Folge 09: Veröffentlichen in Fachzeitschriften

The Future is Open Science – Folge 9: Veröffentlichen in Fachzeitschriften

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Hinweis: Diese Folge wurde bereits im August 2020 aufgezeichnet.

Dr. Doreen Siegfried
Leitung Marketing und Public Relations, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Ralf Toepfer
Wissenschaftlicher Referent, ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

[00:00:03-0] Doreen Siegfried: 
Willkommen bei „The Future is Open Science“, dem Podcast der ZBW. Hier verraten Ihnen interessante Menschen aus dem Wissenschaftsbetrieb, wie sie in ihrer täglichen Arbeit Open Science voranbringen. Wir tauchen ein, in die Tiefen der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter und verraten Ihnen handfeste Tipps und Tricks zu Open Science in der Praxis. Ich bin Doreen Siegfried und freue mich sehr, Host dieses Podcast sein.

[00:00:32-8] Doreen Siegfried: 
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „The Future is Open Science“, dem Podcast der ZBW. Ich freue mich sehr, dass Sie eingeschaltet haben. Und auf dieses Interview hier habe ich mich heute besonders gefreut, denn ich sitze seit langer Zeit mal wieder hier in unserem schönen ZBW-Gebäude in Hamburg. Und zwar zusammen mit Ralf Toepfer. Wir reden heute über den deutschen Publikationsoutput von Wirtschaftswissenschaftlern und Wirtschaftswissenschaftlerinnen, über die Rolle von Verlagen und über Lieblingszeitschriften von Ökonominnen und Ökonomen. Willkommen Ralf! Hallo!

[00:01:11-7] Ralf Toepfer:
Hallo Doreen. Nett, dich mal wieder zu sehen.

[00:01:14-5] Doreen Siegfried: 
Ich stelle einmal kurz unseren Gast vor. Ralf Toepfer ist Projektmanager im Kontext wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsdaten, Sozialökonom, wissenschaftlicher Referent in der ZBW mit Fokus auf Forschungsdaten, Open Access und retrospektive Digitalisierung.

[00:01:31-7] Ralf Toepfer:
Ja, so ungefähr.

[00:01:33-2] Doreen Siegfried: 
[lacht] Habe ich das korrekt dargestellt?

[00:01:33-1] Ralf Toepfer:
Retrospektive Digitalisierung mache ich ehrlich gesagt nicht mehr. Aber hab‘ ich mal gemacht, ja.

[00:01:37-4] Doreen Siegfried: 
Okay, alles klar. Ralf, ihr habt eine statistische Auswertung des Publikationsoutputs von Wirtschaftswissenschaftlern, Wirtschaftswissenschaftlerinnen in Deutschland gemacht. Was war hier die Datenbasis?

[00:01:49-1] Ralf Toepfer:
Die Datenbasis war Scopus, das ist eine Datenbank von Elsevier, wo Nachweise, ja,  Titelnachweise drin sind von Veröffentlichungen. Und da haben wir also einen Ausschnitt gebildet, weil uns interessierte, welche Forscherinnen und Forscher, aber insbesondere eigentlich welche Institute, in welchen Zeitschriften, von welchen Verlagen, was veröffentlichen.

[00:02:12-9] Doreen Siegfried: 
Ja, okay. Und was kam raus, was waren die Ergebnisse?

[00:02:16-7] Ralf Toepfer:
Die Ergebnisse waren relativ vielfältig. Es kam aber auch nicht so ganz überraschend. Man hat relativ, man hat einige starke, also publikationsoutputstarke Institute, die einen Großteil der Publikationen veröffentlicht haben. Die meisten Veröffentlichungen sind von Zeitschriften von Verlagen der sogenannten großen Drei, also von Elsevier, Springer, Nature und Wiley. Ja, so ungefähr. Also die Ergebnisse haben uns nicht groß überrascht. Aber es war auch nicht der Hauptgrund. Wir wollten halt vor allen Dingen mal ein bisschen empirische Evidenz haben vor dem Hintergrund der Open Access-Transformation. Also, dass wir einfach mal wissen, wie sieht es denn wirklich aus und nicht nur immer auf Bauchgefühl oder anekdotische Evidenz setzen müssen.

[00:03:10-8] Doreen Siegfried: 
Okay. Also, das heißt diese vier Verlage, die du gerade genannt hast, liegen sozusagen vorne bei den Zeitschriften?

[00:03:17-6] Ralf Toepfer:
Ja, genau, die liegen vorne, also die vereinigen so etwa 60 Prozent des Publikationsoutputs auf sich. Also von dem Zeitraum, den wir untersucht haben. Das war 2014 bis 2017. Genau.

