Folge 15: Gamification und Open Science

The Future is Open Science – Folge 15: Gamification und Open Science

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Dr. Doreen Siegfried
Leitung Marketing und Public Relations, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Dr. Athanasios Mazarakis
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsabteilung Web Science, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

[00:00:33] Doreen Siegfried:
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von “The Future is Open Science”, dem Podcast der ZBW. Ich freue mich, dass Sie wieder eingeschaltet haben, denn heute sitze ich hier zusammen mit meinem Kollegen Dr. Athanasios Mazarakis und wir reden über Gamification und Open Science. Schön, dass wir hier zusammensitzen, Athanasios.

[00:00:53] Athanasios Mazarakis:
Hallo.

[00:00:53] Doreen Siegfried:
Hallo. Ich stelle einmal kurz unseren Gast vor. Athanasios Mazarakis ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Postdoc hier bei uns in der Forschungsabteilung der ZBW. Und dort forscht der Diplom-Psychologe und promovierte Wirtschaftswissenschaftler im Informatikbereich Web Science. Und bevor er nach Kiel kam, hier zu uns an die ZBW, gab es noch Stationen in Karlsruhe, Mannheim und San Francisco, was nichts weniger ist als Kiels Sister City.

Zum Thema, Athanasios, du forschst zum Thema Gamification, wie lange gibt es dieses Forschungsfeld schon?

[00:01:35] Athanasios Mazarakis:
Hm, ja, eigentlich relativ lange schon. Also so die ersten ja, Gedanken dazu, ich glaube Forschung kann man das nicht richtig nennen. Aber so die ersten Gedanken, die ersten Niederschriften, die gibt es schon seit 20 Jahren, wo man sich gedacht hat, hey man könnte das ja alles mal ein bisschen spielifizierter darstellen so als Anreizmechanismus. Aber echte, richtig gute Forschung im Bereich Gamification Wissenschaft so seit zirka zehn Jahren.

[00:02:03] Doreen Siegfried:
Circa zehn Jahre, also ein noch relativ junges Forschungsgebiet.

[00:02:07] Athanasios Mazarakis:
Ja.

[00:02:08] Doreen Siegfried:
Okay und was weiß die Gamificationforschung bis jetzt? Du hast ja kürzlich ein Paper rausgebracht. Vielleicht kannst du das mal kurz darstellen, wo der Forschungsstand ist und auch wie sich die Gruppe der Gamificationforscher vielleicht auch austauscht.

[00:02:25] Athanasios Mazarakis:
Ja, ich habe letztens ein wissenschaftliches Paper rausgebracht. Ich führe jährlich einen Workshop durch auf einer Konferenz, der nennt sich “Gamification reloaded” und da haben wir so round about über 100 Personen. Das sind Theoretiker, aber auch Praktiker, aus der ja nicht nur aus der Wissenschaft, sondern eben auch aus der Wirtschaft, die sich mit Gamification beschäftigen, ja interviewt, befragt. Und da haben wir halt geguckt, wie sieht das denn aus? Was sind denn so die Trendthemen, die, was die Leute so bewegt, aber auch ganz besonders: Wo ist halt noch vieles offen? Und was man zusammenfassen kann ist, Gamification wirkt und Gamification ist ja hier und wird auch nicht mehr weggehen. Es sind allerdings noch sehr, sehr viele Sachen offen. Also man weiß immer noch nicht ganz genau, was genau funktioniert. Da konkurrieren unterschiedliche Modelle. Man weiß auch nicht so genau, wann man genau was anwenden soll. Man versucht mittlerweile, personalisierte bzw. angepasste Gamification auf Kontext, auf Komplexität, auf Persönlichkeit abzustellen. Da sind wir allerdings noch sehr, sehr frisch dabei. Also man kann zusammenfassen: Wir wissen, es funktioniert. Wir wissen aber noch nicht ganz genau so gut, warum und wie man das langfristig hinbekommen kann, dass es auch funktioniert.

[00:03:47] Doreen Siegfried:
Okay, also geht es um die Langfristigkeit?

[00:03:49] Athanasios Mazarakis:
Unter anderem ja. Also sehr, sehr viele Studien oder auch sehr, sehr viele ja Erkenntnisse, die aus der Wirtschaft kommen, da wird halt was rausgehauen, da wird irgendwas geändert, wird geguckt, hat sich was verändert. Ja, in den allermeisten Fällen noch zum Positiven und dann begnügt man sich halt damit. Das ist halt so das klassische Problem, was man halt auch in der Wissenschaft hat. Man kriegt halt für ein bestimmtes Forschungsprojekt Zeit, Budget und wenn das vorbei ist, dann ist es halt vorbei. Und so langfristige Projekte, wo man eben ja, Minimum ein Jahr, aber es gibt jetzt eine Studie, die über drei Jahre das beobachtet hat. Das ist halt sehr, sehr selten der Fall.

[00:04:27] Doreen Siegfried:
Ah, okay.

[00:04:27] Athanasios Mazarakis:
In den allermeisten Fällen reden wir hier eher von Studien, die ja zwischen einem und sechs Monaten gehen.

[00:04:35] Doreen Siegfried:
Ah, okay, verstehe. Und wir wollen ja heute so ein bisschen den Bogen spannen zwischen Wissenschaft, offener Wissenschaft und Gamification. Wie kann dann Gamification und wissenschaftliche Routine zusammengebracht werden? Also, du hast ja in anderen Gesprächen schon gesagt, okay, Gamification heißt eigentlich die Verspielifizierung von ganz normalen Alltagsvorgängen. In der Regel von solchen, auf die man nicht so recht Lust hat, also Anträge ausfüllen oder keine Ahnung, irgendwas von A nach B sortieren und so weiter. Es gibt ja sicherlich auch in der Wissenschaft Vorgänge, wo man nicht morgens, wenn der Wecker klingelt, ruft: “Hurra! Heute darf ich wieder, keine Ahnung, Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen”. Also, was kannst du darüber sagen?

[00:05:27] Athanasios Mazarakis:
Ja, mit Wissenschaft muss man zugeben, an sich hat man sich erst kürzlich damit beschäftigt. Da muss man einfach zugeben, woher Gamification kommt, das ist eigentlich aus dem Marketingbereich, also wirklich aus der Wirtschaft. Da waren eher die monetären Interessen halt im Vordergrund. Das ist jetzt etwas, was nicht zwingend in der Wissenschaft an sich originär ist, da will man ja eher forschen, den systematischen Erkenntnisgewinn bekommen. Nichtsdestotrotz ein Kollege von mir, der Sebastian Feger, der kümmert sich darum, der ist unter anderem am CERN und an der LMU in München. Und der hat halt versucht, herauszufinden, wie kann man Wissenschaft und eben diese Spielifizierung, diese Gamification, zusammenbringen. Und ja, es ist nicht ganz einfach, weil der Wissenschaftsprozess oder der Prozess, wie man ja was ja erforscht, das ist ja nicht nur das Hinschreiben oder das Antragschreiben oder ähnliches. Es ist ja noch viel mehr eben dieses Netzwerke Knüpfen, das Ideen Austauschen, Reproduzierbarkeit und so weiter und so fort. Und worum es uns eigentlich ja auch geht, ist ja Sichtbarkeit. Also sowohl unsere Studien als auch unsere Ideen möchten wir ja gerne sichtbar machen. Und da ist Gamification eine ganz gute Möglichkeit, weil man dadurch halt Feedback bekommt.

[00:06:52] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:06:52] Athanasios Mazarakis:
Man kann sich das so ähnlich vorstellen wie, man hat bestimmte ja Meilensteine oder Level geschafft. Man hat erst eine Idee, dann muss man die ja mit anderen besprechen, dann muss man diese generieren. Irgendwann mal kommt halt, wie gesagt, der etwas weniger angenehme Teil mit Anträge schreiben, die dann hoffentlich bewilligt werden. Sehr häufig eher nicht, weil eben die Akzeptanzquote gering ist und so weiter und so fort. Und da kann Gamification eventuell, da fehlen noch die richtigen experimentellen Studien dazu, helfen. Mit anderen Worten, eben die Sichtbarmachung, dass man sich zum Beispiel einen Plan gemacht hat, bestimmte Aspekte eben von diesem Schaffensprozess dann abhakt, weil sie dann erledigt sind, aber die dann eben den Kolleginnen und Kollegen dann zum Beispiel zurück visualisiert “Hey, das ist unser Stand und das haben wir bisher gemacht.” Und das könnte zum Beispiel auch eine Möglichkeit geben, einen Anreiz für andere, sich daran zu beteiligen.

[00:07:43] Doreen Siegfried:
Also, du meinst den Teil Wissenschaftskommunikation, also das Paper ist publiziert, da könnte man ja sozusagen erst mal einen Haken hinter machen.

[00:07:54] Athanasios Mazarakis:
Noch viel weiter vorne.

[00:07:55] Doreen Siegfried:
Noch viel weiter vorne?

