bezogen habe, also auf die Verwechslung von Aufmerksamkeit mit Relevanz. Ich glaube nicht, dass Wissenschaft immer einfach kommunizieren muss und dass Wissenschaft immer über Formate mit der Gesellschaft kommunizieren muss. Also der Denkfehler liegt in der Gleichsetzung von Relevanz mit Aufmerksamkeit. Und die Vorstellung eben, dass Wissenschaftskommunikation immer sich an ein breites Publikum richtet und über Formate stattfindet, die ist falsch und darin sehe ich einen Denkfehler. Also Beispiel ein Historiker oder eine Historikerin, die Provenienzforschung betreibt, und einen Ausstellungsleiter oder Sammlungsleiter dazu befragt, wo eigentlich diese ozeanische Totenmaske herkommt, der oder die muss nicht mit diesem Ausstellungsleiter in einfacher Sprache und über ein bestimmtes Format kommunizieren. Die können sehr gut auf Augenhöhe und ohne Format kommunizieren, dafür braucht es keine einfache Sprache. Und wir finden eben sehr oft, dass Wissenschaftskommunikation tatsächlich auch eine Fachkommunikation ist. Ich glaube, dafür ein Verständnis zu haben ist wichtig. Und das betrifft natürlich auch in eurem eigenen Hause die Wirtschaftswissenschaftler. Die müssen auch nicht unbedingt mit jemanden aus dem Wirtschaftsministerium in einfacher Sprache kommunizieren.

[00:08:09] Doreen Siegfried:
Ja, genau. Okay. Also das heißt, der Punkt geht eher in die Richtung Fokus auf diese sozusagen Massenkommunikation oder Massenpublikum, wo dann sehr viele Leute drin sind, die vielleicht nicht unbedingt meine Fachsprache verstehen.

[00:08:23] Benedikt Fecher:
Genau. Also ich glaube, das ist auch nicht unwichtig und das kann auch stattfinden. Aber ich glaube, wir müssen auch ein Auge dafür haben, was diese Fachkommunikation, die Kommunikation mit Fachöffentlichkeiten betrifft. Und ich muss auch dazu sagen, im darauffolgenden FactoryWisskomm-Prozess, der auch quasi durch das Grundsatzpapier initiiert wurde, wurde das Thema wesentlich differenzierter behandelt, als es das Grundsatzpapier getan hat.

[00:08:46] Doreen Siegfried:

Ja, okay. Aber das ist doch gut. Ich meine, da sind ja auch etliche Leute beteiligt, die sozusagen sich auskennen. Wenn in diesen Kontexten, also gerade in diesem Kontext Wissenschaftsgovernance häufig die Rede ist, man müsste ein breites Publikum usw. erreichen und alle Wissenschaftler sollen befähigt werden, alle Wissenschaftlerinnen, mit einem breiten Publikum zu sprechen. Würdest du sagen, das ist auch eitel. Oder anders gefragt, ist Wissenschaft eitel? Die denkt, dass wirklich jede und jeder sich für die eigene Forschung interessieren müsste?

[00:09:25] Benedikt Fecher:
Das ist eine gute Frage. Also zunächst mal Eitelkeit ist, glaube ich, eine Berufskrankheit von Wissenschaftler:innen. Das kennen wir auch aus der innerwissenschaftlichen Kommunikation. Ich glaube, es gibt kaum eine Berufsgruppe, die mehr nach Anerkennung lechzt als Wissenschaftler:innen, außer vielleicht Instagramsternchen. Aber Eitelkeit ist in dem Fall oder jetzt quasi bezogen auf das Problem, vielleicht gar nicht so der richtige Begriff oder das Problem. Denn ich glaube, es ist völlig in Ordnung, dass sich nicht jeder in der Öffentlichkeit für Wissenschaft interessiert. Also meine Mutter interessiert sich nicht für Wissenschaftsforschung. Aber Ministerien, Forschungsförderer, Wissenschaftsmanager und die wichtigste Infrastruktur für die Wirtschaftswissenschaften, die interessieren sich vielleicht für das Zeugs, was ich mache. Und mit denen und vor allem wenn ich zum Beispiel auch mit dir über Wissenschaftskommunikation muss ich jetzt nicht in Babysprache sprechen. Es gibt auch häufig so in der Wissenschaftskommunikationsforschung diesen Begriff, der underserved publics, den du wahrscheinlich auch kennst. Wo auch so ein bisschen mitschwingt, als gäbe es irgendwie eine Art von Mangelversorgung an Wissenschaft. Und wie gesagt, ich glaube, nicht jeder muss sich für Wissenschaft interessieren. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass jeder von Wissenschaft erreicht wird, ob er oder sie es will oder nicht. Und wir in der Wissenschaft – und da zähle ich quasi uns Forschende, aber auch das Wissenschaftsmanagement und die Wissenschaftspolitik dazu – wir müssen dafür Sorge tragen, dass das auf gutem Wege passiert. Dass es auch basierend auf gute Forschung über die richtigen Kanäle, mit den richtigen Formaten eben auch passiert. Und das ist, glaube ich, das, worum es in dem Fall geht.

