Folge 13: Neue Modelle für den Publikationsmarkt
The Future is Open Science – Folge 13: Neue Modelle für den Publikationsmarkt
Dr. Doreen Siegfried
Leitung Marketing und Public Relations, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
Dr. Juliane Finger
Open Access Referentin, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
[0:00:03] Doreen Siegfried:
Willkommen bei „The Future is Open Science“, dem Podcast der ZBW. Hier verraten Ihnen interessante Menschen aus dem Wissenschaftsbetrieb, wie sie in ihrer täglichen Arbeit Open Science voranbringen. Wir tauchen ein in die Tiefen der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter und verraten Ihnen handfeste Tipps und Tricks zu Open Science in der Praxis. Ich bin Doreen Siegfried und freue mich sehr, Host dieses Podcast zu sein.
[00:00:33] Doreen Siegfried:
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „The Future is Open Science“, dem Podcast der ZBW. Wir reden heute über neue Geschäftsmodelle im wirtschaftswissenschaftlichen Publikationsmarkt und über Open Access. Und zwar mit Juliane Finger. Ich stelle einmal kurz unsere Gästin vor: Juliane Finger ist Psychologin und promovierte Kommunikationswissenschaftlerin. Sie hat mehrere Jahre bei Hamburg Open Science gearbeitet, an der Hafencity Universität Hamburg, und war dort, wie es der Name schon sagt, für Open Science zuständig und vor allem für die Implementierung von Open Access. Seit 2020, also seit einem guten Jahr, ist sie hier bei uns in der ZBW. Und zwar zuständig für das Projekt Open Library Economics oder auch kurz mit dem charmanten Titel OLEcon. Herzlich willkommen, Juliane Finger.
[00:01:33] Juliane Finger:
Hallo, ich freue mich, dass ich hier sein kann.
[00:01:35] Doreen Siegfried:
Hallo. Was fasziniert Sie an Open Access?
[00:01:40] Juliane Finger:
Ja, mein Interesse an Open Access kommt eigentlich aus meiner eigenen Forschungserfahrung, wo ich gemerkt habe, dass freier Zugang zu Literatur einfach essenziell für wissenschaftliches Arbeiten ist. Ich fand das so während meiner Doktorarbeit immer ganz frustrierend, wenn ich auf Bezahlschranken gestoßen bin, also einfach auf relevante aktuelle Artikel nicht zugreifen konnte. Dann kann man sich die natürlich irgendwie beschaffen, zum Beispiel über Fernleihe. Aber bis ich die dann hatte, wusste ich manchmal gar nicht mehr, wofür ich den Artikel eigentlich gebraucht habe.
[00:02:13] Doreen Siegfried:
Ja, ja.
[00:02:13] Juliane Finger:
Und insofern ist Open Access mir einfach auch ein sehr persönliches Anliegen. Also freier Zugang, freie Nachnutzung. Und ich finde es toll, dass ich an der ZBW dazu beitragen kann, diese Transformation, den Wandel hin zu mehr Open Access voranzubringen. Jetzt hier ja dann speziell für die Wirtschaftswissenschaften.
[00:02:36] Doreen Siegfried:
Ja, wunderbar. Diese ganze Open Access-Transformation oder die Open Access- Bewegung, die gibt es ja schon seit ein paar Tagen. Gibt es denn noch Stellschrauben, an denen in der letzten Zeit noch niemand gedreht hat? Also gibt es noch Möglichkeiten, was zu verändern im Wissenschaftssystem?
[00:02:56] Juliane Finger:
Möglichkeiten zur Veränderung gibt es ja immer und das System ist ja einfach in einem konstanten Wandel. Also wenn wir zum Beispiel von Kulturwandel reden beim wissenschaftlichen Publizieren, dann sehen wir das auch. Ohne dass irgendwer was machen würde, würde es ja immer Wandel geben. Wir haben grad bei Open Access natürlich viel Bewegung in den letzten Jahren, aber aus meiner Sicht ist noch zu wenig getan worden für nicht kommerzielle Initiativen und verlagsunabhängigen Open Access.