[00:03:32-7] Doreen Siegfried: 
Okay, und welches sind die publikationsstarken Institutionen?

[00:03:36-9] Ralf Toepfer:
Man kann ein bisschen differenzieren. Ich möchte erst mal sagen, so Gesamtoutput, weil wir haben jetzt auch noch VWL und BWL differenziert betrachtet. Wenn man jetzt mal über alles guckt, dann beträgt der Publikationsoutput der 25 stärksten Institute, etwa 50 Prozent der Veröffentlichungen. Das heißt, es gibt einige, einige große oder einige sehr publikationsstarke und eine ganze Menge kleine, so ein typischer Long Tail. Und die Institute, die hier ganz vorne waren, waren die LMU München, das IZA, also Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, die Uni Göttingen, Uni Köln, Uni Erlangen-Nürnberg, TU München, Uni Hamburg, aber auch das ifo Institut und weitere. Wenn man das jetzt noch einmal differenziert zwischen BWL und VWL, dann kommen sozusagen die, die in der VWL, die Leibniz Wirtschaftsforschungsinstitute mit deren Output relativ weit vorn nach vorne. An der Uni wird eher, also, wird mehr BWL gemacht, im Verhältnis und bei den Wirtschaftsforschungsinstituten halt vor allem VWL und die sind natürlich sehr publikationsstark.

[00:04:42-6] Doreen Siegfried: 
Okay. Und euch ging es ja vor allem auch um den Open Access-Anteil. Wie hoch ist der, kannst du den beziffern?

#00:04:50-2] Ralf Toepfer:
Ja, also, ich kann das auf unseren Datensatz beziffern. Da beträgt der Open Access-Anteil so 25 Prozent.

[00:04:56-3] Doreen Siegfried: 
Ja.

[00:04:58-4] Ralf Toepfer:
Das deckt sich, glaube ich, ziemlich gut mit anderen Untersuchungen. Also es dürfte immer so um die, ich würde mich da jetzt nicht irgendwie auf fünf Prozent festlegen, aber zwischen 20 und 30 Prozent sollte das irgendwo liegen.

[00:05:10-8] Doreen Siegfried: 
Ja, okay.

[00:05:13-8] Ralf Toepfer:
Das ist schon nicht schlecht, aber es ist natürlich auch noch nicht das, was wir eigentlich wollen.

[00:05:17-2] Doreen Siegfried: 
Und wir hatten ja über die großen Verlage Elsevier, Springer, Wiley und so weiter gesprochen. Welche Verlage abseits der großen Drei sind noch in Deutschland relevant?

[00:05:29-4] Ralf Toepfer:
Ja, es gibt relativ viele relevante Verlage und für die Wirtschaftswissenschaften relevant sind noch Taylor & Francis, Emerald, Sage, aber auch die University Presses. Also Oxford University Press, Cambridge University Press, auch ein paar andere Verlage wie De Gruyter oder so.

[00:05:51-4] Doreen Siegfried: 
Ja, okay, alles klar. Und jetzt hast du ja sozusagen kurz skizziert. Was macht ihr jetzt mit den Ergebnissen?

[00:06:01-6] Ralf Toepfer:
Was machen wir jetzt mit den Ergebnissen?

[00:06:03-8] Doreen Siegfried: 
Ja. [lacht]

[00:06:03-8] Ralf Toepfer:
Die nehmen wir als eine zusätzliche Information, um mit den Verlagen zu verhandeln, um weg von dem Subskriptionsmodell zu kommen, hin zu mehr Open Access. Das heißt, wir versuchen, schlicht das, was man unter Open Access-Transformationen im Moment so handelt, in die Tat umzusetzen. Das heißt weg vom Subskriptionsmodell also, dass man fürs Lesen bezahlen muss, hin zu einem Open Access Modell, dass man sozusagen die Texte alle frei lesen kann.

[00:06:37-3] Doreen Siegfried: 
Okay und wie muss ich mir das konkret vorstellen? Wenn du jetzt sagst, okay, wir wissen jetzt, dass, nehmen wir mal an, Taylor & Francis eine Rolle spielt, jetzt nur mal rausgegriffen, und dass der Open Access-Anteil bei 25 Prozent ist, also wie geht ihr da jetzt in die Verhandlung? Wie läuft das genau?

[00:06:55-4] Ralf Toepfer:
Verhandelt wird sozusagen, welche Zeitschriften wollen wir haben, also welche sind relevant. Und erst mal müssen wir wissen, ja okay, dieser Verlag ist relevant, das haben wir herausgekriegt. Haben wir schon vorher gedacht, aber haben wir jetzt noch einmal rausgekriegt.

[00:07:08-3] Doreen Siegfried: 
Okay, check.