[00:07:56] Athanasios Mazarakis:
Noch viel weiter vorne. Das ist jetzt das Ende. Das ist die relativ simple Variante. Ja, das unterstütze ich vollkommen. Da gibt es ja auch schon erste Versuche mit Open Badges. Wobei, da will ich nicht so viel drüber erzählen, weil da gibt es Forschung dazu. Die widerspricht sich allerdings ein bisschen, aber das ist ja nicht das einzige. Es beginnt ja schon mit der Ideengenerierung. Und dass man überhaupt schaut: gibt es da überhaupt eine Forschungsfrage? Und wer könnte denn da noch daran beteiligt sein, daran mit zu forschen? Und da könnte eben Gamification helfen, diesen, ja nennen wir es mal, Kommunikations- und Ideengenerierungsprozess in Gang zu setzen. Die Studien, die da Feger durchgeführt hat, sind primär Interviewstudien gewesen. Es wurden allerdings eben, wenn ich das noch richtig im Kopf habe, auch bestimmte Mockups präsentiert und auch bestimmte Tools, die man da verwenden konnte. Und das ist für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Beispiel im CERN nichts Neues. Also die kriegen da sehr wohl bestimmte Rankings dargestellt, aber das Ganze halt etwas weniger offensichtlich mit blanken Zahlen, sondern eben mit so Fortschrittsbalken oder anderen Möglichkeiten und mit so einer Punktifizierung. Wobei, auch das kann negativ gesehen werden, kommen die dann doch etwas ja freudiger an ihre Arbeit ran und auch voran.

[00:09:16] Doreen Siegfried:
Da muss ich jetzt noch mal nachfragen, weil ich das noch nicht ganz verstanden habe. Also das heißt, ich habe hier jetzt als Forscherin eine Idee und der ideale Weg, wofür ich dann meinetwegen einen voll ausgefüllten Balken bekäme, sähe so aus, dass ich diese Idee, sagen wir mal, mit fünf anderen Leuten teile. Und wenn ich es mit einer Person geteilt habe, dann kriege ich so zum Beispiel so einen kleinen Fortschrittsbalken und bei drei bisschen mehr und bei fünf krieg ich volle Punktzahl oder wie muss ich mir das vorstellen?

[00:09:45] Athanasios Mazarakis:
Ich würde es eher mit einer, brechen wir es mal lieber mal zusammen, vielleicht ein Doktorand und mit der ToDo-Liste, mal runterbrechen. Der Normalfall für einen Doktoranden/Doktorandin ist ja, ich habe mich entschieden, für eine wissenschaftliche Karriere, soll irgendwann mal in zwei, drei, vier, fünf, sechs Jahren irgendsoein Buch rausbringen und bis dahin ist es ein verdammt weiter Weg. Und da ist zum Beispiel eben die Literaturrecherche vorne weg zu einer bestimmten Idee, die man entweder selber hat oder von Doktorvater, Doktormutter dann gesagt bekommt, die dann generiert wird, die dann evaluiert wird. Und das sind ja alles ganz kleine Stückchen, die da gemacht werden.

[00:10:26] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:10:26] Athansios Mazarakis:
Und anstatt, dass man eben sagt „Okay, dann hake ich das ab“, irgendwie mental oder vielleicht gibt es ja auch einen Betreuungsplan, wo das dann der Fall ist. Könnte man stattdessen, so war das dann eben auch angedacht bei Feger, dass man schaut “Okay, so sieht der gesamte Prozess aus bis zur fertigen Diss. Wenn ich das erledigt habe, dann kann ich mir quasi dann da den Haken machen. Dann kriege ich den Badge für Ideengenerierung, Literaturrecherche, systematisches Review” und dann geht es halt davon da weiter. Also es ist weniger an sich dass ich hier meine Punkte bekomme, sondern eher das Feedback “Ich bin auf dem richtigen Pfad“.

[00:11:09] Doreen Siegfried:
Jaja, okay.

[00:11:10] Athanasios Mazarakis:
Und es geht da einfach weiter, weil

[00:11:11] Doreen Siegfried:
Ist das noch gekoppelt mit Zeit, dass man sagt “Okay, ich habe jetzt ein Stipdendium, das geht drei Jahre und wenn ich dann nach zweieinhalb Jahren immer noch bei der Literaturrecherche bin, dann wird’s schwierig.”

[00:11:21] Athanasios Mazarakis:
Hm. Zum Beispiel, ja. Das könnte man so sehen. Ne, das wird auf jeden Fall helfen. Das ist natürlich eine sehr basale Variante. Inwieweit sich das dann weiterentwickelt, müsste man da schauen. Man müsste da auch wirklich ernsthaft dann Experimente durchführen. Und auch das, was du gesagt hast: Betrachten wir jetzt mal das Ende. Also, wenn wirklich Literatur veröffentlicht wird für die Wissenschaftskommunikation und so weiter. Dass man da eine Sichtbarmachung macht, eben nicht nur, dass ich publiziert habe, sondern eben vielleicht, dass man klar macht hier, ich habe den Wissenschaftsprozess so durchgeführt. Ich habe wirklich eine randomisierte Studie durchgeführt, was normalerweise vielleicht nur ganz klein irgendwo im Text drinsteht, dass man das dann vorne eben mit einem Badge kenntlich macht oder aber mit anderen Möglichkeiten. Was es da eben noch alles gibt.

[00:12:08] Doreen Siegfried:
Alles klar. Wenn ich mir noch mal so den Forschungsprozess als solchen angucke: es ist ja nicht nur sozusagen die reine Forschung, wo wirklich das Adrenalin fließt und wo man wirklich merkt, ah okay jetzt passiert hier was. Und jetzt werte ich Daten aus und so weiter. Es gehören ja auch so Fleißaufgabe dazu, ne?

[00:12:28] Athanasios Mazarakis:
Hm.

[00:12:29] Doreen Siegfried:
Also einfach bestimmte Sachen aufschreiben, bestimmte Sachen auszählen, wie auch immer. Gibt es da irgendwie Ergebnisse oder kennst du da Forschungsergebnisse zum Thema Gamification und, ich sag mal so Versüßung von schnöden wissenschaftsbegleitenden Arbeiten, nenne ich es jetzt mal?

[00:12:51] Athanasios Mazarakis:
Ich weiß nicht, ob es so schnöde ist, aber auf jeden Fall auch der Kollege, den ich ja schon erwähnt hatte, Kollaborationen. Also zum Beispiel, wenn man seine Ideen oder seine Erkenntnisse vorstellt auf Symposien, Workshops, Konferenzen. Auch da hat sich gezeigt, dass da, wo man eben dieses Feedback oder diese Anleitung bekommt mit Gamification, dass das durchaus helfen könnte, dass ich weiß, okay, ich bin jetzt in dem Stadium, ich habe diese drei Sachen schon erledigt. Das nächste wäre jetzt eigentlich mal das Ganze mal rauszutragen. Und ja, ich würde es nicht schnöde nennen, sondern eher auf so einer Konferenz kriegt man ja nicht immer nur Butterkuchen serviert, sondern da geht es dann durchaus auch etwas härter zur Sache. Und ja, dass man sich eben der wissenschaftlichen, hoffentlich auch konstruktiven, Kritik dann stellt. Aber das wäre halt eine Möglichkeit, um klar zu sagen, okay, du hast das jetzt erledigt, jetzt geh mal raus und versuch mal mit anderen Personen dich zusammenzufinden und zu schauen, ob deine Ideen auch Bestand haben oder ob man nicht noch nachschärfen muss.

[00:14:00] Doreen Siegfried:
Wenn ich noch mal auf das Thema Open Science gucke und so weiter. Dann merken wir ja zunehmend, dass die Wissenschaftspolitik zunehmend fordert, dass Wissenschaftler:innen ihre Forschungsergebnisse öffnen. Um das zu tun, müssen sie natürlich irgendwie die Handhabe verschiedenster neuer Tools erlernen. Also sei es jetzt irgendwie Open Science Framework, aspredicted.org, Zenodo und so ähnliche Sachen. So was fällt ja, würd ich jetzt mal sagen, in die Kategorie Fleißarbeit. Kann Gamification hier aushelfen sowas mal zu erlernen?

[00:14:40] Athanasios Mazarakis:
Ich würde eher sagen unterstützen …

[00:14:42] Doreen Siegfried:
Unterstützen

[00:14:41] Athanasios Mazarakis:
vielleicht nicht aushelfen. Unterstützen. Ich meine, AsPredicted da geht es ja darum, um die Vorregistrierung von Studien. Ja, da wird ja auch schon einiges gemacht. Das Problem, was ich halt eher sehe ist, Gamification kann nicht alles lösen. Also, ich meine, ich bin zwar davon überzeugt, dass Gamification bei sehr vielen Sachen hilfreich ist, aber es ist halt nur ein bestimmter Anreiz. Es ist eigentlich auch primär eher ein freiwilliger Anreiz. Ich werde ja nicht gezwungen oder gedrungen in irgendeine Richtung zu gehen, sondern, wenn du das machst, könntest du das bekommen. Und es gibt auch viele Menschen, die sagen, was soll ich denn damit machen? Ich mache meine Excel-Tabelle und da steht drin, was ich machen soll. Ich brauche keinen weiteren visuellen Anreiz. Also, das ist auch vollkommen legitim. Nur diese Personen brauchen dann eben vielleicht weniger Feedback. Bei anderen wiederum, ist es dann vielleicht hilfreicher, wenn sie das dann bekommen. Und jetzt eben bei diesen Tools, die du gerade eben erwähnt hast. Das ist ja auch nicht selbstverständlich, diese zu nutzen, weil

[00:15:42] Doreen Siegfried:
Ne eben, deshalb.