[00:03:31] Doreen Siegfried:
Ich hatte Sie ja anmoderiert, dass Sie zuständig sind auch für das Projekt Open Library Economics. Was ist das eigentlich? Was kann man sich darunter verstehen? Das ist ja sozusagen noch ganz frisch, also noch nicht allen Leuten bekannt, die heute hier zuhören. Vielleicht können Sie das mal kurz erklären.
[00:03:51] Juliane Finger:
Ja, also mit der Open Library Economics wollen wir im Endeffekt diese Lücke aufgreifen und eine nicht kommerzielle Plattform für die scholar-led Open Access Zeitschriften bieten. Also Zeitschriften, die verlagsunabhängig sind oder das sein möchten und die wissenschaftsgeleitet sind. Und ja, wir bieten denen dann eben eine Förderung an und haben uns das tatsächlich auch nicht ganz von neuem ausgedacht, sondern der Name lehnt sich auch ein bisschen an an die Open Library Humanities.
[00:04:29] Doreen Siegfried:
Ah ja.
[00:04:29] Juliane Finger:
Das ist tatsächlich eine Initiative in den Geisteswissenschaften, die eben auch scholar-led Open Access Journals, eben geisteswissenschaftliche Journals, unterstützt.
[00:04:40] Doreen Siegfried:
Okay.
[00:04:41] Juliane Finger:
Es ist natürlich ein bisschen was anderes, weil der geisteswissenschaftliche Publikationsmarkt sich ja doch von dem wirtschaftswissenschaftlichen unterscheidet.
[00:04:50] Doreen Siegfried:
Okay. Wer jetzt hier von unseren Zuhörerinnen und Zuhörern Herausgeber:in ist einer wirtschaftswissenschaftlichen Fachzeitschrift bitte einmal die Ohren gespitzt. Was ich mich natürlich frage, warum sollten beispielsweise Herausgeberinnen, Herausgeber ihre Zeitschriften unabhängig machen wollen von kommerziellen Verlagen und im Open Access betreiben wollen? Gibt es Probleme mit den Verlagen? Also warum sollten sie das tun?
[00:05:21] Juliane Finger:
Ja, es gibt jetzt es nicht grundsätzlich ein Problem mit den Verlagen. Also an der ZBW arbeiten wir ja auch mit Verlagen zusammen, auch für Open Access im Übrigen. Aber was tatsächlich ein bisschen ein Problem ist, sind Monopole gerade von großen Wissenschaftsverlagen, die, da sehen wir, es gibt so drei große Wissenschaftsverlage Wiley, Springer und Elsevier, die auf sich so in etwa 50 Prozent des Outputs an wissenschaftlichen Artikeln in Zeitschriften vereinen. Und ich denke, keinem Wirtschaftswissenschaftler muss man erklären, warum Monopole ein Problem sind oder Monopolstellungen. Die können dann natürlich die Preise diktieren. Sei es im klassischen Publikationssystem, wo dann eben Bibliotheken über Subskriptionen diese Zeitschriften oder den Zugang zu Zeitschriften und damit Forschungsergebnissen bezahlen müssen, oder sei es auch unter der Open Access-Transformation. Da haben natürlich auch die großen Verlage das schon erkannt für sich als ein Geschäftsfeld.
[00:06:34] Doreen Siegfried:
Ja okay. Vielleicht können wir da noch mal ein bisschen näher einsteigen in diesen ganzen Publikationsmarkt und diesen Wandel und so weiter. Sie hatten jetzt gerade gesagt, 50 Prozent des Outputs läuft über drei Verlage. Hat sich das dann, ist das jetzt sozusagen das Maximum? Ist das, hat sich das vergrößert der Anteil oder wie entwickelt sich der Publikationsmarkt momentan?