[00:07:08-3] Ralf Toepfer:
Jetzt wissen wir noch, welche Zeitschriften für die deutsche Wirtschaftsforschung als Output interessant sind. Also als Veröffentlichungsplattform interessant ist, rein von der Outputmenge her, nicht von der Qualität. Aber wenn schon, von der Quantität. Und damit können wir, dann sind wir nicht mehr ganz so blauäugig, wenn es vielleicht um Verhandlungen mit den Verlagen geht, welche Zeitschriften wir brauchen, welche nicht.

[00:07:34-4] Doreen Siegfried: 
Ja, okay und welche sind jetzt diese, ich nenne sie mal Lieblingsfachzeitschriften der Autoren in BWL und VWL?

[00:07:42-3] Ralf Toepfer:
Ja, das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich denke, man muss da ein bisschen differenzieren. Lieblingszeitschriften in dem Sinne, dass sie karrierefördernd sind, sind noch einmal andere als die, die vielleicht für den wissenschaftspolitischen Diskurs oder wirtschaftspolitischen Diskurs wichtig sind. Besonders krass ist es da in der VWL, da gibt es die Tyrannei der großen Fünf, top fünf Zeitschriften. Das sind die American Economic Review, Econometrica, Journal of Political Economics Quarterly, Journal of Economics und der Review of Economic Studies. Das sind so die fünf. Und wenn ich eine Professur hier, einen Lehrstuhl haben möchte, dann ist das mehr als hilfreich, vielleicht sogar notwendig da drin veröffentlicht zu haben.

[00:08:27-2] Doreen Siegfried: 
Ja, okay.

[00:08:28-9] Ralf Toepfer:
Dann gibt es noch Zeitschriften, wie beispielsweise die von der ZBW, den Wirtschaftsdienst, in dem übrigens auch sehr viel publiziert wird. Die von der Reputation vielleicht nicht so hoch sind, also garantiert nicht von der Reputation so hoch sind wie diese Top Five, aber die hier sehr relevant sind für wirtschaftspolitische Diskussion.

[00:08:50-8] Doreen Siegfried: 
Ja, haben einfach auch eine andere Zielgruppe.

[00:08:52-0] Ralf Toepfer:
Also wenn man quasi erst einmal seine Professur hat, dann möchte man auch, teilweise zumindest, oder manche von denen, sich auch in die politische Diskussion, ich will nicht sagen, einmischen, aber möchten da schon mitreden und möchten Evidenz liefern dafür, dass man gute Entscheidungen trifft. Dafür sind solche Outlets sehr wichtig.

[00:09:10-3] Doreen Siegfried: 
Das heißt, das sind dann eher so Zeitschriften, wo es eher so um den Wissenstransfer geht an andere Zielgruppen.

[00:09:16-8] Ralf Toepfer:
Genau.

[00:09:18-0] Doreen Siegfried: 
Wie du jetzt gerade sagtest. Wirtschaftspolitik und so.

[00:09:18-2] Ralf Toepfer:
Und andere Zielgruppen sind in der Regel auch, sind schon wissenschaftlich, aber sind nicht so hardcore wissenschaftlich gestrickt. Also nicht so technisch.

[00:09:25-6] Doreen Siegfried: 
Ja okay. Und hast Du da auch so eine Liste, gibt es da auch so die Top Five, jetzt so für die wirtschaftspolitische Beratung?

[00:09:34-7] Ralf Toepfer:
Nein, habe ich jetzt keine Liste. Aber in Deutschland ist es glaube ich, und ich rede hier jetzt nur von dem deutschen Sprachraum, relevant ist neben dem Wirtschaftsdienst noch die Perspektiven der Wirtschaftspolitik oder ifo-Schnelldienst, DIW-Wochenbericht, solche Geschichten.

[00:09:49-7] Doreen Siegfried: 
Okay, das heißt, man kann dann noch einmal unterscheiden zwischen, ich brauche jetzt einen Impact für meine Karriere, also so einen wissenschaftlichen Impact und einen gesellschaftlichen Impact, publiziere ich eher so in diesen Transferzeitschriften.

[00:10:01-9] Ralf Toepfer:
Ja, das würde ich so sehen, ja.

[00:10:07-6] Doreen Siegfried: 
Ja okay, verstehe. Wir haben ja jetzt schon gesprochen, auch über ökonomischen Diskurs und Austausch. Also wenn ich mir jetzt vorstelle, gerade auch vor dem Corona-Hintergrund gab es ja relativ viele Veröffentlichungen, auch über das Thema: Welche Bedeutung hat jetzt beispielsweise Corona für die Gesellschaft? Was muss ich beachten? Wie entwickelt sich die Wirtschaft? Und so weiter. Welche Fachzeitschriften sind für so einen Diskurs wichtig?