[00:11:00] Doreen Siegfried:
Ja, ich meine bei dem ganzen Thema, weshalb ich frag nach der Eitelkeit. Also ich kenne viele Situationen, viele Formate, Wissenschaftssalon und was es sonst so alles gibt an allen möglichen Universitäten und Stätten, haben immer sozusagen den Wunsch, dass auch wirklich noch die letzte Person im hintersten Winkel Kiels beispielsweise die Chance hat zu erfahren, was ich, ich als Petra Müller, was weiß ich, Doreen Siegfried, was auch immer, erforsche. Und der Gedanke, der mir da öfter durch den Kopf geht, ist, warum glaube ich eigentlich, dass – deshalb der Begriff der Eitelkeit – warum glaube ich eigentlich, dass sich jeder dafür interessieren sollte, während ich doch auch jetzt nicht genau Bescheid weiß, wie die Scheren im Friseursalon bei mir um die Ecke alle heißen. Die haben doch auch nicht so ein Kommunikationsdrang. Daher also die Frage.

[00:11:56] Benedikt Fecher:
Ja, da stimme ich dir zu.

[00:11:58] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Wir hatten ja gerade jetzt schon über diese Massenkommunikation gesprochen. Und ich lese in deinem Thesenpapier, und du hast ja gerade auch noch mal ähnlich formuliert, eine gewisse Abneigung gegen sogenannte Formate der Wissenschaftskommunikation also, mit denen möglichst viele erreicht werden. Ist das für dich zu viel Entertainisierung oder was, welches Problem hast du mit Formaten? Oder ist es tatsächlich dieser Fokus auf, ich interessiere mich jetzt nicht für einen speziellen Fachkreis, sondern alles? Und dann die nächste anschließende Frage, so diese typischen Formate, wie Nacht der Wissenschaft, Science in the Pub oder so was, würdest du jetzt mal, salopp formuliert, sagen, das ist Blödsinn?

[00:12:41] Benedikt Fecher:
Nee, gar nicht. Also ich habe auch keine Abneigung gegen Formate per se, bezweifle aber, dass Wissenschaftskommunikation immer formalisiert stattfindet. Denn das impliziert ja gewissermaßen ein Format. Und es ist auch gut, funktionierende Formate zu haben. Oft sind aber die Formate, über die wir sprechen, tatsächlich eher dem Entertainmentmilieu zuzuordnen, also was auch okay ist. Damit findet man aber keine innovativen Lösungen auf die großen Probleme unserer Zeit. Damit schafft man vielleicht irgendwie ein Verständnis für bestimmte Forschungsthemen. Damit kann man vielleicht Nachwuchs rekrutieren. Also es ist wichtig, dass es die Dinge auch gibt. Es ist auch wichtig, dass wir die Nächte der Wissenschaft haben und die Science in the Pub. Also ich finde das nicht, dass das Blödsinn ist. Die braucht es und die soll es auch weiterhin geben. Mich persönlich, und ich glaube auch insgesamt relevanter, interessieren eher kollaborative Engagements so. Also die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Gesellschaft bzw. zwischen bestimmten Fachwissenschaften und bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, bei denen am Ende etwas entsteht. Also die Popularisierung ist gut, weil man dann zum Beispiel eben Nachwuchs gewinnt, aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu bewegt, auch mal an andere Zielgruppen zu denken. Aber ich glaube, das, worauf es wirklich ankommt, sind eben diese Arten von Wissenschaftskommunikation, die an Lösungen arbeitet.