[00:07:00] Juliane Finger:
Also bei dem Wandel sehen wir schon, dass die Open Access-Transformation, also der Wechsel hin zu mehr Open Access, eigentlich nicht mehr aufzuhalten ist, weil auch das wissenschaftspolitisch gefordert und gefördert wird. Also, wir sehen auch, dass die großen Forschungsförderer hier Open Access einfordern von ihren Mittelempfängern, also den Personen, den Forschenden, die ihre Projekte über die Forschungsförderer finanzieren. Dadurch gibt es natürlich einen Druck zur Umstellung auf Open Access, auf wissenschaftliche Verlage und auch für große wissenschaftliche Verlage. Und mit diesen großen Verlagen Wiley und Springer gibt es ja tatsächlich schon Transformationsverträge. Das heißt, dass hier die, ja im Endeffekt, die Bezahlung der Kosten darauf umgestellt werden, dass es eben nicht mehr über solche Subskriptionen läuft, jede einzelne Bibliothek zahlt, also wie so ein Abo, wie man selber vielleicht zu Hause so ein Spiegel-Abo hat, hat die Bibliothek dann ein Abo von bestimmten Zeitschriften. Und die Umstellung ist jetzt, dass nicht mehr für dieses Abo gezahlt wird, sondern dass es darauf hingearbeitet wird, dass eben für die Publikation gezahlt wird. Und zwar nur einmal durch die Institution, wo der jeweilige Autor oder Autorin angesiedelt ist.
[00:08:34] Doreen Siegfried:
Hm, okay.
[00:08:36] Juliane Finger:
Das ist ja erstmal nicht schlecht, wenn wir sehen, dass diese Verträge mit großen Verlagen ja dann auch einen großen Teil von dem Output an Forschung an wissenschaftlichen Artikeln abdecken. Also das ist ja durchaus ein Baustein für eine Open Access Transformation. Aber dem entgegenstellend könnte man natürlich auch sagen, wir müssen es ja nicht in der Hände der Verlage lassen, sondern Wissenschaft könnte von und für die Wissenschaft gemacht werden. Und wenn man solche Wissenschaft nicht wissenschaftsgeleiteten Zeitschriften hat, können ja auch Herausgeber unabhängig über die Belange der Zeitschrift entscheiden, in die sie auch sehr viel Arbeit stecken. Und die Entscheidungen werden nicht von dem Verlag mehr getroffen.
[00:09:24] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Und ich glaube, das ist, das ist ja so der spannende Teil. Wir wollten uns heute auch über alternative Geschäftsmodelle unterhalten. Also dieses Modell, es gibt einen Verlag und es gibt die Wissenschaft und so weiter, das ist ja momentan gängige Praxis und das ist ja auch schon seit vielen Jahren gängige Praxis. Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass das genau auch aufgrund dieser Monopolstellung, die Sie erwähnt haben, durchaus kritisch gesehen wird und man eher so in die Richtung denkt community based. Dann aber letztlich oft so ein bisschen die Fantasie fehlt oder auch Möglichkeiten fehlen, das mal auszutesten oder das mal auszuprobieren. Und was mich jetzt noch mal interessieren würde, diese Open Library Economics. Also wie genau funktioniert dieses Modell? Vielleicht können Sie das mal beschreiben.
[00:10:21] Juliane Finger:
Genau, unser Modell oder die Idee hinter der Open Library Economics ist es eben zum Ersten, dass wir diesen verlagsunabhängigen Open Access, nicht kommerziellen Open Access unterstützen wollen. Und zum anderen auch, was ganz wichtig ist, dass wir hier Open Access-Publikationsorte schaffen oder unterstützen wollen, die keine Autorengebühren verlangen.
[00:10:46] Doreen Siegfried:
Ah ja, okay.
[00:10:49] Juliane Finger:
Das heißt, häufig ist es derzeit noch so, dass sich Open Access – irgendwo muss das Geld für die Publikation ja herkommen. Es gibt Kosten bei der Publikation von Artikeln, auch wenn die nur online stehen und nicht mehr quasi als gedruckte Ausgabe versendet werden. Die müssen ja irgendwie gedeckt werden. Und häufig ist das jetzt noch so, dass dann das über die Gebühren für die Autor:innen finanziert wird. Und die werden dann zum Teil, können die über die Institution finanziert werden. Also sagen wir mal die Uni, wo Forschende beschäftigt sind, aber es ist einfach eine Hürde zur Publikation. Nicht alle können sich das leisten, nicht jeder hat vielleicht eine zahlungskräftige Institution oder eine Institution mit einem speziellen Topf für Open Access-Publikationsgebühren im Hintergrund und so entstehen halt auch neue Ungleichheiten. Also Elena Šimukovič hat das mal während eines Vortrags so ausgedrückt, dass fand ich ganz toll, jetzt ist es nicht mehr pay to read, also bezahlen, um was lesen zu können sondern pay to say. Also wer eine Stimme haben will, muss dann Geld hinter sich haben.