[00:10:36-5] Ralf Toepfer:
Da denke ich, dass für den Diskurs eigentlich keine Zeitschrift mehr wirklich wichtig ist.

[00:10:43-8] Doreen Siegfried: 
Ja.

[00:10:45-0] Ralf Toepfer:
Also ich denke einfach, dass es gerade in der Volkswirtschaftslehre, aber auch in der BWL so eine Kultur der Preprints gibt. Also Working Papers, die kann man sich vorstellen, wie ein Manuskript sozusagen, was noch nicht redaktionell oder bearbeitet worden ist, und es ist so, dass diese wissenschaftlichen Zeitschriften ja in der Regel ein Peer Review haben. Das heißt, dass andere Wissenschaftler über die Einreichung gucken und schauen und die versuchen zu verbessern und letztlich entscheiden, ob sie veröffentlicht werden oder nicht. Dieser Prozess, der dauert so, bei also in Economics, etwa im Durchschnitt so 18 Monate. Das heißt, wenn wir jetzt ganz aktuelle Entwicklungen haben wie Corona, ist man auf einen relativ schnellen Austausch von Informationen und Forschungsergebnissen angewiesen und da fallen die Zeitschriften schon ein bisschen hinterher.

[00:11:38-6] Doreen Siegfried: 
Ist nicht das richtige Medium.

[00:11:39-6] Ralf Toepfer:
Hinken einfach zeitlich hinterher. Und die Working Paper sind gleich sofort für alle frei verfügbar im Open Access. Jeder kann die lesen und ich glaube, dass der Austausch von Forschungsergebnissen hauptsächlich über diese Working Paper stattfindet. Und die Zeitschriften nur noch eine Art ja, wie soll man das nennen, Qualitätsstempel sind.

[00:11:59-8] Doreen Siegfried: 
Ja okay. Und spielt da irgendwie auch Social Media oder so eine Rolle, um noch einmal die Preprints, die es gibt, die dann in einem Repository liegen, sozusagen noch einmal über einen anderen Kanal zu puschen, also zu distribuieren?

[00:12:15-9] Ralf Toepfer:
Also es wird schon gemacht. Ich glaube nicht, dass es wirklich notwendig ist und wird, glaube ich, auch nicht so viel gemacht. Wenn jemand einen Twitter-Account hat, dann wird er auch sagen, hey ich habe ein neues Paper. Aber man kriegt das eigentlich über verschiedenste Wege mit. Früher hat man irgendwie sich die Paper schon auf Papier hin und her geschickt in seine Gruppen. Man kennt ja seine Pappenheimer, sage ich mal.

[00:12:40-2] Doreen Siegfried: 
Ja, seine Peers.

[00:12:40-3] Ralf Toepfer:
Also die Leute, die so in demselben Bereich und Feld arbeiten. Es gibt mit RePEec, also Research Papers in Economics, da gibt es eine schöne Metadatendatenbank, sage ich mal, wo man auch sich so Pushdienste zukommen lassen kann. New Paper in Economics heißt das, glaube ich. Das heißt, da gebe ich dann an, dieses Forschungsgebiet interessiert mich und eine Klassifikation und dann kann ich, kriege ich automatisch per E-Mail die neuesten hochgeladenen Working Paper zugeliefert.

[00:13:14-1] Doreen Siegfried: 
Ja, okay. So ein Pushdienst.

[00:13:14-3] Ralf Toepfer:
Von daher ist das, glaube ich, noch der bevorzugte Kanal im Vergleich zu Social Media.

[00:13:19-4] Doreen Siegfried: 
Ja, okay. Es gibt ja neben den großen fünf Fachzeitschriften, die sich wie du schon sagtest, sicherlich gut im Lebenslauf machen, ja auch so genannte Field Journals. Welche Rolle spielen die eigentlich? Oder habt ihr die auch in den Blick genommen?

[00:13:39-3] Ralf Toepfer:
Nein, wir haben das jetzt so gar nicht differenziert, weil uns wirklich nur der Output nach Verlag sozusagen interessiert hat. Weil wir mit Verlagen verhandeln wollen und welche Zeitschriften die machen ist erst mal, also von der, was die Reputation angeht, ist eher zweitrangig für uns. Für uns war wichtig, der Output der deutschen Wirtschaftsforschung, wo publizieren die eigentlich. Field Journals haben eine gewisse Bedeutung natürlich auch. Also es gibt ja diese Top-Journals, sind so General Interest-Zeitschriften und die Field Journals, die spezialisieren sich eben auf ein bestimmtes Gebiet. Und da gibt es auch wichtige Zeitschriften also wie das Journal of International Economics oder Journal of Monetary Economy, Journal of Public Economics. Und da erkennt man schon am Titel, dass das sich sozusagen um bestimmte Themenfelder dreht.