[00:14:07] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Das führt mich zu der nächsten Frage. Also wenn ich mir mal so Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angucke, mit welchen Gründen die jetzt beispielsweise – nehmen wir mal nur Social Media – mit welchen Gründen die auf Social Media-Kanälen unterwegs sind, um jetzt mal mit außerakademischen Gesprächspartner:innen zu sprechen. Das kann sowas sein wie „Ich bewege mich dort, um ein bestimmtes Verständnis aufzubauen, für irgendwelche Notwendigkeiten oder auch Kooperationspartner zu finden außerhalb des Wissenschaftsbetriebes oder zu verstehen, welche Werte vielleicht andere leiten, die mir komplett fremd sind, mich in andere reinzuversetzen, die Welt mit anderen Augen zu sehen und vielleicht auch Leute zu unterstützen, konkrete Entscheidungen besser treffen zu können.“ Also heißt kurz, es gibt ganz unterschiedliche Ziele. Ich habe jetzt nur so ein Paar beispielhaft genannt und entsprechend natürlich logischerweise viele Zielgruppen. Wenn wir das jetzt noch mal zurückbinden auf dieses Grundsatzpapier und auf das, was du auch erwähnt hast, was sozusagen die Wissenschaftsgovernance fordert, würdest du sagen, das wäre dann dass was gefordert wird, ist zu unstrategisch?

[00:15:18] Benedikt Fecher:
Ja, ich glaube, vielleicht nicht unstrategisch, weil man kann daraus ja eine Strategie basteln. Aber es wäre definitiv unterkomplex.

[00:15:26] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:15:26] Benedikt Fecher:
Weil man weder die Wissenschaften noch die Öffentlichkeiten in ihren Komplexitäten ernst nimmt. Und eben auch die Vielzahl an Wechselbeziehungen, die eben zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit da sind.

[00:15:38] Doreen Siegfried:
Ja. Und denkt die – also ich unterkomplexiere das mal – also die Wissenschaftskommunikation zu wenig nach über die Bedarfe Ihres Gegenübers?

[00:15:53] Benedikt Fecher:
Also für mich gibt es da – und du kennst es ja auch – gibt es ja viele Gruppen, die zu der Wisskomm gehören, unter anderem Profis wie dich, aber auch Wissenschaftler:innen. Also ich glaube vielleicht, Forschende wissen tatsächlich häufig wenig über ihre Fachöffentlichkeiten und über die Gesellschaft, wenn man das so sagen kann. Und Praktiker:innen wissen häufig wenig über die Forschung. Also ich will damit nicht sagen, dass die wenig über Forschung verstehen, aber natürlich gar nicht den Einblick haben in die konkreten Forschungsthemen, dann vor allem, wenn die Organisation groß ist und sehr viele Disziplinen beinhaltet. Ich glaube, das sind die beiden Grundprobleme.

[00:16:31] Doreen Siegfried:
Worauf ich hinaus will: also, wenn ich mir beispielsweise auch so Seminare anschaue, geht es ja hauptsächlich darum, dass, was du auch kritisiert hast, sogenannte verständliche Sprache zu üben (ich finde es eigentlich ganz gut, wenn Leute das irgendwie können) und ihr Thema vielleicht auf eine gewisse unterhaltsame Art und Weise darzubieten. Da gibt es ja Coachings für alles Mögliche. Was ich aber selten sehe in solchen Seminarbeschreibungen, ist tatsächlich mal eine Analyse, mit wem habe ich es eigentlich zu tun? Also, was will ich von dieser Gruppe? Oder meinetwegen kann es ja auch nur eine einzige Person sein. Und was will die von mir? Und wo kann man sich da in der Mitte begegnen? Also wie findet tatsächlich Co-Creation statt? Kollaboration? Also für meinen Geschmack, es gibt da sicherlich Ausnahmen, aber für meinen Geschmack ist das immer noch zu viel Kanzel. Von der Kanzel runter und zwei werden vielleicht getroffen. Der Rest geht irgendwie mit einem großen Staunen nach Hause, hat nichts verstanden, ändert auch überhaupt nichts an dem Leben. Also würdest du sagen, man müsste auch in der wissenschaftskommunikativen Ausbildung mehr Strategie lehren?