[00:12:09] Doreen Siegfried:
Wie viel ist das so im Durchschnitt diese Autorengebühren?
[00:12:13] Juliane Finger:
Also so im Schnitt so, ja, anderthalb bis 2.000 Euro ist so ein Mittelwert. Es gibt natürlich sehr viel Günstigere, aber es gibt auch sehr viel teurere Publikationsgebühren.
[00:12:31] Doreen Siegfried:
Okay, okay. Das heißt, momentan sieht es so aus, wer was sagen möchte, wer einen Artikel verfassen, herausgeben möchte und wer auch die Open Access-Vorteile für sich haben möchte, nämlich, dass es einfach viele Leute lesen, muss im Schnitt einfach mal so zwei bis dreitausend Euro auf den Tisch legen bzw. die Organisation, die dahintersteht. Ja.
[00:12:54] Juliane Finger:
Genau. Oder man muss halt an einer Organisation beschäftigt sein, die so einen, wie zum Beispiel in Deutschland, einen DEAL-Vertrag hat mit einem der Wissenschaftsverlage. Aber auch das produziert natürlich wieder neue Ungleichheiten.
[00:13:09] Doreen Siegfried:
Wie können denn Herausgeber:innen von wirtschaftswissenschaftlichen Fachzeitschriften jetzt für sich ganz konkret diese Transformation weg vom kommerziellen Verlag, hin zu einem Modell ohne Autorengebühren, wie können die das denn für sich selbst organisieren? Und wo kommt dann das Geld her? Also das wird ja immer noch gebraucht.
[00:13:32] Juliane Finger:
Also bei uns ist das so, bei der Open Library Economics ist es so, dass wir erst mal eine Übergangsfinanzierung denen bieten. Das sind bei uns Mittel für dieses Pilotprojekt, die die Fachzeitschriften bekommen für eine Umstellung auf Open Access. Aber – und das ist auch noch mal eine Besonderheit der Open Library Economics – auch für Zeitschriften, die schon Open Access sind und eben im Open Access gehalten werden sollen.
[00:14:01] Doreen Siegfried:
Okay. Ja, okay. Und was haben die Herausgeber für Vorteile davon?
[00:14:08] Juliane Finger:
Also, der Vorteil jetzt zu Open Library Economics zu wechseln ist, dass man hier ja eben Unterstützung bekommt, bei einem Wechsel oder einer Umstellung des Geschäftsmodells auf einer langfristigen Planung. Wir bieten eben diese Finanzierung, aber auch Beratung während des gesamten Umstellungsprozesses und sofern das gewünscht oder nötig ist, auch eine einheitliche technische Infrastruktur für die Zeitschriften, das sogenannte Journal Hosting. Das bieten wir zusammen mit einem Kooperationspartner an. Auch einer Leibniz Einrichtung, der TIB in Hannover, die hier das Angebot TIB Open Publishing macht, auch ein nichtkommerzielles Angebot für Journal Hosting.
[00:14:56] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Vielleicht noch mal eine Frage zu dieser ganzen Finanzierung. Also, Sie haben gesagt, es wird durch das Projekt Open Library Economics eine Anschubfinanzierung ermöglicht. Aber wie geht es danach weiter? Wie kann ich danach irgendwie mein Journal auf feste Füße stellen?
[00:15:17] Juliane Finger:
Ja, das ist wirklich ein wichtiger Punkt, den wir auch gleich zu Beginn mitgedacht haben. Denn nur eine Projektfinanzierung greift hier natürlich zu kurz. Unsere Gedanken hierzu sind so, dass wir ein als nachhaltiges Modell ein Finanzierungsmodell wählen wollen, was auf eine sogenannte konsortiale Finanzierung aufbaut. Das heißt, man hat ein Bibliothekskonsortium bzw. baut dieses auf, wo die Bibliotheken quasi im Zusammenschluss dann die OLEcon-Zeitschriften finanzieren.