[00:14:33-5] Doreen Siegfried: 
Ja, okay.

[00:14:34-5] Ralf Toepfer:
Ich weiß nicht, wie es heutzutage ist, aber vor ein paar Jahren hieß es immer noch, oder vor zehn Jahren, weiß ich nicht mehr, konnte man sozusagen mit drei Veröffentlichungen in so einem Field Journal eine Veröffentlichung in so einem Top Journal aufwerten. Das heißt, die würden sich im Lebenslauf quasi gleichmachen. Weiß aber ehrlich gesagt nicht, ob das heute noch so ist oder ob das noch stärker in die Top Fünf gegangen ist.

[00:14:55-4] Doreen Siegfried: 
Ja, okay. Das heißt im Prinzip, wenn ich mir mal so jetzt eine Karriere vom Wirtschaftsforscher, -forscherin anschaue, würdest du schon sagen, was Veröffentlichungen betrifft in zwei Schritten. Also erst mal in diesen großen Fünf. Und wenn das gut gelaufen ist und ich dann eine gewisse Position habe, dann in diesen diskursiven wissenschaftspolitischen Zeitschriften.

[00:15:19-3] Ralf Toepfer:
Also ich glaube, ja, also es kann auch andersherum sein.

[00:15:23-69] [beide lachen]

[00:15:23-9] Ralf Toepfer:
Also, letztlich kann man sich nicht aussuchen, wo man veröffentlicht. Also wenn man sich das aussuchen könnte, würden alle in den Top Fünf veröffentlichen.

[00:15:32-5] Doreen Siegfried: 
Dass man sich das nicht aussuchen kann, ist klar ja.

[00:15:36-9] Ralf Toepfer:
Also, ich glaube, es sind einfach auch unterschiedliche Zielgruppen, die mit den Zeitschriften angesprochen werden. Das hat jetzt nicht unbedingt etwas damit zu tun, also mit dem Karrierepfad. Also ich denke auch, dass sich so eine Veröffentlichung im Wirtschaftsdienst, auch als junger, oder in den Perspektiven der Wirtschaftspolitik oder sonst wo, als junger Wissenschaftler gut macht. Bloß für die Professur langt sowas dann nicht. Da wird man immer irgendwie eine Veröffentlichung haben müssen in den Top Fünf.

[00:16:02-9] Doreen Siegfried: 
Ja, okay. Und die Ergebnisse, die ihr jetzt vorliegen habt, also diesen deutschen Publikationsoutput in der Ökonomie. Kann man das schon irgendwo nachlesen?

[00:16:16-1] Ralf Toepfer:
Nö, kann man nicht nachlesen, ist auch tatsächlich nicht tatsächlich geplant, das so groß zu veröffentlichen. Das ist ein internes Arbeitspapier für uns, eine interne Grundlage und ist letztlich auch nur, nur in Anführungsstrichen, eine statistische Auswertung. Also nichts wissenschaftlich hoch Relevantes, aber voll praktischer Relevanz schon.

[00:16:41-7] Doreen Siegfried: 
Für hier die praktische Arbeit.

[00:16:42-7] Ralf Toepfer:
Mal gucken, vielleicht stellen wir das irgendwo noch einmal vor. Aber ich habe jetzt nicht vor, daraus ein Paper zu machen oder so. Es gibt ja auch viele andere Publikationen dazu. Also das ist sozusagen ein Ausschnitt, für uns eher eine Arbeitsgrundlage, als ein großes Ergebnis, was man mit vielen diskutieren möchte. Ich hätte nur keine Probleme, die weiterzugeben aber …

[00:17:05-5] Doreen Siegfried: 
Ist einfach ein Arbeitsergebnis. Okay. Und was wäre jetzt so deine Vision für die Zukunft, wie es jetzt weitergeht?

[00:17:13-7] Ralf Toepfer:
Vielleicht fangen wir da mit unserer Vision an.

[00:17:17-6] Doreen Siegfried: 
Ja.