[00:17:44] Benedikt Fecher:
Ja, ja, also definitiv. Also ich glaube, wenn wir uns nur auf Kameratraining und Medientrainings und Interviewtrainings konzentrieren, werden wir vielleicht lauter, aber nicht relevanter. Und meines Erachtens brauchen wir auch keine Heerscharen public intellectuals, sondern emanzipierte Forscher:innen, so wie du es auch andeutest, die sich ihrer Öffentlichkeiten bewusst sind und die in der Lage sind, eben auch dann zu kooperieren, sich aber auch den Gefahren beispielsweise bewusst sind. Also sprich so, wie du es auch andeutest, ich glaube, Wissenschaftskommunikation ist jetzt in dem Stadium auch angelangt, wo man wirklich darüber nachdenken muss, wie man das fachspezifisch in die Lehre rein bekommt, ab dem Masterstudium aber mindestens in der Graduiertenausbildung. Und dann denke ich auch, so wie du das auch angedeutet hast, dass es sinnvoll ist, das durchaus auch strategisch zu machen, also bezogen auf die einzelnen Problembereiche oder also Fächer, aber dann auch meinetwegen reflektierend, dahingehend welche Probleme meinetwegen auch lauern. Also, wir lernen ja im Studium irgendwie 15 Arten und Weisen zu zitieren, auch schon im Bachelorstudium. Da können wir auch mal so einen Grundkurs machen in Wissenschaftskommunikation. Der soll bitte auch dann gut ausgearbeitet sein.

[00:18:54]
[beide lachen]

[00:18:55] Doreen Siegfried:
Ja, finde ich gut. Du hast es gesagt, dass es unterkomplex ist. Wo siehst du denn die Gefahr, wenn jetzt Wissenschaftler:innen nur ausschließlich gecoacht werden für Massenkommunikation, also für Social Media-Kommunikation, für das nächste Radiointerview und weniger für eine präzise Kommunikation mit Teilöffentlichkeiten?

[00:19:16] Benedikt Fecher:
Ja, ich glaube ja wie gesagt, dass wir dann einfach lauter werden, aber nicht relevanter.

[00:19:21] Doreen Siegfried:
Ja, okay.

[00:19:22] Benedikt Fecher:
Dass wir dann mehr sozusagen darüber reden, was man tun könnte, anstatt es zu tun.

[00:19:29] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:19:30] Benedikt Fecher:
Und…

[00:19:32] Doreen Siegfried:
Ne, mach mal weiter.

[00:19:34] Benedikt Fecher:
Ja und das ist quasi das Grundproblem eben, wenn man diesen Denkfehler eins  – die Verwechslung von Aufmerksamkeit und Relevanz – eben dann in Strategien und in Maßnahmen und sagen wir mal in organisationalen Prozessen einfließt. Wenn man dann eben denkt, dass man glaubt, unsere Forschende im Haus müssen alle zwei Wochen irgendein Interview geben, anstatt meinetwegen auch langfristig in transdisziplinären Projekten zu arbeiten. Da muss auch kommuniziert werden.

[00:19:59] Doreen Siegfried:
Ja. Ja, das stimmt. Und warum glaubst du ist es so, dass der Fokus der Wissenschaftsgovernance auf dieser breiten Kommunikation/ Massenkommunikation liegt?

[00:20:12] Benedikt Fecher:
Also ich glaube, da gibt es verschiedene Gründe. Das eine mag vielleicht auch historisch bedingt sein. Also es gab ja auch, wenn wir uns das erste PUSH-Memorandum, was ultrawichtig war, anschauen, da geht es ja auch um Public Understanding, also quasi das Verständnis, das die Öffentlichkeit hat von der Wissenschaft. Also da ist eben dieses Kanzelgehabe durchaus auch im Namen inbegriffen. Mag aber auch vielleicht daran liegen, dass wir häufig eben diese Wissenschafts-Gesellschafts-Beziehungen eben in Deutschland vorrangig auch über Kommunikation behandeln und Kommunikation natürlich breiter gedacht werden kann. Also, es gibt sehr viele Wechselbeziehungen, vielleicht ist da nicht immer der beste Begriff Kommunikation. Oder man fasst eben den Begriff der Kommunikation weiter. Ich glaube, auch viele Profis, die sich dem Thema widmen, haben bestimmt auch Kommunikationswissenschaft oder etwas Anderes studiert, was auch wichtig ist. Also gar keine Frage. Aber da hat man vielleicht auch so eine gewisse Vorprägung dahingehend, dass die häufig eben medial vermittelt stattfindet und sich an ein breites Publikum richtet. Und wie gesagt, das glaube ich eben nicht, dass das das Maß aller Dinge sein sollte.

[00:21:21] Doreen Siegfried:
Na ja, okay. Und welches welchen Alternativbegriff statt Kommunikation würdest du da vielleicht punktuell wählen?