[00:15:57] Doreen Siegfried:
Ah ja, okay, alles klar. Und wie viele Möglichkeiten, also Sie haben ja gesagt, es geht auch darum, sich vom Verlag unabhängig zu machen: wie viele Möglichkeiten gibt es denn für Herausgeberinnen und Herausgeber sich unabhängig zu machen? Gibt’s da nur so zwei, drei? Oder gibt es da tatsächlich so ein riesen Kontinuum, wo ich eine ganz große Klaviatur an Möglichkeiten habe?
[00:16:14] Juliane Finger:
Mit der Open Library Economics ist es so, dass wir den Zeitschriften sowohl die Möglichkeit geben, sich vollständig vom Verlag zu lösen, weil wir ja auch diese technische Infrastruktur anbieten, so dass die Zeitschriften auch quasi mit ihrem Redaktionssystem und allem umziehen können. Es gibt aber auch die Möglichkeit, zum Teil beim Verlag zu verbleiben und den Verlag quasi dann nur als Dienstleister für diese Onlineveröffentlichung des Journals zu nutzen.
[00:16:59] Doreen Siegfried:
Na ja, okay. Das ist doch interessant. Und mit welchen Kosten müssen die Herausgeber:innen rechnen?
[00:17:07] Juliane Finger:
Am Anfang kann man sagen, dass gerade bei dem Wechsel des Modells, von meinetwegen bisher finanziert sich das über diese Bibliotheks-Abos auf Open Access, man natürlich einen gewissen Aufwand hat. Also, wenn man jetzt die Zeitschrift umziehen muss auf ein anderes System. Hier finanzieren wir durch OLEcon bis zu einer Höchstsumme von 30.000 Euro. Wollen aber natürlich auch, dass die Zeitschriften dabei einen Eigenanteil leisten. Und das kann dann so was sein, was viele bei vielen Zeitschriften eh schon der Fall ist, dass sie meinetwegen als Herausgeber:innen bei einer Institution angestellt sind und als Teil ihrer Stelle eben auch diese Herausgeberschaftsarbeit an der Zeitschrift machen.
[00:18:05] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Klasse. Spannend. Ich hatte ja auch gesagt, also OLECon selber, also Sie selbst sind seit 2020 im Haus, OLEcon selbst ist Anfang 2021 angelaufen, also wirklich noch, das sind jetzt hier so die ersten Steps, die dieser Service oder dieses Projekt macht. Was sind denn so die häufigsten Fragen in Ihren Gesprächen mit den Herausgeber:innen?
[00:18:37] Juliane Finger:
Ja, also sehr häufig bewegt die Herausgeber:innen tatsächlich, wie genau das funktioniert und was auf sie zukommt, wenn sie vom Verlag tatsächlich weggehen. Also, das ist natürlich ein Schritt, der, muss man auch sagen, nicht unbedingt so ganz leichtfällt. Also, es ist eine gewisse Hürde, so eine Umstellung zu machen. Und da versuchen wir eben den Herausgeber:innen auch zu zeigen, dass wir mit ihnen diese Hürde nehmen. Also, wir bieten ja auch diese Beratung beim Umstellungsprozess eben an, um das den Herausgeber:innen hier so leicht wie möglich zu machen. Und man muss auch sehen, dass die Belohnung am Ende ja dann ist, dass man verlagsunabhängig diesen Open Access ohne Gebühren anbieten kann.
[00:19:34] Doreen Siegfried:
Ja.
[00:19:34] Juliane Finger:
Was einfach eine Zeitschrift, eine wissenschaftliche Zeitschrift, ja auch sehr viel attraktiver für Autorinnen macht. Das muss man ja auch sehen.
[00:19:43] Doreen Siegfried:
Hm, ja.
[00:19:44] Juliane Finger:
Ja und eine weitere Frage ist das, was wir eben auch schon angesprochen hatten, eben diese langfristige Finanzierung. Also wie hoch ist das Risiko? Was passiert langfristig, weil natürlich alle auch immer direkt sehen: Okay, es gibt hier eine Übergangsfinanzierung und was ist dann danach?