[0:15:44] Athanasios Mazarakis:
Ja. Es ist noch nicht… Ja, es ist überhaupt, ja ich wollt gerade sagen, es ist noch nicht gelebte Forschungspraxis. Naja, es ist eigentlich fast gar nicht bisher Forschungspraxis, wobei sich das auch massiv in den einzelnen Bereichen unterscheidet. In der Psychologie sind sie mittlerweile deutlich weiter. Stichwort Replikationskrise, was wir dort haben. In anderen Forschungsbereichen, aber da kommen wir wahrscheinlich später noch dazu, sieht es da etwas weniger selbstkritisch aus und da ist es weniger hilfreich. Und deswegen ja, also es kann durchaus hilfreich sein und es würde definitiv nicht schaden. Man muss es halt annehmen. Also, wenn man selber der Meinung ist, es bringt mir nichts, dann kann natürlich auch die Gamification da auch nichts helfen. Sprich, aber auch wenn ich der Meinung bin, ich muss meine Studien nicht vorregistrieren, dann wird ebenfalls Gamification da nichts bringen.

[00:16:29] Doreen Siegfried:
Aber kennst du Beispiele, wo, es müssen es muss jetzt nicht das Erlernen neuer Tools sein, kann auch was anderes sein: kennst du Beispiele, wo diese Kombination von wissenschaftlichen Praktiken, die man tun muss/sollte und Gamification schon funktioniert? Oder wo das jemand mal untersucht hat?

[00:16:51] Athanasios Mazarakis:
Naja, ich würde es auf den Hochschulbereich ummünzen.

[00:16:55] Doreen Siegfried:
Ah, ja.

[00:16:55] Athanasios Mazarakis:
Also da ist es halt so. Ich glaube auch zu wissenschaftlichem Arbeiten habe ich mal so was gesehen. Onlinetrainings an sich. Also sehr häufig, dass da eben Fertigkeiten einfach mal gelesen und gelernt werden müssen. Dass man sich das so in Anführungszeichen versüßen kann, dass ja. Die hochkomplexen Tätigkeiten, die wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben, nein, das habe ich noch nicht gesehen. Und das einzige, wo ich das nur kenne, ist eine Studie, die habe ich vor kurzem erwähnt, mit den Open Science Badges. Aber wie gesagt, die ist halt sehr umstritten, weil da eben noch Replikationsstudien durchgeführt wurden. Und die haben gezeigt, dass es eben nicht funktioniert hat. Und so ist man ein bisschen unsicher, ob das klappt oder nicht. Da ist es eine Möglichkeit, das zu machen. Nichtsdestotrotz ich glaube, ich würde eher den Bereich Onlinetrainings einfach da im Hinterkopf behalten.

[00:17:51] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:17:51] Athanasios Mazarakis:
Also wirklich Sachen, die ich erst lernen muss, auf die ich nicht wirklich viel Lust habe, ja, mir das dann dadurch zu versüßen.

[00:17:59] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Was mir da gerade einfällt, das ist ja auch eine Art von Training. Es gibt ja so im Kontext von Forschungsdatentrainings, da gibt es ja so diese Data Horror Escape Rooms.

[00:18:11] Athanasios Mazarakis:
Hm.

[00:18:12] Doreen Siegfried:
Das könnte man doch auch unter dem Schlagwort Gamification fassen. Oder ist das was anderes?

[00:18:18] Athanasios Mazarakis:
Ja, da habe ich mich in meinem Paper ein bisschen drüber ausgelassen. Das wird ein bisschen schwierig. Das ist so der Grenzbereich mit was genau ist eigentlich Gamification? Häufig wird sehr, sehr viel darunter subsummiert, auch Spiele. Und das, was du jetzt hier gesagt hast, das sind Spiele. Sehr hilfreiche Spiele. Serious Games, die auch sehr gut funktionieren. Sind aber speziell jetzt Anwendungen, die dafür gebaut wurden.

[00:18:45] Doreen Siegfried:
Ah, ja okay.

[0:18:47] Athanasios Mazarakis:
Gamification versucht eigentlich so gut es geht eine Anwendung, die vorhanden ist, zusätzlich anzureichern mit eben diesen Spielelementen. Wo man sich dann in einen spielefremden Kontext bringt. Wird trotzdem gerne vermischt. Und ja, es gibt halt im Bereich Gamification ganz viele Sachen, die dann durcheinandergebracht werden. Gamification, game based learning, Serious games, nur Games. Dann haben wir dann noch Entertainment Games und so weiter und so fort. Und all das wird von unterschiedlichsten Seiten dann häufig als Gamification bezeichnet.

[00:19:20] Doreen Siegfried:
Wenn diese ganze, diese Games, Serious Games, normale Games, Gamification und so weiter und so weiter, wie du eingangs gesagt hast, wirklich eine zunehmende Rolle spielen, im Leben und auch in Forschung und Lehre: wie Gamificationverwöhnt sind dann eigentlich Studierende und Pre-Docs?

[00:19:42] Athanasios Mazarakis:
Hm.

[00:19: 42] Doreen Siegfried:
Also, brauchen die das jetzt mittlerweile schon, auch diesen Entertainmentfaktor? Also, müssen Lehrende jetzt mehr zum Entertainer werden und mehr Games einsetzen?

[00:19:57] Athanasios Mazarakis:
Ich würde ja behaupten, Lehrende waren schon immer Entertainer.

[00:20:01] Doreen Siegfried:
Okay. [lacht]

[00:20:02] Athanasios Mazarakis:
Also auch auch der Lehrer vorne muss ja irgendwie in der Schule dafür sorgen, dass er seinen Schulstoff interessant rüberbringt. Und ich glaube, wir alle können uns an genug Schulstunden erinnern, wo das dann eben nicht der Fall war. Die Gamifizierung selber ist zwiespältig. Ich habe am Anfang meiner Karriere das mal gemacht. Ich habe positives und negatives Feedback dazu bekommen, was auch zu den Studien passt. Manche finden es gut, andere fühlen sich davon abgeschreckt, insbesondere, wenn man eben kompetitive Elemente nimmt. Und es geht halt nunmal auch in der Hochschule darum, dass man eben Noten gibt. Und es kriegt halt nicht jeder eine Eins, es kriegt auch nicht jeder eine Zwei und manchmal gibt es eben noch schlechtere Noten. Und da ist es dann halt schwierig, ja, wenn alle ganz genau wissen, “Okay, ich habe schon wieder nur eine 3 abgegeben in der Hausarbeit und alle anderen haben halt eine 1,5 oder eine 1,3” und das ist so eine Problematik dabei. Ne, ich glaube, Entertainer muss man andauernd sein und mir ist es auch wichtig, dass ich das, was ich vermittle, mit größtmöglichem Interesse rüberbringe. Denn, wenn es mir selber keinen Spaß macht, dann glaube ich auch nicht, dass ich irgendeinen Spaß oder irgendein Interesse an andere weitergeben kann. Die Gamification selber habe ich persönlich gelassen. Allerdings, es gibt immer mehr internationale Studien, die eben die unterschiedlichsten Bereiche aus Mathematik, Wirtschaft, Statistik gamifizieren. Und das machen sie relativ erfolgreich. Aber auch hier muss man zugeben, es sind häufig entweder kurz durchgeführte Studien, weil Halbjahr oder maximal ein ganzes Schuljahr. Aber eher sind das Halbjahre und oder auch gar vier Wochen. Und da hat man dann auch teilweise mit ja ganz großen Problemen zu kämpfen. Ich habe da eine Lieblingsstudie, die ich letztens gelesen hatte für mein Paper.

[00:20:03] Doreen Siegfried:
Ja, okay.

[00:20:03]: Athanasios Mazarakis:
Und zwar wurde die in Indien durchgeführt und da ging es halt darum, klar online lernen bla bla bla und Gamification durchführen. Und in den ersten zwei Wochen hat das super toll funktioniert, die Leute haben mehr teilgenommen, die Leute haben bessere Ergebnisse gemacht und so weiter und so fort. In der dritten Woche allerdings sind die Ergebnisse runtergegangen und das wurde halt von den Autoren erklärt, “na ja, da hatten wir halt eine Woche indisches Fest” oder ähnliches. Wo ich mir dann wiederum überlege: Naja gut, aber warum führt ihr denn da ausgerechnet diese Studie durch? Wenn ihr dann doch eh wisst, dass dann weniger Partizipation vorhanden sein wird? Und solche Studien gibt es halt sehr viele. Und das macht es dann halt sehr schwierig. Weil nur, weil jetzt etwas zwei Wochen geklappt hat, zu sagen, “Okay, wir müssen die gesamte Schule oder das gesamte Dissertationswesen hier spielifizieren.” So weit sind wir noch nicht. Plus, und da ist sich die Gamification-Forschung mittlerweile sehr einig, man muss es eben anpassen. Nicht jeder Typ ist gleich, nicht jeder Mensch ist gleich. Es gibt sehr viele unterschiedliche Typen, da konkurrieren auch unterschiedliche Modelle. Die einen sehen den Menschen als Spieler. Meine persönliche Meinung ist, das tue ich nicht. Ich sehe den Mensch eher als Menschen, weil ich kenne viele Menschen, die nicht gerne spielen und das wäre dann doof, ihnen dann diese Rolle zu geben. Andere wiederum betonen mehr die Persönlichkeit und ja, da ist es ein bisschen schwierig. Oder um es mal ehrlich auszudrücken, aktuell hoffnungslos eine gemeinsame Linie zu finden. Es gibt erste Versuche, diese ganzen unterschiedlichen Stränge zusammen zu finden. Aber ich würde mal sagen, die nächsten fünf Jahre haben wir noch genug damit zu tun, überhaupt mal heraus zu dröseln, was vielleicht passen könnte und was nicht.