[00:21:27] Benedikt Fecher:
Ich muss ehrlich sagen, ich finde den Kommunikationsbegriff tatsächlich ganz gut – das habe ich vielleicht ein bisschen unklar ausgedrückt – dann, wenn man Kommunikation eben auch breiter versteht. Also dann meinetwegen, wenn dieser Podcast hat ja viel mit Open Science zu tun. Ich finde, wenn man sich den gesamten Forschungsprozess anschaut von der Genese einer Idee bis zur Sammlung von Daten bis zur Archivierung von Daten zu Preprints zu Veröffentlichung usw., du kennst das ja alles, da entstehen ja überall neue Arenen der Wissenschaftskommunikation. Also wenn beispielsweise ein anderer Forschender meine Daten verwendet, dann sehe ich das als eine Instanz von Wissenschaftskommunikation.

[00:22:07] Doreen Siegfried:
Ja, ja.

[00:22:08] Benedikt Fecher:
Also ich glaube das Verständnis oder sagen wir mal, das Problem bei Kommunikation ist eigentlich nicht, sagen wir mal, diese theoretische Konzeption, wenn man sie so breit fasst, sondern eher, wie wir sie anwenden, dass wir häufig glauben, das passiert ja dann irgendwie entkoppelt oder am Ende der Forschung. Und das glaube ich eben nicht. Ich glaube, das passiert während der Forschung auch und es passiert auch quasi gar nicht unbedingt immer mit belebten Akteuren, sondern kann sich eben auch auf einzelne Outputs beziehen. Und ich glaube, wenn man so einen differenzierten Kommunikationsbegriff anlegt, dann ist er durchaus brauchbar.

[00:22:37] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Gehen wir noch mal auf diese Grundsatzpapiere zurück. Also wenn man sich die durchguckt oder auch ich sehe es auch auf vielen Tagungen und Workshops, ist immer die Rede von der Wissenschaftskommunikation, die dann den Job hat, die gesellschaftliche Relevanz von Wissenschaft zu vermitteln. Also sprich Legitimations-PR für die Wissenschaft. Wer würdest du sagen, ist dann für diesen Job am besten geeignet? Also wer muss das machen, wer muss sich den Hut aufsetzen? Also sind es die Kommunikationsabteilungen? Da habe ich jetzt schon raus gehört, Chefsache ist nicht so geeignet. Sind es die Forschenden, die über ihre Wissenschaft sprechen, die aber ja vielleicht auch nur unbedingt ihre Scheibe sehen? Oder sind es dann wiederum wieder die Wissenschaftsjournalist:innen, die aber dann jeweils ja auch ihren Plan haben, nämlich brauchen eine gute Story. Also wer macht, also wer muss das umsetzen, die sogenannte Relevanz von Wissenschaft für die Gesellschaft zu vermitteln?

[00:23:39] Benedikt Fecher:
Ich glaube, diese Akteure, die du genannt hast, haben alle eine wichtige Rolle. Ich glaube, die haben alle unterschiedliche Rollenprofile oder Aufgaben. Also beispielsweise die Kommunikationsabteilungen, natürlich sollen die Wissenschaftskommunikation machen. Die können auch gerne wissensbasierte Wissenschaftskommunikation machen. Ich glaube, dass ein Problem der Praxis ist häufig und das hattest du in der Frage ja auch so ein bisschen angedeutet, die Vermengung von Wissenschafts-PR und Wissenschaftsmarketing und dem, was tatsächlich wissensbasierte Kommunikation ist. Ich glaube, dahingehend muss man sicherlich so ein bisschen eine Trennung oder irgendeine Art von cleverer strategischer Lösung in den Einrichtungen hinbekommen. Wobei ich auch sage, PR und Marketing ist auch wichtig, gerade bei Universitäten, die müssen ja auch Studierende gewinnen, die sind ja auch in einem Wettbewerb. Also das ist überhaupt kein Gedöns, sondern es ist wichtig. Wenn es dann nach innen geht, sozusagen, bei der Befähigung von Forschenden, glaube ich auch, dass Kommunikations-abteilungen eine ganz wichtige Rolle haben. Also die sind ja gewissermaßen so eine Inhouse-Infrastruktur.

[00:24:42] Doreen Siegfried:
Absolut.