[00:20:02] Doreen Siegfried:
Na ja, klar, das ist die Frage, die liegt so ein bisschen auf der Straße. Man sagt „Okay, jetzt bin ich rausgegangen, jetzt habe ich mich getraut und huch, jetzt ist es aber kalt und windig. Was mache ich denn jetzt?“ Wenn jetzt tatsächlich nach den ersten Beratungsgesprächen jemand jetzt für sich entschieden hat, „okay, ja, ich gehe jetzt mit OLEcon weg von meinem Verlag.“ Was passiert dann als nächstes ganz konkret?
[00:20:29] Juliane Finger:
Ja, wir haben jetzt eine erste Förderrunde, wo wir bis zu fünf Zeitschriften fördern können und die müssen sich tatsächlich bei uns bewerben, das läuft formal über ein so genanntes Vergabeverfahren, wo wir dann nach transparenten Qualitätskriterien darüber entscheiden, wer gefördert wird.
[00:20:50] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Das heißt, wann muss man, bis wann muss man da was eingereicht haben? Gibt’s da eine Deadline?
[00:20:57] Juliane Finger:
Die Ausschreibung?
[00:20:57] Doreen Siegfried:
Ja.
[00:20:58] Juliane Finger:
Die Ausschreibung wird jetzt im Herbst veröffentlicht werden. Und dann gibt es da auch tatsächlich ganz formal festgelegte Fristen, innerhalb derer man dann einreicht, Sachen einreichen muss, die aber auch hier transparent dann auf der jeweiligen Plattform natürlich stehen und die wir dann auch dementsprechend kommunizieren an die Herausgeber:innen.
[00:21:25] Doreen Siegfried:
Okay, also an alle Leute da draußen, die eine Fachzeitschrift haben, die sie mal grundsätzlich aufräumen wollen: Es gibt Geld, das kann man ja schon mal laut sagen.
[00:21:34] [beide lachen]
[00:21:36] Doreen Siegfried:
Welche Änderungen gibt es denn im konkreten Redaktionsablauf? Also hat sozusagen der Wechsel in diese, in dieses OLEcon-Projekt oder in diese Loslösung auch konkrete, also führt das zu konkreten Veränderungen in meinem Redaktionsalltag? Wie sieht das da aus?
[00:21:57] Juliane Finger:
Ja, es gibt ja wie gesagt die Möglichkeit, beim bisherigen System zu bleiben. Also zum Beispiel gibt es ja durchaus Zeitschriften, also Open Access Zeitschriften, die über die Bibliothek ihrer Institutionen ihre Reaktionsabläufe organisieren. Und da ist natürlich auch die Möglichkeit dabeizubleiben und wir übernehmen quasi Finanzierung und Beratung. Und bei dem Angebot des Journal Hostings, also dieser technischen Infrastruktur bei unserem Kooperationspartner, ist es tatsächlich so, dass dann der gesamte Publikationsprozess umzieht auf das neue System. Das ist Open Journal Systems, eine Open Source Software. Aber hier gibt es ja auch dann Hilfe bei der Implementierung und auch laufenden Support von uns, von der ZBW, aber auch vom Kooperationspartner TIB.
[00:22:55] Doreen Siegfried:
Okay, das heißt, es gibt ein Team von Beratung und Unterstützung, dass das dann auch sozusagen prozessbegleitend die ganze Zeit dabei ist.
[00:23:08] Juliane Finger:
Genau.
[00:23:09] Doreen Siegfried:
Ja, okay, verstehe. Mal angenommen, oder wir gehen mal natürlich davon aus, dass es erfolgreich funktioniert, dass sich in der Förderrunde, in der ersten Förderrunde fünf ganz interessante Fachzeitschriften trauen, tatsächlich diesen Transformationsschritt zu gehen. Ist dann dieses Modell auch übertragbar auf andere Fachdisziplinen? Also jetzt mal außerhalb der Wirtschaftsforschung?
[00:23:37] Juliane Finger:
Hm, mit Sicherheit, denn wie ich ganz am Anfang gesagt habe, wir haben ja auch Teile von anderen Initiativen hier für unser Pilotprojekt abgeguckt und sind auch laufend in Austausch mit anderen, die ähnliche Projekte, zum Beispiel in anderen Disziplinen, wie eben Geisteswissenschaften, machen. Natürlich muss man disziplinspezifisch sich immer ein bisschen die Besonderheiten in der Publikationskultur anschauen. Es ist nicht so, dass ein Schuh dann jedem Fach passt, sondern man muss den dann doch noch ein bisschen zuschneidern.