[00:23:45] Doreen Siegfried:
Vielleicht würde ich, da würde ich noch mal gerne kurz einsteigen. Also die unterschiedlichen Strömungen: du hast ja auch eingangs gesagt, den Workshop, den du durchführst seit Jahren auf der „Gamification reloaded“ Konferenz, da kommen unterschiedliche Leute zusammen. Aus welchen Disziplinen kommen denn die Leute? Du hast ja gesagt, aus der Praxis.

[00:24:03] Athanasios Mazarakis:
Alle. [lacht]

[00:24:03] Doreen Siegfried:
Aber wenn es wissenschaftlich erforscht wird, sind das alles Psychologen, sind das alles irgendwie Medienwissenschaftler:innen? Wer trifft da aufeinander?

[00:24:13] Athanasios Mazarakis:
Alles.

[00:24:14] Doreen Siegfried:
Alles. [lacht]

[00:24:14] Athanasios Mazarakis:
Du hast die Leute aus der Werbung, du hast die Medienwissenschaftler:innen, du hast den Logistiker, weil der sich dafür interessiert. Du hast die klassischen Doktorandinnen und Doktoranden. Du hast auch die Studierenden, die gerade ein Seminar oder ein Praxisprojekt dazu gemacht haben.

[00:24:33] Doreen Siegfried:
Und aus welchen Fachdisziplinen kommen die?

[00:24:36] Athanasios Mazarakis:
Alle.

[00:24:36] Doreen Siegfried:
Alle.

[00:24:37] Athanasios Mazarakis:
Alle. BWL, Psychologie, Mediengestaltung, auch Informationswissenschaften. Das ist auch so, sowohl der Vorteil als auch der Nachteil von dieser Disziplin. Wenn du nur mit der BWL-Brille oder mit der Psychologie- Brille oder mit der Informatiker-Brille drauf schaust, wirst du immer etwas verpassen und man ist da sehr sehr offen gegenüber Kritik dann von anderen. Das ist halt nicht so gut. Deswegen ist es sehr interdisziplinär, die klar, der Marketingbereich natürlich, da sind immer mehr Personen dabei. Das boomt auch und das boomt jetzt auch noch mehr seit Corona, weil wir ja eben noch mehr vorm Rechner sitzen und Gamification häufig, aber nicht nur, das ist ein neuer Trend, dass da jetzt auch noch analoge Gamification kommt, aber eigentlich in 95/98 Prozent der Fälle ist es eben digitale Gamification. Und da, tja, da wird halt jeder irgendwie da verwendet und auch gebraucht. Und die Praktiker, wie gesagt, die wir da hatten, aus allen unterschiedlichen Bereichen, genauso wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

[00:25:45] Doreen Siegfried:
Okay, aber, alle, die da zusammenkommen und sich mit dem Thema beschäftigen, in der Hoffnung, dass das, was sie tun oder tun wollen, dann irgendwie besser funktioniert, gehen ja von der Annahme aus, dass Gamification die Leute eher bei ihrer Aufgabe hält, sozusagen, dass sie sich länger mit dieser Aufgabe beschäftigen. Also, ich kenne das auch beispielsweise aus wissenschaftlichen Ausstellungen, wo früher irgendwie noch so Pappwände waren mit langen Postern, da haben sich die Leute vor gestellt, das durchgelesen, ist es ja heute oft mit Spielen verbunden, was ich persönlich ganz attraktiv finde.

Mich würde zum Beispiel einmal die Frage beschäftigen: Gehen wirklich alle davon aus, dass Gamification besser funktioniert? Und die zweite Frage wäre, weil du auch schon sagtest, mit der Studie in Indien zwei Wochen, dann wird es abgebrochen: Wie lange kann man die Leute mit Gamification bei der Stange halten und wann erschöpft sich dieser Anreiz?

[00:26:46] Athanasios Mazarakis:
Das ist eine komplett offene Forschungsfrage.

[00:26:48] Doreen Siegfried:
Ja, okay.

[00:26:48] Athanasoos Mazarakis:
Also, das ist auf jeden Fall etwas, was nicht klar erforscht ist. Es gibt viele Indizien, die eben darauf hindeuten. Oder andersherum. Es ist klar erforscht, kurzfristig funktioniert es. Es gibt aber Indizien, die aber nicht klar sind, die sagen, es kann sein, dass irgendwann ein Sättigungseffekt eintritt. Und dann könnte man auch argumentieren, ob Gamification nicht ein Neuigkeitseffekt an sich nur wäre und deswegen so gut funktioniert. Aber da muss man zugeben, da sind die Effekte einfach zu groß. Also, es ist auf jeden Fall auch der Gamificationeffekt mit dabei. Ähm ja. Wie ich schon vorher gesagt hab, langfristige Studien fehlen, deswegen kann ich dir da konkret keine richtige Antwort dazu geben. Außer, man müsste es halt erforschen und daran mangelt es ein bisschen.

[00:27:34] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Habt ihr denn, seid ihr euch denn wenigstens einig in dieser großen, sehr diversen Gamification Community, was dann wenigstens die drei oder die fünf offenen Fragen sind, mit denen man sich jetzt mal in Zukunft beschäftigen sollte?

[00:27:49] Athanasios Mazarakis:
Ja, es sind eigentlich immer die gleichen vier Fragen gewesen, die wir da behandelt haben. Und am Anfang haben wir sehr frei gefragt einfach. Oder wir haben nicht mal gefragt, sondern wir wollten herausfinden: Okay, was beschäftigt euch denn? Und haben dann später dann diese Sachen dann zusammengeclustert. Und es sind halt immer so die ähnlichen Aspekte, die da einen beschäftigen. Zuerst einmal diese Zweiteilung mit was sind die Vorteile von Gamification, also was kann ich da herausziehen? Und gleichzeitig was sind Gefahren oder Nachteile, wo ehrlich gesagt bisher zum Teil relativ wenig dazu gesagt wird, weil ja, es sind halt ethische Aspekte. Also mittlerweile, es gibt auch Studien dazu, die zeigen, es kann süchtig machen, weil das kennt man eben auch aus Computerspielen, weil man da immer einen bestimmten Score erreichen will, dann kann das auch mit Gamification passieren. Oder aber es gibt auch eine Studie von Diefenbach, die sehr, sehr eindringlich fragt “Mache ich das denn eigentlich für die Tätigkeit selber, die ich eigentlich spielifizieren wollte, oder mache ich das am Ende dann nur noch für die Gamification?” Auch da sind scheinbar manche Personen dann eher dafür empfänglich, was dann in den Interviews rausgekommen ist. Na ja, und die zwei anderen Aspekte, die relevant sind, sind immer: Was fehlt noch in der Gamificationforschung und welche Elemente soll ich verwenden? Denn bisher wird primär eigentlich auf die ja auf so eine Triade die drei Heiligen gesetzt. Das sind Punkte, Badges, also Abzeichen und Leader Boards, also Ranglisten. Funktionieren sehr gut, funktionieren aber für eine bestimmte Gruppe von Personen, zum Beispiel bei Ranglisten, eben nicht so gut. Und häufig sagen auch die Leute “Ach, das kenne ich schon, interessiert mich nicht so sehr.” Und da ist dann die Frag, es gibt viel, viel mehr Spielelemente: man kann Narrative verwenden, man kann Avatare verwenden, man kann Fortschrittsbalken verwenden und so weiter und so fort und das Ganze auch noch miteinander kombinieren. Dass man da versucht herauszufinden, gibt es vielleicht andere Möglichkeiten, um die Leute ja länger für irgendetwas zu begeistern oder mehr zu motivieren? Oder haben wir wirklich schon das Nonplusultra gefunden? Und da fehlen die Anreize in der Wissenschaft, das genauer zu untersuchen, weil die anderen Elemente sind halt schwieriger umzusetzen.

 [00:30:13] Doreen Siegfried:
Und dann ist natürlich, ich meine, es wird dich als Psychologe wahrscheinlich auch interessieren. Gibt es da Kopplung mit Persönlichkeit?

[00:30:21] Athanasios Mazarakis:
Ja.