[00:24:44] Benedikt Fecher:
Und haben da eben auch eine ganz, ganz wichtige Rolle eben bei der Befähigung zur wissensbasierten Kommunikation. Ich glaube dann, wenn es um die wissensbasierte Kommunikation geht, sind auch tatsächlich die Forschenden selbst gefragt. Und da denke ich schon, dass die auch befähigt werden müssen und unterstützt werden müssen. Es gibt ja viele Gründe, weshalb es eben nicht so funktioniert. Können wir ja auch noch nochmal drüber sprechen, so wie es dann… Häufig fehlt ja eben die Zeit und die Ressourcen dafür. Naja. Und wenn es um den Wissenschaftsjournalismus geht, ja, die haben natürlich auch eine ganz wichtige Rolle und ich glaube, so für mich die wichtigste Rolle ist eigentlich auch in der kritischen Betrachtung der Wissenschaft oder des Wissenschaftssystems, weil das machen vielleicht Forschende, das macht aber sicherlich nicht die Kommunikationsabteilung einer Einrichtung. Also es ist nicht ihre Aufgabe, die eigene Arbeit zu kritisieren. Und ich glaube, da braucht es einen starken Wissenschaftsjournalismus, der eben auch in der Lage ist, die Wissenschaft als gesamtes Gefüge eben auch kritisch zu beleuchten und meinetwegen auch gute wissenschaftliche Inhalte irgendwie lebensnah zu vermitteln. Also das ist schon gut, dass man da auch Profis jenseits der Wissenschaft hat, die sich dieser Aufgabe annehmen. Also ich glaube, in einem komplexen Gefüge haben alle sozusagen ihre Rolle. Und ich glaube, man muss sich einfach dieser Rolle bewusst sein. Und das kann ich auch gar nicht so komplett überblicken. To be honest.

[00:26:02] Doreen Siegfried:
Ja, okay, es gibt ja auch Ideen. Also ich hatte vor einiger Zeit – das ist jetzt ungefähr ein Jahr her – mit Ali Gümüsay gesprochen, den kennst du ja auch, auch vom HIIG. Der sich wünschte, in einer idealen Welt, dass jedes Forschungsteam sozusagen seinen eigenen Kommunikator oder Kommunikatorin hat, weil das dann eine Person ist, die sozusagen dicht dran ist an der Forschung, genau weiß, was da läuft. Und die Wissenschaftler:innen selbst dann nicht die Zeit aufwenden müssen. Das kostet ja alles auch Zeit, da muss man sich ja irgendwie auch drüber klar sein. Interviews zu geben, Podcast zu geben, Sachen zu verschriftlichen, Video zu machen usw. usw. Was hältst du von so einer Idee, einer dezentralen Wissenschaftskommunikation?

[00:26:51] Benedikt Fecher:
Also ich stimme ja Ali in vielem zu, da auch. Ich glaube, die Idee, Wissenschaftskommunikation an Einrichtungen – insbesondere dann, wenn sie größer sind – dezentraler zu denken, das finde ich sehr gut und sehr wichtig. Ich glaube, das kann auch über Personen stattfinden, die dafür meinetwegen speziell ausgebildet sind. Aber ich glaube, das muss dann auch mehr sein als das. Also ich glaube auch die, die Forschenden selbst irgendwie dazu zu motivieren zu befähigen, das gehört auch dazu, weil ich glaube, die beste Kommunikation kommt eben von den Leuten, die irgendwas herausgefunden haben.

[00:27:24] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:27:24] Benedikt Fecher:
Und in der Lage sind, das auch zu vermitteln. Aber ich glaube auch allein schon aus der Managementperspektive, wenn ich irgendwie eine Universität, also die Kommunikation einer Universität verantworte und da irgendwie tausende Leute sind, die sprechen oder sprechen wollen, dann ist es vielleicht auch ganz gut, wenn ich irgendwie so eine gewisse Sensorik entwickle, was da eigentlich in den einzelnen Bereichen passiert und eben nicht nur das immer abschöpfe, was halt die besonders Kommunikationsstarken als Pressemitteilung am besten schon vorformuliert nach oben picken.

[00:27:58] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Jetzt haben wir über die gesellschaftliche Relevanz von Wissenschaft gesprochen. Also was ist das eigentlich? Also gesprochen jetzt mal in messbaren Kriterien. Wie würdest du das definieren?

[00:28:09] Benedikt Fecher:
Also ich glaube nicht, dass man das notwendigerweise jetzt in messbaren Kriterien definieren könnte oder sollte. Man könnte sicherlich sagen, dass gesellschaftlicher Impact eine Veränderung ist, also eine Veränderung im Handeln, im Denken. Und das kann man vielleicht im Einzelfall auch messen. Ich glaube, gesellschaftliche Relevanz hat viel damit zu tun, was irgendwie das Potenzial hat, eine Veränderung zu bewirken. Also im Sinne von einer Anschlusskommunikation mit Veränderungspotenzial.