[00:17:18-6] Ralf Toepfer:
Unsere Vision ist es, sozusagen ganz klar weg vom Subskriptionsmodell zu kommen, echte Transformation einzuleiten hin zu Open Access. Das ist sozusagen unsere Vision. Sukzessive, um möglichst schnell, schnell wird schwierig, aber eben sukzessive, den Anteil von Open Access deutlich zu erhöhen. Und neue Lizenzverträge, neue Modelle sich zu überlegen, wie man so etwas realisieren kann. Meine persönliche Vision, ich halte Journals tatsächlich heutzutage quasi für überflüssig. Ich sehe da keinen übermäßig großen Mehrwert drin, dass Paper, die sowieso schon mehr oder weniger veröffentlicht sind als Working Paper, jetzt noch einmal in so Journals gegossen werden. Gut, da gibt es noch ein Peer Review drum. Aber es kann natürlich auch jeder selbst entscheiden, ob das Paper gut ist oder nicht. Und von daher sehe ich nicht wirklich eine Notwendigkeit. Also man hat, also in der VWL zumindest, mit BWL kenne ich mich nicht so gut aus, aber ich vermute mal, da ist das ähnlich. Ja, in der VWL ist es ja so – ich hatte RePEc erwähnt, dass ist so ein zentraler Hub, den eigentlich alle nutzen. Da gehen alle Working Paper oder alle Informationen über diese Working Paper rein. Darunter gibt es denn Archive, von verschiedensten Institutionen angeboten, die diese Paper langfristig hosten. Wir machen das beispielsweise auch, wir sind auch so ein RePEc-Publikationsarchiv sozusagen mit EconStor, unserem Repository. Also wir haben die ganzen Informationen da. Und man könnte sich ja vorstellen, dass man jetzt, wenn man sozusagen fachspezifisch das noch einmal gliedert, dass man irgendwie aus den neuesten Working Papern, dass man die zusammenpackt und dann hat man da eine Zeitschrift.

[00:19:06-8] Doreen Siegfried: 
Ja, okay. Aber du müsstest ja noch den Peer Review organisieren.

[00:19:10-1] Ralf Toepfer:
Genau, aber den kann man ja auch Community based organisieren. Also das E-Journal Economics vom IfW hat das ja gezeigt, dass so etwas geht. Dass man Open Peer Review gut machen kann, indem man einfach ja Peers, die Leute also sich da anmelden und sagen, ich interessiere mich dafür und helfe dann auch beim Peer Review und gib Kommentare ab. Also ich denke, dass so was machbar ist. Ich finde, aber wie gesagt, das ist meine persönliche Meinung, ich finde Zeitschriften tatsächlich ein bisschen aus der Zeit gefallen. Das ist immer noch so Print-Ära, die wir irgendwie in die digitale Welt gerettet haben. Wozu? Denn die meisten ja dann auch noch die Artikel als PDFs, das ist sozusagen noch mal Print-Ära rüber gerettet in die digitale Zeit und ich finde das ganz gut, wenn man das wirklich digital machen würde. Da gibt es noch so viele Möglichkeiten, die ich für wesentlich spannender halte, als an diesem alten Modell aus dem 17. Jahrhundert festzuhalten.

[00:20:14-6] Doreen Siegfried: 
Ja okay. Aber jetzt wird es irgendwie doch noch einmal spannend. Wenn du jetzt mal das so skizzieren würdest, wie das so, ich sage mal so, in einer idealen Welt laufen würde, also ein Forscher oder eine Forschergruppe forscht, veröffentlicht dann das Teilergebnis oder schon das Ergebnis als sogenanntes Working Paper, lädt das hoch auf einem Repository. Dann gibt es irgendwie, wie wird dann der, das Peer Review, wie wird dann die Qualitätssicherung organisiert? Wie stellst du dir das vor? Also dann finden sich automatisch Leute oder kümmert, wer kümmert sich dann um das Peer Review?

[00:20:54-2] Ralf Toepfer:
Genau. Also ich gehe davon aus, dass sich automatisch Leute finden, wenn das Paper interessant ist. Wenn es nicht interessant ist, ist es eben nicht interessant. Und dann finden sich Leute. Das Peer Review wird ja auch von Forschenden gemacht. Das ist ja nicht so, dass da irgendwelche Angestellten sind, die das Peer Review machen, sondern das macht ja auch die Forschung. Es ist sozusagen ein Teil der wissenschaftlichen Arbeit auch Peer Review zu machen. Und ich glaube, dasselbe es spricht nichts dagegen, sozusagen, dass man das Community basiert organisiert und nicht über einen Verlag. Im Gegenteil, ich finde das wäre viel schlauer das Community basiert zu machen.

[00:21:31-4] Doreen Siegfried: 
Und dann natürlich offen. Das heißt, ich werde da als Reviewer auch namentlich genannt.

[00:21:35-8] Ralf Toepfer:
Ja, das kann man verhandeln. Weiß ich nicht, ob das sinnvoll ist oder nicht. Da gibt es unterschiedliche Meinungen zu. Ich habe da keine abschließende. Das Double-Blind-Peer-Review wird ja sehr hoch gehalten. Ich denke nur, also man könnte sich vorstellen, also man muss eine gewisse Qualifikation haben, um dieses Peer Review zu machen. Und diese Qualifikation, da müsste man sich in einer Datenbank oder so registrieren und sagen, ich bin Forscher hier und hier. Und dann kann jemand entscheiden, die Community entscheiden oder man legt Kriterien an, wann darf ich Peer Review machen oder nicht, zum Beispiel. Und wenn jemand diese Kriterien erfüllt, da könnte er sagen, dann könnte er eingeladen werden, okay, hier, du darfst hier mit Peer Review machen.