[00:30:22] Doreen Siegfried:
Mögen die einen lieber die Fortschrittsbalken und die anderen lieber die Abzeichen.

[00:30:26] Athanasios Mazarakis:
Genau. Also das ist wahnsinnig spannend. Auch da gibt es bestimmte Tendenzen, auch da zu wenig. Denn das größte Problem, was man dann natürlich hat ist, abgesehen davon, dass die Studien natürlich länger laufen sollten, man braucht für Untersuchungen mit Bezug auf Persönlichkeit sehr, sehr, sehr viele Menschen und die kriegt man halt normalerweise nicht ohne Weiteres. Also, wenn wir Studien haben, die über 100 Probanden haben, dann ist das schon mal sehr gut. Selbst Koryphäen aus unserem Fach haben aber in den letzten Jahren auch Coronabedingt, naja, Sachen publiziert, da hast du halt 23 Leute und das ist schwierig.

[00:31:049 Doreen Siegfried:
Ja, das ist schwierig. Noch mal zurück zum Thema Bildung, Lehre, Forschung und so weiter. Also was wir auch alle in dieser Coronazeit beobachtet haben, beispielsweise bei Kindern, das häufig von der Schule vor, ich will jetzt nicht sagen vorgeschrieben, aber stark empfohlen wird, die Verwendung beispielsweise der ANTON-App, mit der ich Mathe lernen kann, Deutsch, Englisch, was auch immer. Da krieg ich ein paar Aufgaben, wenn ich die richtig mache, tanzt da irgendwie so ein Figürchen und so weiter. Wenn ich mir das jetzt mal vielleicht die nächsten Jahre angucke und die Kinder, die jetzt klein sind und diese App, es gibt sicherlich auch noch andere, nutzen, kommen dann irgendwann an die Uni. Da werden sie dann auch wieder mit Gamification und Games und so weiter konfrontiert. Kann das aufhören in der Wissenschaft? Kann man da sagen: “So, jetzt tada! Jetzt bin ich 25, jetzt bin ich Doktorand/Doktorandin. Jetzt brauche ich das alles nicht mehr. Jetzt brauche ich keine tanzenden Leute mehr, die mir Blumensträuße digital zuwerfen, wenn ich mal was richtigmache.”

[00:32:14] Athanasios Mazarakis:
Gut eingesetzte Gamification macht sich am Ende selbst überflüssig.

[0:32:20] Doreen Siegfried:
Ah, ja.

[0:32:21] Athanasios Mazarakis:
Es wäre eigentlich, weil es soll ja eine Unterstützung sein.

[00:32:24] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:32:24] Athanasios Mazarakis:
Die Idee ist wirklich dahinter, dass bestimmtes Verhalten irgendwann mal automatisiert ist. Da gibt es sehr alte Beispiele dazu schon. Bleiben wir bei Kindern, aber vielleicht nicht unbedingt Lernen, sondern – ich wollte gerade eben sagen ein ernsteres Thema – ne, Lernen ist auch ein ernstes Thema. Aber sagen wir mal Diabetes und dass man da Zucker messen muss und so weiter und dass der Insulin-Spiegel nicht so weit unten ist. Und das macht ja keinen Spaß. Ich muss mich pieksen, das tut weh, der blöde Apparat und so weiter und so fort. Und da gibt es Tools, Apps, die das Ganze halt spielifiziert gemacht haben. Und die Idee dahinter ist halt, dass am Ende die Kinder das machen, ohne die Ängste, ohne die Bedenken, sondern einfach es gehört zu ihrer natürlichen Umgebung. Um Gottes Willen, sollte dem wirklich so sein, wie du gerade eben gesagt hast und ich bin mit 25 angewiesen auf Gamification, weil ich das schon seit dem Grundschulalter gewohnt bin, dann ist irgendetwas ganz großartig schiefgegangen.

[00:33:31] Doreen Siegfried:
[lacht]

[00:33:31] Athanasios Mazarakis:
Dann haben wir nämlich wirklich dieses Ethikproblem dabei. Ich würde es einfach mal andersrum umdrehen. Ab und zu haben ja einige von uns früher, als sie in der Grundschule waren, ja vielleicht auch Sternchen bekommen.

[00:33:41] Doreen Siegfried:
Stimmt, Bienchen.

[00:33:42] Athanasios Mazarakis:
Ja, oder Bienchen. Ja, ich habe nicht so viele von denen bekommen.

[00:33:48]
[beide lachen]

[00:33:48] Athanasios Mazarakis:
Aber ich kann mich noch dran erinnern, die habe ich irgendwie, weiß ich nicht, in der sechsten, siebten Klasse nicht mehr bekommen. Ich habe die aber auch nicht mehr gebraucht. Ich glaube, die gab’s dann auch nicht mehr. Hoffe ich jedenfalls.

[00:33:58] Doreen Siegfried:
Stimmt. Ja, ich glaube, dann war das irgendwie kindisch in der siebten Klasse wollte man keine Bienchen mehr haben und auch …

[00:34:05] Athanasios Mazarakis:
Genau. Da war das Lernen jedenfalls für mich, vielleicht für andere nicht der Fall, aber Lernen an sich hat mir meistens Spaß gemacht. Aber umso mehr, wenn halt eben das gepasst hat mit der Note. Also wenn ich jetzt zum Beispiel ich habe zwei Wochen gelernt und ich krieg ne drei, dann ist das irgendwie doof. Gut, hätte ich nur am Abend vorher gelernt und dann wäre ich auch mit einer 4 zufrieden gewesen. Aber das muss sich dann halt in dem Kontext dann lohnen. Aber die Gamification an sich ist ja dann nicht mehr vorhanden und muss auch nicht sein. Ich kriege ja trotzdem eben das Feedback darüber, wie gut war ich? Und im Normalfall weiß ich ja auch selber, wieviel habe ich rein investiert. Und Gamification soll im Grunde genommen eben auch das hier widerspiegeln können. Zum Beispiel jetzt hier noch mal mit dem Diabetes-Kind, da kriege ich ja nur das Feedback, ich habe ja alles richtig gemacht und mein Insulin-Spiegel ist in Ordnung oder aber er ist nicht in Ordnung. Ich muss ein Zückerchen essen oder ähnliches.

[00:34:58] Doreen Siegfried:
Kann sich dann Gamification in diesem kompetitiven Wissenschaftsbetrieb auch toxisch auswirken? Zum Beispiel im Teamwettbewerb, in der Teamchallenge?

[00:35:08] Athanasios Mazarakis:
Ja. Du hast gerade eben Wissenschaft gesagt, oder?

[00:35:12] Doreen Siegfried
Ja.

[00:35:12] Athanasios Mazarakis:
Also, definitiv. Ich glaube wir brauchen keine Gamification, damit irgendetwas toxisch in der Wissenschaft ist. Ich kann Ergebnisse aus der Wirtschaft nennen.

[00:35: 23] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:35:24] Athanasios Mazarakis:
Da ist es dann wirklich so der Fall, dass eben ja, wenn es Ranglisten gibt …

[00:35:32] Doreen Siegfried:
Genau.

[00:35:33] Athanasios Mazarakis:
Und wenn diese dann auch noch öffentlich einsehbar sind für alle, weil nur so kann ich ja dann die Leute motivieren. Ja, da gibt es so ein klassisches Beispiel. Disney hat das relativ früh eingeführt für ihre Hotels. Die haben Hotels in den USA und die haben dann so Bildschirme, wo die Mitarbeiter dann sehen konnten, wie schnell war man halt mit dem Handtuch falten und Zimmer machen und so weiter und so fort. Na ja, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort, die fanden das nicht so lustig.

[00:36:05] Doreen Siegfried:
Das kann ich mir vorstellen.

[00:36:05] Athanasios Mazarakis:
Die haben das genannt, das ist die elektrische Peitsche.

[00:36:09] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:36:10] Athanasios Mazarakis:
Weil so war halt ganz klar die Kontrolle. Und natürlich Gamification, indem es mir Feedback gibt, muss ja irgendeine Kontrollinstanz da sein. Ich muss ja irgendeinen Benchmark haben, gegen das dann abgeprüft wird. Ist das, was ich gemacht habe, richtig oder es ist falsch? Und wenn das natürlich im Einklang mit den Menschen passiert, ist es gut. Wenn aber hingegen das System übergestülpt wird, dann ist es halt weniger gut. Es gibt noch ein weiteres klassisches Beispiel, ebenfalls aus den USA, mit Applebee’s. Dort wurde das gemacht. Ich glaube, das hatte ich aber auch schon mal erzählt. Aber ich erzähl’s noch mal ganz kurz: Kellnerinnen und Kellner, auch da waren die Bildschirme einsehbar, wer hat wie viel Umsatz gemacht und je nachdem, wie gut ich war, konnte ich eine andere Farbe bekommen. Ich bin in Anführungszeichen im Rang aufgestiegen, hatte aber keinerlei Effekt. Ich war aber quasi, wenn ich eine grüne Uniform hatte, war ich dann besser, als wenn ich eine rote Uniform hatte. So, und dann ist da natürlich die große Frage, ist das nicht toxisch? Sowohl kundenmäßig, wenn ich weiß, okay, grün ist besser als rot. Bei rot ist die Gefahr größer, dass mir der Kaffee verschüttet wird als bei grün. Dann möchte ich doch gerne lieber die grüne Person haben, die mich bedient. Oder aber auch die Arbeit am Band. Auch da, wenn man dann sieht, ja, die einen sind schneller, besser als die anderen, das wird dann toxisch, dann wird vielleicht etwas mehr geschlampt. Alles ist sehr, sehr schwierig und deswegen wird eigentlich auch häufig argumentiert, es wäre gut, wenn man nicht kompetitiv arbeitet, sondern kooperativ, also in Teams.