[00:28:41] Doreen Siegfried:
Okay, aber das heißt, die Leute, die sozusagen anfangen mit Wissenschaftskommunikation, mit dem Ziel halt Relevanz ihrer eigenen Forschung zu vermitteln, müssten sich ja dann logischerweise schon im Klaren darüber sein, wie wird jetzt gehandelt und wie will ich, dass die Leute später handeln? Also nehmen wir mal ein einfaches Beispiel, ich stelle fest, Menschen essen zu viel Zucker. Im Durchschnitt lässt sich sicherlich irgendwie erheben wie so der Pro-Kopf-Verbrauch ist von Zucker. Und ich möchte gerne durch Wissenschaftskommunikation erreichen, dass zumindest in meinem Stadtteil, in meiner Stadt in irgendeinem beschränkten Gebiet der Verbrauch vielleicht um 3 % sinkt. Also das lässt sich ja irgendwie festlegen. Aber da sind wir wieder bei dem, was ich anfangs hatte, ist dieses strategische Denken in den Köpfen drin, so dass ich das dann am Ende auch irgendwie messen kann? Wenn ich sagen würde, ich möchte eine Verhaltensänderung bewirken, muss ich ja diese Verhaltensänderungen auch irgendwie benennen.

[00:29:44] Benedikt Fecher:
Das Problem bei der Messung ist einfach, dass es da sehr viele Messprobleme gibt. Also wir kennen schon genügend Messprobleme bei relativ einfachen Relevanzbemessungen aus der der innerwissenschaftlichen Kommunikation mit den entsprechenden Messfehlern und adversen Effekten. Die Zitationsskartelle und so, die kennen wir ja gerade in Wirtschaftswissenschaften sehr gut. Aber ich glaube eben, dass es wesentlich komplexer ist, wenn wir dann eben über gesellschaftliche Relevanz sprechen. So was wie Attributionsprobleme, Zeitskalenprobleme, auch Problem der Bewertung und Beurteilung. Also wer soll das eigentlich machen. Da gibt es noch zig zig andere. Ich will damit gar nicht sagen, dass es immer heißt, man muss sollte die überhaupt gar nicht messen, sondern man sollte sich bewusst sein, welche Grenzen der Messbarkeit da sind. Und wenn man versucht, das alles zu messen, dann landet man irgendwie bei so einem Instrument wie dem Ref, das bei glaube ich mehr Aufwand erzeugt, als es Impact erzielt. Aber das ist nur ein Nebenkommentar. Also ich glaube, wenn wir über gesellschaftliche Relevanz sprechen, wäre es ganz gut, wenn man so ein emanzipiertes Bild entwickelt dahingehend, dass man sich stärker auf die guten Bedingungen konzentriert, dafür, dass Relevanz entstehen kann. Und die durchaus auch mit Evaluationen und Bewertung versieht, dass wir schauen, wie können wir eine Einrichtung so gestalten, wie können wir die Bedingungen so gestalten, damit eine effektive und effiziente Kommunikation passieren kann. Und weniger uns konzentrieren darauf, einzelne Formate zu messen und deren Wirkung zu messen. Ich glaube, wenn wir dann nur noch solche Dinge tun, dann führt es auch dazu, dass man das eben als einziges Ziel seiner Kommunikationstätigkeiten betreibt. Also meinetwegen eine Veranstaltung mit noch mehr Leuten oder so. Also man kennt ja aus dem Bibliothekskontext und das kennt ihr wahrscheinlich auch ganz gut, diese ganzen Altmetrics beispielsweise.

[00:31:40] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:30:41] Benedikt Fecher:
Das finde ich auch eine tolle Möglichkeit, kann man viel mit machen. Aber was sie letztendlich tun, ist ja, dass die immer eine Relevanz ermitteln auf Basis eines meistens wissenschaftlichen Outputs. Denn nur wissenschaftliche Outputs haben eben einen Identifier, also eine DOI oder irgendwas in der Art, und dann schauen, wie oft das eben in den sozialen Medien und anderen Onlinekontexten geteilt wurde. Also dafür braucht es dann auch wieder eine API und da muss dann irgendwie dann auch das crawlen und schauen wie oft irgendwie das … Na ja. Das ist eine tolle Möglichkeit, um meinetwegen den weiteren Impact eines wissenschaftlichen Outputs zu messen, aber hat natürlich relativ wenig damit zu tun, was gesellschaftliche Relevanz in der also quasi im größeren Kontext ist. Wenn ich jetzt ein Zahnmediziner bin und ich erfinde eine neue Bohrmethode und die ist weniger invasiv und verursacht weniger Schmerzen bei den Patienten, dann wäre es sehr schwer, das über Altmetrics zu messen. Dann müsste ich ja irgendwie diese zahnmedizinische Forschung in dem Papier festhalten und dann müssten das irgendwie alle Zahnmediziner auf ihren Twitter-Kanälen irgendwie teilen. Also ich will damit nur sagen…

[00:32:50] Doreen Siegfried:
[lacht] Ja, ich sehe den Punkt.