[00:24:11] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Mal angenommen, wir hatten ja gesagt, wir gehen davon aus, dass das Ganze erfolgreich ist. Was ist denn für Sie Erfolg in diesem Zusammenhang? Wann würden Sie die erste Sektflasche aufmachen?
[00:24:26] [beide lachen]
[00:24:28] Juliane Finger:
Ja, Erfolg wäre für mich dann, wenn wir hier dann wissenschaftsgeleitete Zeitschriften haben als Partner, mit denen wir diese Umstellung auf Diamant Open Access verwirklichen und die dann auch langfristig Open Access bleiben können.
[00:24:43] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Und Diamant heißt Open Access ohne Autorengebühr?
[00:24:47] Juliane Finger:
Genau.
[00:24:47] Doreen Siegfried:
Okay, alles klar. Und bei operativen Fragen – also Sie hatten ja schon die TIB erwähnt – mit wem tauschen Sie sich da aus hinsichtlich operativer Fragen? Haben Sie da so ein Netzwerk an Partnern?
[00:25:03] Juliane Finger:
Ja, wir haben uns tatsächlich auch mit anderen ähnlichen Projekten ausgetauscht, sowohl in Deutschland als auch international. Außerdem bin ich auch noch Mitglied bei dem sogenannten scholar-led.network. Das ist ein Zusammenschluss von Personen, zum einen aus Bibliotheken, aber auch vielen Forschenden, die eben solche wissenschaftsgeleiteten Zeitschriften herausgeben. Und bei dem Netzwerk geht es auch darum, hier sich zu vernetzen, klar, beim Netzwerk, aber auch Strategien und Ideen gemeinsam zu erarbeiten. Für solche scholar-led oder wissenschaftsgeleiteten Zeitschriften.
[00:25:45] Doreen Siegfried:
Ja, okay. weil das, das ist ja tatsächlich wirklich ein Riesenschritt weg von den kommerziellen Anbietern, von der Wissenschaft für die Wissenschaft. Das kann ich mir gut vorstellen. OLEcon bezieht sich ja sozusagen auf den deutschen Publikationsmarkt. Wäre das dann skalierbar auch für den europäischen oder sogar internationalen Publikationsmarkt?
[00:26:10] Juliane Finger:
Ja, das denke ich auf jeden Fall. Also das sehen wir auch bei unserem quasi Referenzprojekt der Open Library of Humanities. Das ist ja nicht nur national, sondern ist international und hat dann quasi nur einen deutschen Ableger, der diese Open Library Humanities in Deutschland noch stärker vorantreiben soll. Und dementsprechend würde ich gerade aufgrund der gesamten Internationalisierung sowieso jetzt das schon sehen, dass man das ja nicht immer alles ganz klar auf nur aus Deutschland kommend abgrenzen kann. Also wenn Zeitschriften z.B. auch in gemeinsamer Herausgeberschaft von in Deutschland angesiedelten Forschenden, aber auch in den USA oder England beheimateten Forschenden stattfinden.
[00:27:05] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Vielleicht noch eine Frage. Wir hatten ja schon gefragt, was Erfolg ist, was würde Sie denn, also ich meine, Sie sind ja jetzt schon ein paar Jahre in dieser Open Access-Transformationswelt unterwegs. Was müsste denn idealerweise passieren, dass Sie, dass Sie nicht nur mit OLEcon sondern generell mit der Open, mit der Open Access-Transformation glücklich sind? Also müssten alle Journals Diamant Open Access sein, wäre das sozusagen das oberste Ziel oder was ist so Ihre große Vision am Ende des Horizontes?
[00:27:42] Juliane Finger:
Ja, sicherlich müssen nicht alle Journals Diamant Open Access sein. Ich denke, es gibt immer verschiedene Wege zu Open Access, aber was ich sehr wichtig finde ist, dass wir eine Diversität im Publikationssystem haben, Weite haben und auch mehr Diversität, was die Wege, ja Geschäftsmodelle und Hintergründe ja bei Open Access-Zeitschriften angeht. Also, dass wir nicht nur die drei großen Verlage haben, am Ende, die Open Access-Optionen anbieten, sondern auch kleine Verlage, auch wissenschaftsgeleitete Zeitschriften, macht diese Bibliodiversität.