[00:37:42] Doreen Siegfried:
Und dürfen dann Teams gegeneinander antreten?

[00:37:45] Athanasios Mazarakis:
Sehr gut.

[00:37:47] Doreen Siegfried:
Das wäre ja dann so wie bei Harry Potter ne? Haus Gryffindor Ravenclaw und so weiter, du kennst das.

[00:37:52] Athanasios Mazarakis:
Dürfen darf man alles. Und das hat sich auch gezeigt, wenn Competition da ist, dann steigt auch die Leistung. Man muss sich aber halt immer fragen: Zu welchem Preis? Und wie lange will ich das machen? Weil ursprünglich war immer die Idee, jedenfalls bei der einen Studie, die da durchgeführt wurde von Niesenhaus, “Nee, wir wollen uns alle liebhaben und wir wollen allgemein die Leistung steigern.” Aber da kamen natürlich dann die Manager und haben gesagt „So, jetzt gibt es noch einen Weihnachtsbonus und das beste Team kriegt, dann keine Ahnung, 100 Euro obendrauf.“ Ja, die Leistung ist dann hochgegangen, aber man könnte natürlich dann die anderen Teams fragen, die leer ausgegangen sind, wie die das dann so fanden.

[00:38:31] Doreen Siegfried:
Aber das würde ja, ich sag mal so, nach meiner Laienauffassung würde solche Teamförderung sicherlich einen gewissen Effekt haben, aber es würde auf der anderen Seite ja auch dazu führen, dass die Teams untereinander, also ich sag mal, Team rot, Team blau und Team gelb, sich nicht mehr austauschen für meinetwegen kollaborative Projekte, weil dann könnten ja die anderen die Punkte kriegen.

[00:38:53] Athanasios Mazarakis:
Genau. Ganz genau. Und wenn dann diese Punkte, und dann ist etwas, was mit Gamification leider sehr häufig vermischt wird, weil es wird häufig – mein Lieblingshassbeispiel ist, wenn gesagt wird “Ja, ich gehe ja zum Bäcker oder ich gehe ja, wenn ich mir einen Kaffee hol, dann kriege ich einen Stempel und für neun Stempel kriege ich dann kostenlosen Kaffee oder kostenloses Brot. Das ist ja auch Gamification.“ Nein, das ist nicht Gamification. Das nennt sich eigentlich Rewarding. Ich kriege dafür eine handfeste Belohnung. Oder auch wenn ich irgendwelche Meilen sammle oder Punkte sammle bei Payback. Das sieht zwar spielerisch aus, aber der Sinn und Zweck ist immer, dass ich dann am Ende eine ganz bestimmte monetäre, sachliche Belohnung bekomme. Aber Gamification an sich ist das nicht. Es geht eher um die Steigerung, Motivation,

[00:39:39] Doree Siegfried:
Das dranbleiben.

[00:39:40] Athanasios Mazarakis:
Ob am Ende noch was rauskommt… Klar, man kann Gamification mit Rewarding kombinieren. Das ist in Ordnung. Dass ich dann da noch was bekomme. Man muss dann gucken, extrinsische, intrinsische Motivation, ob das eine nicht das andere auffrisst. Das sind aber andere, ja schwierige Probleme. Aber man darf das nie sagen, dass wenn ich eine Belohnung bekomme und ich vorher Punkte gesammelt habe, dass das Gamification ist. Das ist, mit Verlaub, nicht korrekt.

[00:40:04] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Welche Rolle spielt dann Gamification so bei tatsächlich co-kollaborativen Prozessen, also beispielsweise bei Citizen Science?

[00:40:15] Athanasios Mazarakis:
Eine sehr große, weil da sind wir wieder bei der Feedbackgeschichte.

[00:40:18] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:40:18] Athanasios Mazarakis:
Also Citizien Science ist ein Gebiet, was schon sehr lange gamifiziert ist. Auch hier wiederum primär aus den USA. Aber es gibt auch deutsche Ansätze dafür. Ja, also es wird einem einfach Feedback gegeben. Das hast du schon erledigt, da hast du uns geholfen in der Wissenschaft. Gut, klassische Beispiele hier ist Vögel zählen oder sonstige Sachen in der Natur, wo man halt viel…

[00:40:39] Doreen Siegfried:
Teebeutel verbuddeln.

[00:40:41] Athanasios Mazarakis:
Bitte?

[00:40:42] Doreen Siegfried:
Teebeutel verbuddeln.

[00:40:429 Athanasios Mazarakis:
Oder Teebeutel verbuddeln. Auch das kann man alles machen. Ne, aber das sind so Sachen. Also für Citizen Science ja. Und da hat man eben auch eine relativ hohe intrinsische Motivation. Und wenn danach eben so ein ja, nennen wir es mal ein verkapptes Lob kommt, indem man einfach sieht, okay, ich habe so viel geleistet und ich habe den Beitrag jetzt für die Wissenschaft gemacht und das wurde halt so quantifiziert. Und dafür kriege ich dann ein Badge oder ich bin relativ weit oben in der Rangliste. Warum nicht, das funktioniert.

[00:41:09] Doreen Siegfried:
Na ja. Und das kann ja dann, da kann ja so ein Citizen Science Badge ja dann tatsächlich irgendwie so ein ausgedruckter Pokal sein oder so was, den man sich an die Wand hängt.

[00:41:19] Athanasios Mazarakis:
Ja, es dürfte ja auch am Ende gerne, wenn man es nicht erwartet, dürfte es auch gerne ein echter Pokal sein. Was man halt nicht machen sollte ist, dass man das so ähnlich macht wie ein Preisausschreiben oder wie so ein Wettbewerb. Der erste, der, der keine Ahnung 500 unterschiedliche Vogelarten gefunden hat, der kriegt einen Pokal. Das ist in Ordnung, aber das ist keine Gamification, das ist dann ein Wettbewerb.

[00:41:42] Doreen Siegfried:
Welche Rolle spielt Gamification in der Wissenschaftskommunikation?

[00:41:47] Athanasios Mazarakis:
Ähm, schwierig. Also es wird verwendet. Allerdings sehr häufig – und da muss ich auf die Spitzfindigkeit leider bestehen – nicht wirklich im Gamificationbereich, sondern wirklich mehr in dem Bereich Serious Gaming. Also es werden Spiele erstellt, die einen ernsthaften Kontext haben. Wissensvermittlung oder, was jetzt halt sehr viel gemacht wird, ist in Bezug auf Richtung nachhaltig, also nachhaltigeres Leben. Die sind relativ erfolgreich. Das hat aber nur bedingt was mit Gamification zu tun, denn ich befinde mich ja …. Zum Beispiel ich gehe ins Museum, da sieht man das relativ häufig. Sei es mit einer Augmented Reality Brille oder vielleicht eine Ausstellung, die nur mit virtueller Realität ist. Da sind ja spezielle Sachen, die dafür gemacht worden sind. Da gehe ich ja dann hin, setze mich diesem der Installation, dem Kunstwerk, dem Spiel, was auch immer dann aus und führe dann die Intentionen, die die Künstlerin oder der Künstler hatte dann durch. Natürlich kann dann immer noch was Anderes dann dabei herauskommen. Aber das sind primär Beschäftigungen, Spiele, ernsthafte Spiele, die irgendetwas vermitteln wollen, sei es jetzt Wissen oder aber halt vielleicht die Sichtweise des Künstlers.

[00:43:02] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Aber es gibt ja auch so, ich weiß gar nicht, wie man es offiziell nennt, das weißt du wahrscheinlich besser. Ich sage mal so, Beteiligungs-Geschichten, dass es heißt irgendwie, wenn du 10 Punkte hast, keine Ahnung, weil du dich durch 10 Stationen der Ausstellung bewegt hast, dann bekommst du ein X, Y, Z. Das wäre dann aber auch wieder Belohnung. Oder ist das Gamification?

[00:43:23] Athanasios Mazarakis:
Was kriege ich denn? Steige ich in der Rangliste auf? Kriege ich Punkte? Dann bin ich eher im Gamification-Bereich. Wenn ich alle Stationen durchgemacht habe und krieg dann am Ende vielleicht ein Plüschtier von der Ausstellung, dann geht es ein bischen eher Richtung Belohnung.

[00:43:39] Doreen Siegfried:
Ah ja, okay. Ja, es ist glaube ich, es geht eher in die Richtung Plüschtier. Wobei das je nach Ausstellungshaus dann natürlich was Anderes sein kann.