[00:32:51]
[beide lachen]

[00:32:53] Benedikt Fecher:
Häufig hat die echte gesellschaftliche Relevanz und ich fände das sehr relevant, wenn das weniger weh tut, wenn der Zahnarzt mir da im Mund rumbohrt. Aber hat relativ wenig damit zu tun mit den Möglichkeiten, wie wir das gängiger Weise eben messen. Und ich glaube, das gehört dazu, dass wir uns auch gerade in der Wissenschaftsforschung, es passiert ja auch, dann auch kritisch mit diesen Themen auseinandersetzen und das macht ihr bei der ZBW ja auch im Übrigen.

[00:33:17] Doreen Siegfried:
Ja okay. Also das heißt, nochmal zurück, Wissenschaftsgovernance will irgendwie durch Kommunikation eine gewisse Relevanz erarbeiten. Und du würdest aber sagen „Leute, streckt mal eure Fühler ganz woanders hin und die ganzen Kapazitäten und Anstrengungen eher in die Gelingensbedingungen von guter Wissenschaft“, habe ich das so richtig verstanden?

[00:33:44] Benedikt Fecher:
Die Gelingensbedingungen von guter Wissenschaft und guter Wissenschaftskommunikation. Ja.

[00:33:49] Doreen Siegfried:
Ja. Okay, gut. Okay. Das heißt ja, wenn uns jetzt sozusagen, wir neigen uns dem Ende, wenn uns jetzt Leute zuhören, die jetzt gerade ein Kameratraining gemacht haben oder ein Social Media-Seminar, jetzt uns zugehört haben, vielleicht jetzt etwas enttäuscht sind, wie tröstest du die? Hast du Argumente, warum das vielleicht trotzdem ab und zu mal doch verwendet werden kann? Das Wissen, was man sich da raufgeschafft hat?

[00:34:25] Benedikt Fecher:
Das ist das schadet ja nicht. Also irgendwie ein paar klare Sätze zu formulieren und vor der Kamera nicht irgendwie auf den Boden zu schauen, ist doch was Gutes. Ich glaube, man sollte das aber insgesamt sehr viel kontextspezifischer angehen, dieses Thema. Ich könnte denen dann höchstens empfehlen, mal Ausschau zu halten nach guten anderen Schulungsmöglichkeiten, auch gerne mal bei den Kommunikationsleuten oder bei der Leitung an der Tür anzuklopfen und zu sagen, „Hey, wir brauchen mal ein bisschen was, was sich auf unsere eigenen, auch unsere konkreten Forschungsthemen bezieht und unsere konkreten Öffentlichkeiten bezieht und uns dabei hilft, eben auch in Kollaborationen irgendwie effektiv zu sein.“ Ich glaube, da gibt es auch schon ein paar Angebote. Also wir machen immer was, wir machen diese Impact School jetzt in der Pandemiezeit nicht. Ich glaube, im NaWik gibt es auch gute Sachen, Wissenschaft im Dialog macht auch gute Sachen. Es ist jetzt auch nicht so, dass es jetzt komplett unbehandelt ist. Und ich glaube, das ist tatsächlich, das, was jetzt in den nächsten Jahren tatsächlich noch stärker passieren muss, wenn man jetzt so eine Forderung stellen mag, dass wir eine gute Ausbildung für Wissenschaftskommunikation machen, die problemspezifisch ist, Leuten auch dabei hilft, eben Impact zu erzielen, wenn sie das denn wollen.

[00:35:37] Doreen Siegfried:
Ja, auf jeden Fall. Okay, super. Ich bedanke mich ganz herzlich. Vielen Dank auch an Sie, an den Kopfhörern, die uns zugehört haben. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Lassen Sie uns gerne Feedback da, positives als auch negatives sehr erwünscht. Zum Beispiel über Email, Twitter, YouTube oder LinkedIn. Abonnieren Sie uns fleißig auf iTunes oder Spotify und ich freue mich auf das nächste Mal.

[00:36:05] Benedikt Fecher:
Ja, danke.

[00:36:06] Doreen Siegfried:
Super.