[00:28:21] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Super. Letzte Frage: wenn jetzt hier unter unseren Hörerinnen und Hörern Menschen jetzt für sich sagen, „okay, Open Access Diamond, Open Access vom Verlag unabhängig werden, neue Geschäftsmodelle ausprobieren, finde ich alles klasse“, was wären denn so Ihre drei Tipps und Tricks rund um das Thema Publizieren im Open Access?
[00:28:48] Juliane Finger:
Ja, also jetzt nicht für die Herausgeber:innen, sondern für die Forschenden generell?
[00:28:54] Doreen Siegfried:
Ja, zum Beispiel. Die meisten sind ja eher Forscher, Forscherin, als Herausgeber.
[00:28:59] Juliane Finger:
Ja, ich denke, dass man als Publizierender, Autor, Autorin auch die eigene Macht vielleicht nicht unterschätzen sollte, das man natürlich entscheiden kann, wo man publiziert. Klar, es ist so, ich weiß es auch aus meiner eigenen Beratungspraxis an der Hafencity Universität, wo ich vorher viele Forschende beraten habe zum Open Access publizieren, Nachwuchsforschende, zum Beispiel, sind unter Druck, in bestimmten Publikationsorten zu publizieren, hochgerankten Journals. Und das sind dann vielleicht keine Open Access Journals. Aber auch da, wenn Artikelgebühren zum Beispiel verlangt werden, ist die Erfahrung aus vielen Bibliotheken zum Beispiel, dass man auch Rabatte verhandeln kann. Also nicht alles einfach mal so akzeptieren, was einem vorgesetzt wird, sondern durchaus auch mal infrage stellen. Und letzter Tipp, dass man gerade wenn man zum Beispiel jetzt sagt, „Ich muss unbedingt in Zeitschrift XY publizieren, die ist nicht Open Access. Ich würde aber gerne eigentlich auch Open Access für meine Forschung haben“, denn Open Access heißt ja auch mehr Sichtbarkeit, dann kann man sich ja auch mal mit dem Thema Zweitveröffentlichungsrecht oder Zweitveröffentlichung beschäftigen. Das heißt, als Forschende veröffentlicht man dann erst in Zeitschriften X, die ist, sagen wir mal, klassisch hinter einer Bezahlschranke, aber man sichert sich dann im Verlagsvertrag das Recht, möglichst zeitnah zur Publikation, am besten in einem Repositorium, das Werk, den eigenen Artikel nochmal zweit zu veröffentlichen.
[00:30:40] Doreen Siegfried:
Okay, und wer da nicht ganz genau weiß, wie geht das? Also es ist ja immer eine Möglichkeit, sich selbst schlau zu machen und sich in dieses ganze Thema Zweitveröffentlichung einzuarbeiten. Wer das nicht möchte, kann sich aber auch irgendwie beraten lassen, ne? Also ich glaube, die meisten Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen haben ja irgendwie Open Access-Beauftragte, Open Access-Experten, die da Hilfestellung leisten können. Oder wie ist da Ihre Erfahrung?
[00:31:12] Juliane Finger:
Ja, also hier sind eigentlich die Bibliotheken immer die besten Ansprechpartner, weil die sich hier mit Zweitveröffentlichungsrecht sehr gut auskennen.
[00:31:23] Doreen Siegfried:
Ja, okay. Und wenn gar nichts weiterhilft, dann einfach hier bei uns melden.
[00:31:27] Juliane Finger:
Genau.
[00:31:28] Doreen Siegfried:
Juliane Finger und Team helfen gerne weiter. Nicht nur, wenn es um Herausgeber:innen geht. Aber da natürlich vor allem.
Ja, vielen Dank, das war super interessant. Vielen Dank auch da draußen. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Abonnieren Sie uns fleißig überall da, wo man Podcasts findet, auf iTunes, auf Spotify. Lassen Sie uns gerne Feedback da und ich freue mich aufs nächste Mal.