[00:43:47] Athanasios Mazarakis:
Aber per se ist es ja auch nicht falsch, weil mit Verlaub, die Idee mit dem Plüschtier ist ja eine ganz andere. Es geht ja nicht darum, dass ich das Plüschtier eingesammelt habe. Es geht darum, ich bin stolz drauf, dass ich das Plüschtier habe. Und das Museum oder wer auch immer der dieses Plüschtier ja weitergibt, der hofft ja darauf, man kommuniziert das an andere weiter. Guckt mal, wir waren dort und haben dann dieses Plüschtier bekommen. Das heißt, man hat dann Mundpropaganda und das ist ein Marketinginstrument. Das macht alles natürlich sehr wohl Sinn. Ist nicht zu verteufeln, aber kann man ja auch kombinieren. Also wenn man dann wirklich der Meinung ist, man möchte ein bisschen gamifiziertes, ernsthafte Wissensvermittlung machen, dann spricht auch nichts dagegen, das mit Serious Gaming zu machen, aber es sind halt zwei unterschiedliche Sachen.

[00:44:29] Doreen Siegfried:
Ja okay, verstehe. Wir sind hier jetzt ja alle im Homeoffice. Welche Rolle spielt denn Gamification für Wissenschaft aus dem Homeoffice heraus? Also jetzt nicht nur für die Forschung, sondern auch für Lehre, Administration, Kontaktpflege, Teambuilding oder auch die schöne Wissenschaftskommunikation.

[00:44:48] Athanasios Mazarakis:
Da ist jetzt natürlich die Forschung noch etwas sehr kurz dabei, aber das bisschen, was ich bisher schon mitbekommen habe, zeigt auch hier wird das verwendet zur Spielifizierung. Und man sieht halt ganz besonders, dass eben die ja das regelmäßige Austauschen, die Kontakte und ähnliches, das leidet ein bisschen darunter. Und viele Unternehmen haben ihre Weiterbildungen zum Beispiel auch jetzt primär Richtung online geshiftet. Und viele Großunternehmen bieten da jetzt mittlerweile eben ihre Fortbildungen an, aber eben nicht nur ein Webinar und dann gucke ich mir das live an oder ziehe mir ein Video runter, sondern die versuchen das schon in eine Story einzubetten. Das ist auch ein Spielelement, was ein relativ schwieriges Element ist. Denn wenn die Story langweilig ist, dann na ja, dann mache ich eben nicht weiter oder nicht so, wie sich das die anderen halt wünschen. Und das sind dann halt so Möglichkeiten, irgendwie die Personen, die dann halt zu Hause sind, – und da brauchen wir uns ja nichts vorzumachen – da hat jeder komplett unterschiedliche Ausstattungen. Man hat eine mehr oder weniger standardisierte Umgebung beim Arbeitgeber und zu Hause habe ich einen Küchentisch oder aber ein eigenes Arbeitszimmer oder aber schreiende Nachbarn oder aber eine Baustelle vorm Haus oder aber Kinder. Mehrere Kinder, die zu unterschiedlichen Zeiten kommen, die dann vielleicht auch noch betüdelt werden wollen oder zum Sport oder und so weiter und so fort. Und da kann eben wirklich dann Gamification helfen, so wie ich das vorher beschrieben hatte, dass man sich eben ja kleine ToDos, kleine Meilensteine eben gesetzt bekommt. Und wenn ich die dann erfüllt habe, dann weiß ich, “Okay, ich bin auf dem richtigen Weg.” Wenn ich die nicht erfüllt habe, kann ich dann auch darauf hingewiesen werden, dass da eben noch mehr gemacht werden muss.

[00:46:37] Doreen Siegfried:
Ja, ja, okay. Wenn wir mal so in Richtung Wirtschaftsforschung abdriften, wie stehen denn eigentlich Wirtschaftsforschende dem Thema Gamification gegenüber? Gibt es hier, ich mein zehn Jahre hast du jetzt gesagt, zehn Jahre Gamificationforschung. Das ist ja faktisch fast gar nichts. Aber gibt es gegebenenfalls Untersuchungen, die auf fachspezifische Präferenzen hinweisen?

[00:47:00] Athanasios Mazarakis:
Ähm, ja, die Wirtschaftswissenschaften sind da ein ganz spezieller Fall. Nochmals, die Idee an sich kommt aus dem Marketing. Ist also eigentlich aus dem BWL-Bereich. Per se die Forschenden in den Wirtschaftswissenschaften haben lange Zeit gar nichts davon gehalten, weil – da bin ich jetzt mal so böse -, Spaß bei der Arbeit ist ja nicht. Wir wollen ja möglichst viel Geld bekommen oder möglichst viel Freizeit. Also es muss sich ja irgendwie lohnen. Diese Sichtweise hat sich aber in den letzten Jahren geändert. Allerdings mit einer sehr speziellen Art und Weise, nämlich dem Nudging.

[00:47:41] Doreen Siegfried:
Ja.

[00:47:41] Athanasios Mazarakis:
Das ist eine relativ verwandte Methode. Auch das wird häufig gleichgesetzt mit Gamification. Es gibt allerdings einen fundamentalen Unterschied zwischen Gamification und Nudging. Gamification ist normalerweise ein freies Angebot, etwas zu machen. Und normalerweise kriege ich dann auch ein Feedback, das ich dann halt befolgen kann oder will oder eben auch nicht. Beim Nudging ist die Person davon überzeugt, die das dann erstellt hat, dass es eine richtige Verhaltensweise gibt. Jetzt sage ich einfach mal weniger Auto fahren und man wird in diese Richtung hin gestubst. Negativ ausgedrückt, hingedrängt. Also ich soll unbedingt diese Verhaltensweise ausführen, weil die ist ja gut für mich. Und da unterscheidet sich halt eben das normale Gamification von dem Nudging. Beim Nudging ist man überzeugt und man will unbedingt, dass diese Person das dann durchführt. Eben auch wieder mit den gleichen Spielelementen. Bei der Gamification wird es mir normalerweise freigestellt. Und das ist so der Bereich, wo die Wirtschaftswissenschaften sehr stark darin sind und sich dafür auch sehr interessieren. Aber es ist halt doch ein Unterschied.

[00:48:55] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Und gibt es auch Untersuchungen, jetzt bezogen auf Wirtschaftsforschende selbst, sei es jetzt im Kontext Citizien Science, sei es im Kontext Lehre oder so was, dass sie vielleicht anders auf bestimmte Gamification Elemente ansprechen als Historiker:innen oder Chemiker:innen oder was auch immer?

[00:49:18] Athanasios Mazarakis:
Nein, es wäre schön, wenn es dazu Forschungen geben würde, also primär zu den Wirtschaftswissenschaften. Ich kann sagen, dass es das gibt zu anderen Bereichen, zur Biologie, zum Teil auch zur Psychologie. Und dann war noch eine dritte Disziplin, die mir gerade nicht einfällt, oder eine vierte: Physik. Physiker fanden das auch sehr interessant. Zu den Wirtschaftswissenschaften kenne ich leider keine Studie. Wäre schön, wenn man da was durchführen würde, weil ich da auch sehr sicher bin, dass es interessant wäre. Also ich kann mir auch vorstellen, dass diese kompetitiven Elemente da viel, viel stärker ansprechen würden. Gleichzeitig müsste man aber das Ganze dann eben auch psychologisch dann noch untersuchen und schauen, nur weil ich jetzt besser bin, heißt das noch lange nicht, dass ich da auch glücklicher bin. Wir haben vor, das ist jetzt auch ein paar Jahre her, ich glaub vor drei Jahren, eine Studie hier durchgeführt, an der ZBW, mit Augmented Reality und da ging es einfach darum, man muss möglichst schnell Pakete auffüllen mit bestimmten Tätigkeiten. Also man geht zu einer Station, kriegt eine Packliste, muss dann Sachen sammeln. Und da hatten wir dann herausgefunden, ja, je kompetitiver die Leute waren, desto schneller waren sie. Allerdings diejenigen, die am besten waren, waren häufig nicht sonderlich zufrieden. Jetzt kann man sich natürlich überlegen, vielleicht wollten die ja noch besser sein, aber wenn sie quasi schon erste oder zweite sind, da ist ja kein weiteres Steigerungspotzenzial.

[00:50:50] Doreen Siegfried:
Ja, warum waren sie nicht zufrieden?

[00:50:53] Athanasios Mazarakis:
Da kann man nur mutmaßen. Ich würde da einfach mal behaupten, es war halt anstrengend. Es war keine angenehme Situation für die. Sie wollten zwar an der Wettbewerbssituation teilnehmen, haben aber festgestellt, man muss sich da halt sehr dafür anstrengen und waren dann am Ende dann weniger glücklich als die Personen, die weiter hinten gelandet sind.

[00:51:13] Doreen Siegfried:
Okay. Spannend. Okay. Was mich noch interessieren würde, auch im Kontext Wirtschaftswissenschaften, es gibt ja Plattformen, wie beispielsweise Gaia-X, wo es auch darum geht, Forschungsdaten letztlich zusammenzubringen, aus Unternehmen, aus Wissenschaft und so weiter. Soweit ich das überblicke, spielen da momentan eher monetäre Anreize eine große Rolle. Wo siehst du da die Chancen und Möglichkeiten von Gamification?