[00:22:30-6] Doreen Siegfried: 
Okay.

[00:22:31-4] Ralf Toepfer:
So stelle ich mir das vor. So ähnlich ist das, glaube ich, auch beim E-Journal Economics vom IfW gewesen. Oder ist noch so, weiß ich gar nicht. Ich glaube, es ist noch so. Also man muss dann, glaube ich, an der Hochschule affiliiert sein und natürlich in Economics revidiert sein. Und dann kann man da im Prinzip Peer Review machen oder kommentieren, auch einfach. Also, es muss ja nicht immer so ein hartes, hartes Peer Review sein. Es kann ja auch sein, dass man einfach sagt, das ist ein interessantes Paper, aber ich habe mich gefragt, dass hm hm hm.

[00:23:06-2] Doreen Siegfried: 
So ein Feedback eher.

[00:23:07-8] Ralf Toepfer:
Also kommentarmäßig.

[00:23:09-2] Doreen Siegfried: 
Ja, okay.

[00:23:10-5] Ralf Toepfer:
Wie in guten Blogs. Sowas kann ich mir durchaus vorstellen.

Und man könnte dann noch weitere technische Dienste drum machen. Dass man versucht, gleich, wenn diese Artikel auf empirischen Daten basieren oder sowas, dass man gleich eine Plattform mit einbaut oder, statt Plattform einen Codeschnipsel,  anhand dessen ich diese Daten prüfen kann oder replizieren kann. Gibt ja von Code Ocean auch so ein Tool, mit dem so was auch heute schon Praxis in der Praxis umgesetzt wird. Also es gibt ganz viele verschiedene Aspekte. Die muss man mit Sicherheit tiefer durchdenken als das, was ich hier jetzt gerade mache. Aber das wäre eher meine Vision. Grob gesprochen, weg vom Print und wirklich in die digitale Welt kommen.

[00:24:03-8] Doreen Siegfried: 
Wenn man digitale Welt sagt, dann ist ja ein so ein Buzzword der letzten Jahre, ja auch Künstliche Intelligenz. Könntest du dir vorstellen, dass so ein Peer Review-Verfahren auch über KI-Methoden funktioniert?

[00:24:16-9] Ralf Toepfer:
Nein, aber das kann auch an meinem mangelnden Vorstellungsvermögen liegen. Ich denke, das Paper oder wissenschaftliche Forschungsergebnisse, von Wissenschaftlern kommentiert, verbessert den Diskurs, sollte zwischen Wissenschaftlern stattfinden und nicht zwischen Maschinen. Da gibt es mit Sicherheit auch halt, wahrscheinlich gibt es auch Anwendungsfälle für machine learning oder künstliche Intelligenz, dass man vielleicht ein paar Sachen automatisieren kann. Aber nachdenken sollten schon noch Menschen.

[00:24:53-2] Doreen Siegfried: 
Okay. Ja, spannend. Letzte Frage: Wenn unsere Hörerinnen und Hörer sich jetzt für dieses Thema Open Access, Verlage und Publikationen interessieren, wenn sie dieses Thema jetzt für sich entdeckt haben. Was wären denn so deine drei Tipps für die tägliche Praxis. Beziehungsweise was wären so Hinweise, wie man sich als Individualperson, als Individualwissenschaftler:in an der großen Open Access-Transformation beteiligen kann, wie man da beitragen kann. Hast du da Tipps und Hinweise?