[00:51:42] Athanasios Mazarakis:
Ja gut, da sage ich jetzt wieder mein Lieblingswort: schwierig. Man muss ja schauen, wer denn da den Content bereitstellt. Und wenn dann der Content bereitgestellt wird von Personen, die ihn vielleicht vorher eingekauft haben oder die sehr viele Personenmonate da reingesteckt haben, also es hat was gekostet, dann glaube ich nicht, dass Gamification da irgendwie helfen kann, sondern dass da wirklich ein monetärer Handel stattfinden wird, wahrscheinlich in der Art eines Marktes. Sollte dem nicht so sein, dann sehe ich durchaus Möglichkeiten, dass man sagt okay, für das Teilen von Forschungsdaten, für das Teilen von irgendwelchen Prozessabschnitten oder ähnliches kann man eine Visualisierung geben, kann man sichtbar machen, okay, ich habe mich daran beteiligt, da könnte das durchaus funktionieren. Aber die Richtung, so wie Gaia-X aktuell gedacht wird und das ist per se ja nicht mal schlecht, aber es ist in der Realität, es wird sehr monetär darauf hinauslaufen und auch die ganze Infrastruktur da drauf zum Laufen zu bekommen und diese herzustellen und bereitzustellen. Auch das wird Geld kosten. Es ist natürlich alles eine Frage der Policy Maker, ob die da das nicht gerne hätten, dass das auch kostenfreier, kostenlos gemacht wird. Aber die ganzen Player, die sich da formieren, ich verfolg das da so ein bisschen am Rande, da sind schon sehr starke Effizienzgedanken dahinter, um das ganze mal im BWL-Sprech zu sagen, und das geht meistens halt einher mit monetären Aspekten.

[00:53:23] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Wir nähern uns so langsam dem Ende. Wenn du jetzt mal so ein bisschen guckst auf das, was du über Gamification weißt und auch, was du in deinen Workshops erlebt hast und was du auf Konferenzen gesehen und gehört hast und so weiter. Was wären deine drei Tipps für die tägliche Praxis jetzt für Leute, die sagen, “Ich will das, ich will das auch mal machen”. Also, welche Gamification-Elemente sollten Zuhörende oder auch jetzt Wirtschaftsforschende, nehmen wir die mal als Spezialtruppen heraus, einmal ausprobieren? Was macht besonders viel Spaß?

[00:53:58] Athanasios Mazarakis:
Was macht besonders viel Spaß?

[00:54:02] Athanasios Mazarakis:
Ich glaube, mal gucken, ob wir dann wirklich zu dreien kommen. Ich würde gern den Bogen spannen dazu. Was an sich Spaß macht, ist intrinsische Motivation. Und intrinsische Motivation wird nach einer Theorie von Decy und Ryan quantifiziert in drei Aspekte: Autonomie, Kompetenz, soziale Eingebundenheit. So, und wenn wir jetzt diese drei Elemente nehmen und vielleicht mal runter bröseln. Also autonom bedeutet, ich kann größtenteils das machen, was ich will. Und dann ist das ja an sich schon mal, wenn mir eine gewisse Freiheit gegeben wird, sprich, wenn ich das jetzt umdrehe, dass ich frei über meine Tätigkeiten verfügen kann und ein freies Zeitbudget habe. Also wäre da so was wie so eine Uhr. Ich würde jetzt ungern sagen Fortschrittsbalken, aber ein effizientes Zeitmanagement. Wie auch immer gamifiziert, wie auch immer visualisiert, wäre schon mal ganz gut. Kompetenz erleben, ganz klar Feedback. Wenn ich, ja sage ich jetzt mal ganz doof, wenn ich was gekocht habe, und ich krieg Lob von anderen dafür, dass es geschmeckt hat, ist es okay. Wenn sie nichts sagen, dann überlege ich mir, ob ich dann nachfrage, oder nicht.

[beide lachen]

[00:55:15] Doreen Siegfried:
Sind die Teller leer – ist ja auch ein Indikator.

[00:55:15] Athanasios Mazarakis:
Nicht immer will man ja auch die Antwort hören, dann muss ich mir halt was Anderes überlegen. Aber dass ich mir dann selber solche Sachen dann eben habe zum Abhaken oder ähnliches. Das kann ja ruhig auch analog sein. Also, um Gottes Willen, das muss ja alles nicht digital sein, sondern ich kann mir ja selber mal ein Heftchen machen. Ich kann mir auch selber meine Fleißsternchen oder Bienchen oder was auch immer dann geben. Das funktioniert und es ist auch wieder im Kommen. Und der wichtigste Aspekt, auch für die Introvertierten unter uns, ist wirklich die soziale Eingebundenheit. Dass ich mich als Individuum zwar immer noch empfinde, aber ich bin ja in irgendeinem Kontext sozial eingebunden. Seien es die Kolleginnen und Kollegen, sei es meine Familie, sei es die Verwandtschaft, Freundes-, Bekanntenkreis und dass man sich da eben austauscht, dass man da eben schaut, dass man da erzählt, was dann Sache war. Insbesondere jetzt auch mit den Corona- und Homeoffice-Zeiten, dass man eben, ja, da einen gewissen Austausch hat. Und was ich immer ganz gerne dabei mache, ist eine Tasse Tee dazu trinken. Und ja, du hattest es vorher gesagt, aber wahrscheinlich meintest du es in einem anderen Kontext: meine Badges sind dann in dem Kontext einfach die Teebeutel, die ich dann später sehe, die dann einfach in der Waschküche sind und weiß, ah, okay, ich habe dazu Tee getrunken. Das heißt, ich habe heute meine zwei, drei Telefonate durchgeführt mit Freunden und Bekannten, hab mich ausgetauscht, da war ich erfolgreich.

[00:56:42] Doreen Siegfried:
Du hattest … Bevor wir jetzt Schluss machen, doch noch eine Frage.

[00:56:45] Athanasios Mazarakis:
Gerne.

[00:56:45] Doreen Siegfried:
Noch ein richtig guter Live Hack am Ende. Du hattest gesagt, das ist ja jetzt im Kommen so analoge Heftchen. Also das heißt, man hat dann tatsächlich so ein Heft mit irgendwelchen Icons und dann fülle ich am Ende aus, irgendwie drei Smileys für „super, ich war heute sozial eingebunden“, so was.

[00:57:04] Athanasios Mazarakis:
Aber das ist die Anfängervariante.

[00:57:06] Doreen Siegfried:
Okay, jetzt erzähl.

[00:57:07] Athanasios Mazarakis:
Die bessere Variante ist noch, ich bastel mir so etwas vielleicht für die Wand, also irgendwie aus Kork und dann habe ich vielleicht unterschiedliche Figuren oder ähnliches oder bastel mir mal eigene Badges. Oder man kennt das aus Kanban zum Beispiel oder Unternehmen, wenn man dann agil eine Software entwickelt. Die haben ja auch ihre großen Wände und da ist dann auch so ein bisschen Spaß mit eigenen Avataren und so weiter und so fort dabei. So blöd es auch klingen mag, dieses Analoge fristet natürlich ein Nischendasein. Aber durch das Haptische, durch das selbst bewegen –  es ist ja nicht nur ein Mausklick, sondern es ist ja wirklich, dass ich dann sehe, ich habe was gemacht und ich habe dann das eben an der Wand dann umgesteckt. Oder wie ich ja gerade eben schon gesagt habe, meine analoge Gamification mit denTeebeuteln … Soll man jetzt natürlich nicht ernst nehmen. Aber eine Visualisierung, die ich dann immer vor mir habe und idealerweise, wo ich keinen Rechner einschalten muss, wo ich nicht aufs Handy schauen muss, die ist genauso gut, wenn nicht vielleicht sogar besser, weil sie einfach schneller erfahrbar ist. Sie ist eingeschränkter in den Möglichkeiten. Klar, weil so eine coole Animation oder jetzt ein Leader Board was immer punktegenau funktioniert, kriege ich dadurch eher schwieriger hin. Aber für den kleinen Hausgebrauch ist das vollkommen ausreichend. Und warum nicht? Hauptsache man kommt vorwärts. Man hat vielleicht Spaß dabei. Man muss nicht immer bei Gamification Spaß haben, aber man hat sehr häufig Spaß dabei, und ich kriege ein Feedback über meinen Fortschritt.

[00:58:39] Doreen Siegfried:
Ja, super. Also das ist doch ein grandioses Ende mit, ich will nicht sagen Bastelanleitung zum Schluss, aber mit Tipps für analoge Alternativen. Gerade jetzt in dieser Coronazeit, wo wir alle sowieso den ganzen Tag am Rechner sitzen.

Ich bedanke mich, Athanasios. Vielen Dank auch an unsere Zuhörer und Zuhörerinnen. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Lassen Sie uns gerne Feedback da. Abonnieren Sie uns, lassen Sie Kommentare da. Wir sind zu finden auf iTunes, auf Spotify, überall wo man Podcasts findet. Und ich freue mich aufs nächste Mal.