[00:25:34-6] Ralf Toepfer:
Ja. Tipps, also Karrieretipps, kann ich tatsächlich nicht geben. Da sind die Doktormutter oder der Doktorvater mit Sicherheit bessere Ansprechpartner als ich. Hinweisen möchte ich darauf, dass es verschiedene Studien gibt, die zeigen, dass Open Access-Artikel häufiger gelesen werden und auch häufiger zitiert werden. Insofern besteht auch eine Eigenmotivation, Open Access zu publizieren, denke ich. Weil es natürlich sich gut macht. Und natürlich auch, man schreibt ja auch, um gelesen zu werden und wenn ich mehr gelesen werde, komme ich auch eher in den Diskurs mit anderen. Ich glaube, das ist das eine und von daher würde ich mir wünschen, dass viele den Open Access-Weg unterstützen. Es gibt natürlich, es gibt sozusagen sowieso eine große Zustimmung zu Open Access. Also das ist eigentlich bei allen Umfragen, die man so zu Open Access gestellt hat, antworten die Wissenschaftler, also 80 Prozent, sage ich mal grob, der Wissenschaftler, ja, Open Access ist eine feine Sache, aber kann ich nicht machen aus Karrieregründen. Also ist etwas platt formuliert, aber so im Prinzip. Aber dieses Open Access kann man auch unterstützen. Beispielsweise geht es schon damit los, wenn ich irgendwo publiziere, dass ich meinen Open Access-Beauftragten, wenn ich denn so was habe, und immer mehr Leute haben so was, mal frage: Ja, ist das denn okay so, muss ich da mein Copyright wirklich weggeben oder eigentlich nicht? Und generell einfach, wenn man die Wahl hat, eine gleichwertige Wahl zwischen Open Access publizieren und nicht Open Access publizieren, würde ich mir wünschen, dass Open Access publiziert wird. Und nicht nur aus, ja historischen oder traditionellen Gründen gesagt wird, okay, ich mache jetzt einfach mal, ich nehme jetzt einfach diese Zeitschrift. Ich glaube nicht, dass es so ist, dass es nur historische Gründe sind. In der Regel hat man schon einen guten Grund zu publizieren, wo man publiziert. Aber man kann uns auch unterstützen, diese Open Access-Transformation voranzubringen. Gezeigt hat sich das jetzt bei den DEAL-Verhandlungen mit Elsevier, die ja einer größeren Öffentlichkeit vielleicht auch bekanntgeworden sind, zumindest im wissenschaftlichen Bereich. Wo denn Elsevier, die, wo man dann gesagt hat, wir kommen nicht ins Geschäft und dann haben wir eben die Verträge nicht verlängert. Und dann waren die Elsevier-Zeitschriften halt nicht mehr in dem elektronischen Zugriff. Und da fand ich es ganz bemerkenswert, dass da kein ganz großer Aufschrei war von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass sie jetzt keinen Zugriff mehr auf diese Zeitschriften haben. Sowas finde ich sehr ermunternd und unterstützend. Ich weiß natürlich auch, dass es andere Wege gibt, an die Artikel denn trotzdem zu kommen. Und ja, das ist sozusagen, dass man uns darin unterstützt, und sei es auch nur durch Spirit, den Weg weiterzugehen.

[00:28:28-9] Doreen Siegfried: 
Den legalen Weg …

[00:28:32-9] Ralf Toepfer:
Den legalen Weg ja, natürlich.

[00:28:33-7] Doreen Siegfried: 
an offene Paper ranzukommen. Genau. Weil es geht ja auch ein bisschen um Nachhaltigkeit. Also es gibt ja andere Wege, irgendwie sich Paper aus irgendwelchen Portalen zu ziehen, aber dann weiß man nicht, sind die dann morgen auch noch da.

[00:28:46-8] Ralf Toepfer:
Ja, weiß man nicht. Keine Ahnung. Klar, gerade wir Bibliotheken, haben natürlich den Anspruch, und der wird ja auch erfüllt, dass man Sachen sehr lange aufbewahrt und hat und die auch in Zukunft noch lesbar sind. Genau. Deswegen bauen wir auch gerade jetzt unsere IT-Infrastruktur aus, sodass man da auch diese Lizenzen, die da verhandelt werden, es geht ja nur um Online-Artikel, um diese Lizenzen, dass man die dauerhaft hat und die Papiere dauerhaft irgendwo auf Servern hat, die dann auch langzeitarchiviert werden und so. Genau.

[00:29:23-2] Doreen Siegfried: 
Okay. Also liebe Zuhörerinnen, liebe Zuhörer, wenn Sie das nächste Mal einen Autorenvertrag unterzeichnen, gucken Sie doch mal, ob Sie wirklich alle Rechte da abtreten müssen oder ob da nicht vielleicht Ihr Open Access-Beauftragter oder ihre Open Access-Beauftragte, da vielleicht einmal mit dem Rotstift durchgeht und Sie da sozusagen einen Beitrag für die Open Access-Bewegung leisten können auf einfache Art und Weise.

[00:29:51-2] Doreen Siegfried: 
Vielen Dank, Ralf. Ich bedanke mich für diese Zahlen, Daten, für diese Einsicht in den deutschen Publikationsoutput.

[00:30:01-3] Ralf Toepfer:
Sehr gerne.

[00:30:02-2] Doreen Siegfried: 
Und vielen Dank auch da draußen. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Lassen Sie uns gern auch ein kurzes Feedback da oder auch ein längeres. Und abonnieren Sie uns fleißig auf iTunes oder Spotify. Ich freue mich aufs nächste Mal.